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Xi zu Besuch in Europa: Interessen statt Illusionen

Xi Jinping braucht den europäischen Markt – und umgekehrt. Er weiß, dass die Europäer ihn im Krieg Putins gegen die Ukraine brauchen. Aber Putin selbst weiß das auch.
Chinas Machthaber Xi besucht Frankreichs Präsidenten Macron
Foto: IMAGO/Xie Huanchi (www.imago-images.de) | Chinas Machthaber Xi besucht Frankreichs Präsidenten Macron: Das Verhältnis zwischen China und der Europäischen Union darf nicht noch einmal auf Naivität und Illusionen, sondern muss auf klaren Interessen beruhen.

China ist für die Europäische Union zugleich Partner, Konkurrent und systemischer Rivale. All dies hat der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping bei seinem Besuch in Paris überreich präsentiert. Im Gespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen machte Xi klar, dass China sich als Weltmacht versteht und von gar niemandem Spielregeln diktieren lässt. Das betrifft die Handelspartnerschaft, bei der es beiderseits um dreistellige Milliardensummen geht, aber auch den Krieg in der Ukraine.

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Das Verhältnis zwischen China und der Europäischen Union darf nicht noch einmal auf Naivität und Illusionen, sondern muss auf klaren Interessen beruhen: Die Europäer müssen wissen, dass sich China in einem großen Hegemonialkonflikt mit den USA befindet und systematisch versucht, die Staaten Europas zu spalten. Dem dienen auch die Besuche Xi Jinpings in Serbien und Ungarn, wo Peking nicht nur über ökonomischen, sondern auch über politischen Einfluss verfügt. Gewiss hat auch Macron bei Xi Jinping damit gepunktet, dass er offen für eine außen- und sicherheitspolitische Autonomie Europas (von den USA) eintritt. Jeder weitere Millimeter Distanz zu Washington freut Peking.

China kann eine Schlüsselrolle spielen

Auch jenseits der asymmetrischen Marktzugänge, die Von der Leyen deutlich thematisierte, können die Europäer mit Chinas Agieren nicht zufrieden sein. Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine stützt sich – neben iranischen Drohnen und nordkoreanischer Munition – auf chinesische Technologie. Dieses Problem brachten Macron und Von der Leyen in Paris so klar zur Sprache, dass Xi Jinping für seine Verhältnisse geradezu brüsk jede Schuld am „Konflikt“ in der Ukraine von sich weisen musste. Gleichwohl: Europa weiß, dass nur China den engen Draht und das ausreichende Gewicht hat, um Putin den Einsatz von Nuklearwaffen zu verbieten und – hoffentlich bald – auf eine Beendigung des Krieges zu drängen.

Schon im Interesse des Friedens in Osteuropa kann die EU darum die Weltmacht China nicht brüskieren oder ignorieren. Peking könnte im Ukraine-Krieg eine Schlüsselrolle spielen – und weiß das auch. Aber in Brüssel und Paris darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass China irgendetwas anderes berücksichtigt als die chinesischen Interessen. Und die richten sich nun einmal gegen die globale Dominanz Amerikas. Genau darauf baut Wladimir Putin. Darum wird er seinen „lieben Freund“ Xi Jinping gleich nach dessen Heimkehr aus Europa besuchen. Zum 43. Mal übrigens.

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Stephan Baier Emmanuel Macron Ursula von der Leyen Wladimir Wladimirowitsch Putin Xi Jinping

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