Die Cambridge University in Manhattan, die University of California in Los Angeles, die Universität Sciences Po in Paris: In den USA, aber auch in Europa, stehen zahlreiche renommierte Tempel des Wissens seit Wochen wegen teils eskalierender propalästinensischer Demonstrationen in den Schlagzeilen. Zeltstädte auf dem Campus sind dabei zum neuen Symbol des Protests geworden.
Die unübersichtliche Gemengelage macht eine Bewertung der Proteste nicht immer einfach: Nicht überall erhalten unabhängigen Medien uneingeschränkten Zugang, oft mischen sich unter die studentischen Demonstranten Teilnehmer von außen, die einfach nur ihrer Lust auf Krawall nachgehen.
Organisiert von einem undurchsichtigen Netzwerk
Je länger die Campus-Besetzungen andauern, desto deutlicher zeigt sich aber: Die Proteste radikalisieren sich. Es gibt gute Gründe, Kritik an der Regierung Netanjahus zu üben, auch am Einsatz der israelischen Armee in Gaza mit seinen Tausenden Todesopfern. Auch steht es jedem frei, Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand, ja nach einem dauerhaften Kriegsende zu erheben.
Und auch wenn es fassungslos macht, dass Studenten von ihrer Universitätsleitung verlangen, alle Verbindungen zu israelischen Universitäten zu kappen, dass Stiftungen israelische Vermögenswerte veräußern sollen: Von der im Ersten Verfassungszusatz verbrieften Meinungsfreiheit ist auch das noch gedeckt.
Wenn aber offen antisemitische Parolen gegrölt werden, ja wenn jüdische Studenten Kippa und Davidstern auf dem Campus verstecken müssen, weil sie um ihre Sicherheit fürchten, ist die Grenze des Tolerierbaren definitiv überschritten. Da wundert es nicht, dass zahlreiche Camps von dem undurchsichtigen Netzwerk „Students for Justice in Palestine“ organisiert werden, das ausdrücklich die „Befreiung“ der Palästinenser fordert und den Terroranschlag vom 7. Oktober verherrlicht.
Was wird an den Unis eigentlich gelehrt?
Doch auch die Universitäten selbst, die sich auf die Fahnen schreiben, die künftige Elite ihres Landes auszubilden, müssen sich kritische Fragen gefallen lassen. Was wird dort eigentlich gelehrt? Es sollte doch nicht nur Fachwissen, sondern ebenso die Fähigkeit zu kritischem, analytischem Denken sein. Die Fähigkeit, komplexe Phänomene wie den Nahostkonflikt in ihrer Vielschichtigkeit zu durchdringen.
Wenn sich aber nur diejenigen Gehör verschaffen, die am lautesten schreien, wird ein so dringend benötigter differenzierter Diskurs über den Krieg in Nahost immer schwieriger. Auf dem Campus findet er momentan jedenfalls nicht statt.
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