Der Paderborner Moraltheologe Peter Schallenberg hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem Portal „katholisch.de“ massiv Kritik an der Politik der Ampel-Regierung geübt. Schallenberg, der auch zu den regelmäßigen Autoren dieser Zeitung gehört, äußerte sich hier als katholischer Sozialethiker. So eine schlechte Regierung habe Deutschland seit langem nicht mehr gehabt. Die Ampel-Parteien seien dermaßen zerstritten, dass die Regierung kaum noch handlungsfähig sei. Diesen Zustand halte er für brandgefährlich.
Weiterhin stellte Schallenberg fest: „Wenn es um so wichtige Themen wie den Lebensschutz oder den Schutz von Ehe und Familie geht, ist die Distanz der Ampelregierung zu unseren Positionen als Kirche denkbar groß.“ Der Moraltheologe betonte: „Die bestehende Rechtslage, nach der ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt, ist aus meiner Sicht ein guter Kompromiss, der sich bewährt hat und nicht ohne Not aufgegeben werden sollte.“
Fehlende Sensibilität für weltweite Bedrohung der Religionsfreiheit von Christen
Für die Kirche sei klar, „das menschliche Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, der Embryo entwickelt sich als Mensch und nicht erst zum Menschen. Daraus ergibt sich meines Erachtens zwingend die grundsätzliche Rechtswidrigkeit einer Abtreibung. Dass Teile der Koalition dies bezweifeln und ein generelles Recht auf Abtreibung einführen wollen, ist schockierend.“

Auch fehle eine Sensibilität der Regierung für die weltweite Bedrohung der Religionsfreiheit von Christen: „Für die Ampel - und hier insbesondere für SPD und Grüne - scheint Religion jedoch auch im globalen Maßstab eine zu vernachlässigende private Spielwiese zu sein.“
Schließlich äußerte sich Schallenberg auch zum Verhältnis von Staat und Kirche. Zu den Plänen der Ampel zur endgültigen Ablösung der sogenannten Staatsleistungen stellte er fest, hier habe sich die Regierung möglicherweise verrannt. Sein Eindruck sei, dass die Bundesländer sich mit den Leistungen arrangiert hätten und sie für sinnvolle Investitionen hielten. Trotzdem sei aber auch festzustellen, dass die historischen Gründe für die Staatsleistungen kaum noch vermittelbar seien. Auch eine neue Form der Kirchenfinanzierung hält Schallenberg für vorstellbar. Etwa in Form des italienischen Modells.
Schließlich wird der Moraltheologe zu seinen Prognosen mit Blick auf die Zukunft befragt: Er hoffe auf eine christdemokratische Politik nach der Wahl, die sich stärker am christlichen Menschenbild orientieren werde.
Demele spricht von „Regierungsbashing“ und „parteipolitischem Wahlaufruf“
Vor allem diese letzte Aussage hat die massive Kritik von Markus Demele hervorgerufen. Der Generalsekretär von Kolping International schreibt in einem Beitrag auf seiner privaten Seite bei Facebook, bei dem Interview handele es sich um „Regierungsbashing“ und einen „parteipolitischen Wahlaufruf“.
Und er richtet auch einen Vorwurf an „katholisch.de“: „Bitter, wie einseitig hier ein großes Interview platziert wird, dass bei den Lesenden den Eindruck hinterlässt, mit der CDU sei man viel näher an den kirchlichen Kernanliegen.“ Seiner Wahrnehmung nach sei die Ampel in vielen Punkten näher an der katholischen Soziallehre als die Union.
Demele wirft Schallenberg vor, dieser suche nach Widersprüchen, „um seinem Weltbild gerecht zu werden“. Demeles Fazit: „Es riecht nach Kulturkampf.“ Demele, der nach eigenen Angaben in seiner Jugend auch in der Jungen Union engagiert war, ist in Wesseling bei den Grünen aktiv. „Katholisch.de“ ist das offizielle Portal der katholischen Kirche in Deutschland. DT/sesa
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