Eines scheint ziemlich sicher: Wenn Friedrich Merz jetzt grundsätzlich eine Koalition mit den Grünen auf der Bundesebene ausschließen würde, seiner Partei würde dies noch einmal ein paar Prozentpunkte mehr bei den aktuellen Umfragen bringen. Und auch bei denjenigen, die jetzt schon angeben, bei den Schwarzen ihr Kreuz machen zu wollen, wenn denn nun Wahlen wären, würde so eine Festlegung nicht auf Protest stoßen.
Ganz im Gegenteil: Bei den Wählern gibt es eine Art Fluchtbewegung von den Grünen hinweg. Angetrieben werden sie vor allem von der schlechten Wirtschaftspolitik von Robert Habeck. Die Union erscheint hier als Fluchtburg. Und es ist auch keine Frage: Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann haben die Zugbrücke zu dieser Zufluchtsstätte weit hinuntergelassen. Vor allem sollen auch diejenigen, die sich in der Ära Merkel von ihr abgewendet haben, dort wieder eine politische Heimat finden.
Die Aussagen von Merz sind differenzierter
Doch dann das: Der CDU-Vorsitzende spekuliert in einem Newsletter, der regelmäßig an die Parteimitglieder verschickt wird, über eine mögliche Koalition mit den Grünen. Dabei hatte er sie doch noch kürzlich zum Hauptgegner für die Union erklärt. Ein kommunikativer Super-Gau? Zumindest ziemlich ungeschickt. Denn die entsprechenden Schlagzeilen, die nun überall zu lesen sind, bilden nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme für das Klientel, das die Schwarzen für sich gewinnen wollen.
Dabei sind die Aussagen von Merz durchaus differenzierter als das, was jetzt in den dicken Überschriften davon übrig geblieben ist. Als Hauptziel gibt er an, dass die Union doppelt so stark wie SPD und Grüne werden müsse. Aus der Position der Stärke könne dann gut verhandelt werden. Und, das wird auch deutlich, sein Lieblingspartner wäre die FDP. Koalitionsaussagen sollten, so Merz, vor der Bundestagswahl überhaupt keine getroffen werden. Fest stehe lediglich, dass mit der AfD kein Bündnis in Frage käme.
Freilich wird diese Analyse nun durch die Berichterstattung überblendet – und das hätten Merz und Linnemann wissen müssen. Warum ohne Not nun so eine Debatte vom Zaun treten? Schließlich: Über das Fell des Bären kann erst verhandelt werden, wenn der Bär erlegt ist. Und bis die Union diesen Bären, also eine gewonnene Bundestagswahl, in das Adenauer-Haus tragen kann, steht ihr noch einiges an Arbeit bevor.
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