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Manuela Schwesig und Nord Stream 2: Eine Analyse

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig gibt Fehler im Umgang mit Nord Stream 2 zu. Doch wie eng waren ihre Verflechtungen mit Russland?
Ministerpräsidentin Schwesig
Foto: Jens Büttner (dpa) | Manuela Schwesig wird sich wahrscheinlich warm anziehen müssen, denn es wirkt so als käme für sie von vorne rauher und kalter Wind auf.

„Mit dem Wissen von heute waren die Unterstützung von Nord Stream 2 und die Stiftung ein Fehler. Und auch ich habe diesen Fehler gemacht“, sagte Manuela Schwesig (SPD)  im März in Schwerin während eines Presseauftritts. Das hört sich zunächst nach erschrockenem Erkennen darüber an, wie sehr man sich hat instrumentalisieren lassen und nach Einsicht in eigene Fehler. Frau Schwesig – derzeit noch amtierende Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern (MV) – tut so, als seien ihr die Verflechtungen der von ihr mitinitiierten und durchgesetzten Gründung der ominösen „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ nicht bekannt gewesen. Diese war vorgeblich gegründet worden, um das Klima und die Natur zu schützen. An der Spitze der Stiftung: Erwin Sellering (SPD), ehemaliger Ministerpräsident in MV.

Putin band deutsche Politiker mit Schmeicheln an sich

Veröffentlichte Aktenfragmente, die über diese „Stiftung“ Auskunft geben, erzählen eine andere Geschichte. In Wahrheit wurde sie gegründet, um einen weiteren Fehler – den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 des russischen Staatsunternehmens Gazprom – trotz angedrohter US-Sanktionen beenden zu können. Anrüchig ist, dass die interessanten Teile der Akten geschwärzt sind. Akten, die am aussagekräftigsten den Filz zwischen Politik, Politikern, Regierung und den russischen Energielieferanten aufzeigen könnten, waren seitens der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns erst nicht „auffindbar“. Nachdem bekannt wurde, dass diese Akten digital gesichert sein müssen, sind sie nun erstaunlicherweise doch aufgetaucht. Nun wird es spannend werden.

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Noch spannender ist, dass zeitgleich zu Schwesigs unumgänglichen Eingeständnis, dass sie „diesen Fehler“ „auch“ gemacht habe – neben all den vielen anderen Fehlgeleiteten -, bekannt wird, dass dem Bundesnachrichtendienst bereits seit 1998 bekannt war, dass Russland deutsche Politiker mit einer vom Geheimdienst FSB initiierten Charmeoffensive an die Kremlpolitik binden wollte. Offenbar war dieses Schmeicheln sehr erfolgreich. 1998 war Wladimir Putin Chef des Geheimdienstes, Gerhard Schröder war gerade Kanzler geworden, der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ab 1999 sein Kanzleramtschef. 2004 bestätigte Schröder Putin, ein „lupenreiner Demokrat“ zu sein. 2005 trat der Altkanzler der SPD beinahe direkt aus dem Kanzleramt, ohne jede Schamfrist, als Lobbyist für die Nord Stream AG, einer 51-prozentigen Tochtergesellschaft der Gazprom, in die Dienste des inzwischen zum Präsidenten erkorenen Wladimir Putin.

Erstaunliche Karrieren, erstaunliches Nichtwissen

Das alles will Schwesig nicht gewusst haben und „dieser Fehler“ sei ihr erst „mit dem Wissen von heute (sic!)“ klar geworden? Schwesig hat innerhalb der SPD und auf Bundesebene eine erstaunlich steile Karriere hingelegt: 2003 trat sie – damals noch Finanzbeamtin – in die SPD ein. Zehn Jahre später war sie stellvertretende Landesvorsitzende und ab 2017 Vorsitzende. Auf Bundesebene gehörte sie bereits seit 2009 – nur sechs Jahre nach ihrem Eintritt – als stellvertretende Bundesvorsitzende dem Vorstand der SPD an. An die Spitze der Partei gelangte sie in kommissarischer Funktion, nach nur 16 Jahren Parteizugehörigkeit.

Das ist erstaunlich in traditionsreichen Volksparteien wie der SPD, die ja gerne auch mal als „die alte Dame“ bezeichnet wird und in der Genossen normalerweise für ihr Kärrnerarbeit als Parteisoldaten mit Mandaten bedient wurden. Dass sie als junge Frau ambitioniert die Chancen der heutigen Zeit nutzte, zeigen die Posten auf Landesebene, die sie nebenbei erledigte: 2008 Sozialministerin und ab 2011 Arbeitsministerin unter Sellering. Es wirkt sehr erstaunlich, dass eine so umtriebige Persönlichkeit mit offenbar vielen Kontakten in der Landesregierung MV, in die SPD-Parteizentrale und in der Bundesregierung nichts davon mitbekommen haben will, dass der BND vor Gazprom und dem Kreml gewarnt hatte.

Manche warten drauf,  umgarnt und gekauft zu werden

Bei der Bundeswehr bekommen noch heute Rekruten mitgeteilt, dass sie klug mit ihrem Wissen und vorsichtig in der Auswahl ihrer Saufkumpane sowie Bekanntschaften sein sollen und besonders sensibel auf subtile Freundlichkeit reagieren sollten. Menschen, die in der Politik tätig sind, kennen solcherart Hinweise auch. Allerdings drängt sich inzwischen vermehrt der Eindruck auf, dass gerade auf politischer Ebene manche geradezu darauf warten, umgarnt und gekauft zu werden.

Erstaunlich ist auch, dass schon 2012 bekannt wurde, wie Gazprom beispielsweise in Bayern versuchte, sich den Gasmarkt unter den Nagel zu reißen. Es gibt Unterlagen aus denen ersichtlich wird, dass die russische Staatsfirma sehr gezielt und planvoll vorgingen: Das Engagement des Unternehmens werde man nur starten, wenn Gazprom in allen Belangen uneingeschränkt Herr im Hause sei – so die Sitzungsprotokolle. An Juniorpartnerschaften waren die Gasmänner aus dem Kreml nicht interessiert. Und all das war bekannt! Aber Frau Schwesig tritt mit blauen Augen vor die Presse und bekundet mit treuherzigem Blick, dass sie erst „mit dem Wissen von heute“ „auch“ „diesen Fehler“ gemacht habe, sich auf diese fragwürdigen „Geschäftspartner“ einzulassen.

Unmögliche Zufälle

Nun bleiben noch – schon im Eigeninteresse einer ehemaligen Finanzbeamtin - die Fragen zu klären, wie es passieren konnte, dass ausgerechnet die Steuererklärung der „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ in einem Finanzamt verloren gegangen sein soll und dass sowohl der Steuerberater und die Stiftung selbst davon keine Kopie haben sollen. Da scheint es Zufälle zu geben, die Otto Normalbürger sich in den kühnsten Träumen nicht vorstellen kann. Interessant werden wohl auch die geheimnisvoll wieder aufgetauchten Akten zur Stiftungsgründung sein.  Daraus könnten endlich Erkenntnisse gewonnen werden, wer die bisher geheim gehaltenen Kuratoren der Stiftung sind, woher Geld in die Stiftung floss und wohin es weitergeleitet wurde.

Es wird dann eventuell erkennbarer, was diejenigen, die in den Genuss von Zuwendungen der Stiftung kamen, damit gemacht haben. Ein erster Geldabfluss muss bekanntlich nicht das eigentliche Ziel einer Zahlung sein, wenn man schon so ein Gewese um sein Geschäftsgebaren macht. Frau Schwesig wird sich derzeit wahrscheinlich warm anziehen müssen, denn es wirkt so als käme für sie von vorne rauher und kalter Wind auf.

 

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