Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar zu prorussischer Plattform

"Voice of Europe" auf den Grund gehen

Für die Wähler ist es relevant, ob Politiker in Europa Russlands autoritäres System aus Überzeugung verteidigen - oder weil sie finanziell profitieren.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron steht im Verdacht, mit dem prorussischen Netzwerk "Voice of Europe" in Kontakt gestanden und möglicherweise auch Geld entgegengenommen zu haben.

Spätestens seit der Titanic wissen wir: Sichtbar ist nur die Spitze des Eisbergs. Breiter ist dessen unter dem Meeresspiegel liegender Teil. Mit freiem Auge sichtbar sind ehemalige Spitzenpolitiker, die von staatlichen oder staatsnahen russischen Unternehmen üppige Gagen beziehen und dann auffallend viel Verständnis für Wladimir Putins Sicht auf uns und den Rest der Welt haben. 

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Nicht alle stellen das so ungeniert zur Schau wie der nunmehr 80-jährige Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, nicht alle leben das mit so viel Selbstmitleid aus wie die frühere Außenministerin Österreichs, Karin Kneissl. Seltener sichtbar sind die aktiven Politiker, deren hohes Verständnis für den Kreml mit ebensolchen Kontoständen korrespondiert. Wenn - wie nun im Zusammenhang mit der prorussischen Plattform "Voice of Europe" - ein solcher Verdacht auftaucht, dann sollte dem jedenfalls auf den Grund gegangen werden.

Zum Patriotismus kann man nicht verpflichten

Es ist für den Wähler gewiss relevant, ob ein Politiker oder eine Partei in Europa Russlands völkerrechtswidrigen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine aus reiner Überzeugung verharmlost und verteidigt - oder weil der Rubel üppig rollt. Wie zu Sowjetzeiten, so kann auch zu Putinszeiten eine westliche Demokratie ihre Volksvertreter links- wie rechtsaußen ja nicht zum Patriotismus verpflichten. 

Dennoch dürfen die Wähler wohl wissen, ob manche ihrer gewählten Vertreter trotz ihres aus Steuergeldern bestrittenen Lebensstils ein aggressives und zumindest autoritäres Herrschaftssystem einfach klasse finden, oder ob der Steuerzahler nur den kleineren Teil des Lebensunterhalts dieses oder jenes Gewählten bestreitet.

Ebenfalls aus Sowjetzeiten wissen wir, dass nicht jeder Landesverräter aus schnöder Geld- und Raffgier handelt. Immer wieder gab und gibt es echte Überzeugungstäter, glühende Ideologen und auch pure Wichtigtuer, denen das Doppelagieren irgendwie aufs Psychogramm geschneidert scheint. 
Und dann arbeitet Putins FSB (wie der KGB sich heute nennt) natürlich seit jeher auch mit dem "Kompromat", also mit der schlichten Erpressbarkeit der Allzumenschlichen.

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Stephan Baier Gerhard Schröder Russische Regierung Wladimir Wladimirowitsch Putin

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