Wir leben in Zeiten des historischen Umbruchs. Da ist es wichtig, sich auf die Grundlagen unserer Kultur und Geschichte zu besinnen. So konnte man auch deuten, dass gestern und heute der G7-Gipfel im Friedenssaal des Münsteraner Rathauses stattfand.

Ort des Friedens
Dort in Münster wurde einst der Dreißigjährige Krieg beendet, dort wurde aber auch ein Modell der internationalen Ordnung geschaffen, das über Jahrhunderte unseren Kontinent geprägt hat. Die Erinnerung an den „Geist von Münster“ hätte also der Weltöffentlichkeit zeigen können, wie die internationale Staatenwelt das Erbe dieses Friedensschlusses aufgreift und für die Gegenwart adaptiert. Doch jetzt geht ein ganz anderes Signal von Münster aus.
Wie jetzt durch Medienberichte bekannt wurde, ist das sogenannte Ratskreuz im Friedenssaal entfernt worden. Dies sei so zwischen dem Protokoll und der Stadt Münster abgesprochen worden, teilte ein Sprecher des Außenministeriums mit. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sei an dieser Entscheidung jedoch nicht direkt beteiligt gewesen.

Geschichtsvergessenheit
Wie dieser Entschluss nun genau zustande gekommen ist, wird sich noch zeigen müssen. Klar ist aber jetzt schon: Eine Chance wurde vertan. Das Kreuz zu entfernen, ist nicht nur ein Beispiel für Geschichtsvergessenheit. Denn ohne das Kreuz ist dieser „Geist von Münster“, der immerhin für mehrere Jahrhunderte Europa politische Stabilität schenkte, gar nicht zu verstehen. Das Kreuz abzuhängen, ist auch ein strategischer Fehler. In diesen Tagen wird in Sonntagsreden viel davon gesprochen, dass der Westen angesichts des russischen Angriffskrieges vor der Aufgabe stünde, seine Werte und seine Kultur zu verteidigen. Jetzt kann die Weltöffentlichkeit nur staunend zur Kenntnis nehmen, dass eben dieser Westen offenbar wirklich nicht mehr weiß, wo die Wurzeln seiner Kultur liegen.
Anfrage im Ministerium
Und so geht der Blick von Münster nach Peking. Bundeskanzler Olaf Scholz ist in die chinesische Hauptstadt gereist, im Vorfeld gab es zurecht viel Protest von Menschenrechtsorganisationen, die in diesem Besuch eine Art Kniefall vor dem chinesischen Unrechtsregime sehen. Xi Jinping und Co dürften aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommen, wenn sie von dem Münsteraner Vorfall hören. Denn was ist von einem Westen zu halten, der offenbar nicht nur nichts mehr von seiner Geschichte wissen willen, sondern auch gar nicht mehr merkt, wie er sich selbst demontiert. Ja, sogar einen seltsamen Stolz entwickelt, die eigenen Wurzeln abzuschlagen, weil er solche Prozesse der Selbstvergessenheit als Toleranz deutet.
Das Bistum Münster hat angekündigt, über das Katholische Büro in Berlin dem Außenministerium sein Befremden über diesen Vorgang mitzuteilen und eine Begründung zu verlangen. So viel Verve hätte man der Kirche in Deutschland, die sich ja sonst am liebsten mit sich selbst beschäftigt, gar nicht mehr zugetraut. Der Stein ist in den Brunnen gefallen. Aber es war immerhin ein lautes „Platsch“ zu hören. Vielleicht wachen nun manche auf.
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