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Kommentar um "5 vor 12": Hamburg ist anders

Aus der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft lassen sich kaum deutschlandweite Trends ablesen.
Bürgerschaftswahl in Hamburg
Foto: Wolfgang Kumm (dpa) | SPD Ko-Vorsitzende Saskia Esken gratuliert Peter Tschentscher zum Wahlsieg in Hamburg. Das Votum für die SPD in Hamburg war jedoch keine Entscheidung für die Saskia Esken-SPD, es war eine Entscheidung der Wähler für ...

Hamburg ist nicht Deutschland. Das müssen sowohl die zur Kenntnis nehmen, die sich gestern gefreut haben wie die, die Grund zum Ärger hatten. Das relativ gute Abschneiden der SPD steht nicht für eine Wende im Schrumpfungsprozess, dem die einstmals starke Volkspartei seit Monaten ausgesetzt ist. Denn die hanseatischen Sozialdemokraten sind anders, hier ist Helmut Schmidt das große Vorbild. Und Peter Tschentscher ist es wie seinem Vorgänger Olaf Scholz gelungen, sich als Gralshüter dieses Erbes zu präsentieren.

Entscheidung der Wähler für die Mitte

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Dem konnte die Union, die in Hamburg sowieso noch nie einen leichten Stand hatte, nichts entgegensetzen. Das Votum für die SPD in Hamburg war also keine Entscheidung für die Saskia Esken-SPD, es war eine Entscheidung der Wähler für die Mitte. Was diese Mitte ist, darüber lässt sich politikwissenschaftlich lange philosophieren. Was aber die Wähler sich darunter vorstellen, hat dieses Ergebnis gezeigt: Viel Pragmatismus, eine bekömmliche Mischung aus Wirtschaftsfreundlichkeit und sozialer Fürsorge und das Ganze möglichst zeitgeistkonform verpackt.

Gewiss, Innovation sieht anders aus. Aber der Hamburger Wähler will offenbar vor allem ruhig und möglichst ohne Aufregung regiert werden. Damit setzt sich nur in gewisser Weise ein Trend fort, der auch bei den letzten Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erkennbar war: Der amtierende Regierungschef, die Parteizugehörigkeit scheint dabei eher nebensächlich, wird als Stabilitätsanker verstanden. Was aber in Hamburg anders ist: Bei den Wahlen in den neuen Bundesländern gab es daneben auch noch einen großen Stimmenanteil für die AfD. Sie wurde als die Oppositionspartei wahrgenommen. Wer mit der Regierung in seinem Bundesland nicht zufrieden war, der gab seine Proteststimme der AfD.

Hansestadt war noch nie AfD-Hochburg

Diesen Effekt gab es in Hamburg nun überhaupt nicht; nur mit Mühe und Not schaffte es die Partei in die Bürgerschaft. Aber auch daraus lässt sich noch kein deutschlandweiter Trend ablesen. Die Hansestadt war noch nie eine AfD-Hochburg, der Spitzenkandidat war eher farblos. Hinzu kommt das liberale Grundgefühl in der alten Handelsstadt. AfD-Kritiker, die nun jubeln, der Siegeszug der Partei sei gestoppt, sollten erstmal abwarten. In Hamburg wurden nicht die Weichen für das ganze Land gestellt.

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Sebastian Sasse Alternative für Deutschland Helmut Schmidt Olaf Scholz Oppositionsparteien SPD Sozialdemokraten

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