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Gas-Gerd weiter ohne Reue und Einsicht

Mehr als ein taktischer Rückzug von Rosneft war von einem Schröder nicht zu erwarten.
Altkanzler Schröder
Foto: Christoph Soeder (dpa) | Die SPD sollte sich langsam überlegen, ob mit Blick auf die Wähler nicht Glaubwürdigkeit ihr Ding sein sollte – und sich von Gas-Gerd konsequent trennen.

Mea culpa sei nicht so sein Ding, ließ Gerhard Schröder die Weltöffentlichkeit jüngst wissen. Aus katholischer Sicht könnte man ihn darauf hinweisen, dass sich eine gründliche Gewissenserforschung samt anschließendem Schuldbekenntnis auch bei (oberflächlich betrachtet) weniger holprigen Lebensläufen als psychohygienisch wertvoll erwiesen hat. Aber, klar, ein mea culpa ist eben nicht so sein Ding. Und so ist auch jetzt – nach drei Monaten russischer Gemetzel in der Ukraine – von Gerhard Schröder so etwas wie eine öffentliche Abkehr vom Kriegsherrn im Kreml oder ein Wort des Mitleids für die Opfer der russischen Aggression nicht zu erwarten.

Er will seine Schäfchen ins Trockene bringen

Wenn der deutsche Altkanzler seine lukrative Tätigkeit als Aufsichtsratschef beim russischen Ölkonzern Rosneft nun einstellt, dann nicht etwa, weil er vom Völkerrechtsbruch Putins, von den Kriegsverbrechen der russischen Invasionsarmee oder vom Leid der ukrainischen Zivilisten in irgendeiner Weise bewegt oder beeindruckt wäre. Nein, es schien ihm einfach opportun. Seine vom deutschen Steuerzahler finanzierten Mitarbeiter hatten das Weite gesucht, die Altkanzler-Privilegien beginnen zu schmelzen und das Europäische Parlament forderte am Donnerstag gar Sanktionen gegen „europäische Mitglieder der Leitungsorgane großer russischer Unternehmen und Politiker, die nach wie vor Geld aus Russland erhalten“.

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Gerhard Schröder startete also einen taktischen Rückzug, um seine deutschen wie russischen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Geld ist ja erwiesenermaßen Gerds Ding, um in seiner Diktion zu bleiben. In den Betreibergesellschaften von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 bleibt er offenbar weiterhin. Mit monatlich 8.300 Euro Altkanzler-Salär ist ja auch wirklich kein Staat zu machen.

Freilich, die EU ist – anders als Russland – ein Raum der Meinungsfreiheit, darum darf Schröder weiterhin geopolitischen Unsinn erzählen ohne deshalb strafrechtlich belangt zu werden. Sein lupenreiner Busenfreund Wladimir dagegen lässt Regimekritiker oder Kriegsgegner auf schwarze Listen setzen, wegsperren (wie Alexej Nawalny), erschießen (wie Boris Nemzow) oder als „ausländische Agenten“ verfolgen (wie ab sofort Ex-Oligarch Michail Chodorkowski und Schachweltmeister Garri Kasparow). Die SPD sollte sich langsam überlegen, ob mit Blick auf die Wähler nicht Glaubwürdigkeit ihr Ding sein sollte – und sich von Gas-Gerd konsequent trennen.

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Stephan Baier Alexej Nawalny Gerhard Schröder Reue SPD Wladimir Wladimirowitsch Putin

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