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Danke, Boris Pistorius!

Die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz steht. Gut! Das macht es leichter, bei der Wahlentscheidung die großen Fehler der vergangenen Legislatur zu würdigen.
Die K-Frage ist beantwortet
Foto: IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON (www.imago-images.de) | Pistorius dankt ab, Scholz geht ins Rennen - er, der Mann der Entscheidungsvermeidung.

Endlich – Boris Pistorius hat sich nach eingehendem Zögern entschieden, doch nicht Kanzlerkandidat der SPD werden zu wollen. Angesichts der Tatsache, dass die SPD in Umfragen nur drittstärkste Kraft ist und deutlich näher bei den Grünen liegt, die aus unerfindlichen Gründen ebenfalls einen Kanzlerkandidaten aufgestellt haben, als bei der CDU, könnte man die Nachricht getrost ignorieren. Gut für Pistorius! Kanzler wird, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, Friedrich Merz

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Womit wir beim Bald-Alt-Kanzler Olaf Scholz wären. Dass sich die SPD nicht traute, ihn über die Klinge springen zu lassen, ist kein Wunder. Pistorius hätte Merz vielleicht ein paar bürgerliche Prozentpunkte abnehmen können. Doch die hätte er, der als Minister Deutschland „kriegstüchtig“ machen wollte, wohl an die friedensbewegten Ostpolitiknostalgiker vom BSW verloren. Olaf Scholz lässt diese Flanke nicht offen und scheint seinen Es-ist-zwar-irgendwie-Zeitenwende-aber-wir-machen-genauso-weiter-wie-bisher-Ansatz in die Wahl tragen zu wollen. 

Scholz will's schaffen

Mit ihm, und hier liegt der Vorteil dieser Entscheidung für die Wähler, kann sich Deutschland in der Wahl klarer als im Fall Merz gegen Pistorius entscheiden, ob es eine echte Wende will oder nicht. Während die Union die Ära Merkel wenigstens programmatisch hinter sich gelassen hat, ist die Methode Scholz diejenige von Merkel: Wir schaffen das.

Wir sind ein reiches Land. Wir müssen keine harten Entscheidungen treffen. Wir spielen die Menschen nicht gegeneinander aus. Geld für die Ukraine, für die Rentner, für Migranten, für Bürgergeldbezieher, für eine komplett neue Energieinfrastruktur, ja für die berühmten Radwege in Peru – es ist genug für alle da. Und als nächstes erhöhen wir den Mindestlohn. 

Lieber keine Machtprobe

Doch was in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen gut ging, war spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Herbst 2023 Makulatur. Scholz ergriff die historische Möglichkeit, ausufernde soziale Wohltaten zu beschneiden genauso wenig wie die vor allem nach dem 7. Oktober 2023 bestehende Möglichkeit, die illegale Migration entschieden zu begrenzen.

Genauso, wie er es nicht geschafft hatte, im Angesicht der „Zeitenwende“ den Atomausstieg abzusagen. Klar, lauter schwierige Unterfangen in der prekären Dreierkoalition. Gerhard Schröder jedenfalls brachte seine Agenda-Reformen in einer rein linken Regierung durch. Scholz wagte die Machtprobe lieber nicht.

Markenzeichen der Politik ist Entscheidungsvermeidung

Wählen ist eigentlich eine Wette auf die Zukunft. Wer hat die richtigen Ideen für die kommenden vier Jahre? Wählen, um abzustrafen, erscheint zunächst irrational – die Vergangenheit lässt sich schließlich nicht mehr ändern. Und doch: Auf die Zukunft schließen lässt sich am besten mit den Erfahrungswerten der Vergangenheit.

Auch wenn er damit, anders als Weiland Merkel, wohl kaum werben wird: Man kennt Scholz. Er steht für die Entscheidungsvermeidung, die die letzten 20 Jahre deutsche Politik geprägt haben. „Erfolge“ gab es praktisch nur in der fortschreitenden gesellschaftspolitischen Liberalisierung.

Als netten Abschiedsgruß präsentiert die Rest-Ampel noch den infamen Versuch, auf den letzten Metern einer linksliberalen Mehrheit die Abtreibung freizugeben. Die Bürger haben dank Pistorius‘ Verzicht nun die Möglichkeit, ein Signal zu senden: ein Votum für Wandel mit einem starken Ergebnis für Merz – oder ein unerwartet starkes für Scholz, für weitere vier Jahre Politikverweigerung.

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