Am Wochenende trifft sich die Junge Union zu ihrem Deutschlandtag. In der Jugendorganisation rumort es. Mit der Performance der Kanzlerpartei sind dort viele unzufrieden, weil sie den versprochenen Politikwechsel noch nicht erkennen. Zuletzt wurde Bundesaußenminister Johann Wadephul stark kritisiert. Auch von Lukas Brandscheid. Im Interview erläutert der Vorsitzende der JU Hessen, was sich ändern soll.
Herr Brandscheid, Sie haben Bundesaußenminister Johann Wadephul nach seinen Äußerungen zu Syrien scharf kritisiert und einen anderen Kurs in der Außenpolitik angemahnt. Wie waren die Reaktionen?
Sehr positiv. Innerhalb der Jungen Union schauen wir schon länger kritisch auf die Außenpolitik. Vor allem die Entscheidungen zu Israel in den vergangenen Wochen haben uns irritiert. Aktuell haben wir den Vergleich des Ministers von Syrien mit Deutschland nach 1945 als deplatziert wahrgenommen.
Gerade aus der Jungen Union war in den vergangenen Tagen öfter zu hören, dass man mit der Performance der Union in der Regierung unzufrieden sei. Woher rührt dieser Unmut?
„Wir sind im Bundestagswahlkampf mit dem klaren
Versprechen angetreten, dass wir einen Politikwechsel
herbeiführen. Zu einem solchen Wechsel gehört
eine klare Linie auch in der Frage der Migration"
Es geht darum, wie die Bundesregierung in der Bevölkerung wahrgenommen wird. Wir sind im Bundestagswahlkampf mit dem klaren Versprechen angetreten, dass wir einen Politikwechsel herbeiführen. Zu einem solchen Wechsel gehört eine klare Linie auch in der Frage der Migration. Und dabei geht es dann auch um die Rückführungen. Dabei ist es notwendig, dass wir, so formulierte es ja einmal Friedrich Merz, eine Außenpolitik aus einem Guss haben. Sie muss zu der politischen Linie der Bundesregierung passen. Deswegen hat das Thema jetzt eine besondere Relevanz.
Besonders scheint der Jungen Union das Verhältnis zu Israel wichtig zu sein. Gilt das für die CDU auch insgesamt?
Das deutsch-israelische Verhältnis ist für die Union ein absolutes Kernthema. Seit den Tagen von Konrad Adenauer und David Ben Gurion ist dieses Themenfeld für uns sehr wichtig. Das hat auch Konsequenzen für die Innenpolitik.
Inwiefern?
Seit dem 7. Oktober 2023 erleben wir, wie der internationale Konflikt starke Auswirkungen auf die sicherheitspolitische Lage im Inneren hat. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger können sich mitunter in Deutschland nicht mehr frei bewegen.
Diese Zustandsbeschreibungen hört man mittlerweile recht oft. Aber was soll konkret geschehen?
Die Junge Union Hessen hat sich direkt an unseren Ministerpräsidenten Boris Rhein gewandt. Wir fordern, in Hessen eine Initiative gegen Antisemitismus zu starten. Einmal brauchen wir eine Verschärfung des Strafrechtes, um gezielter gegen antisemitische Parolen vorgehen zu können. Dazu brauchen wir eine Initiative im Bundesrat. Der zweite Punkt besteht darin, jüdisches Leben in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Wir wollen, dass es an den hessischen Schulen Aktionstage gibt, die den Schülern ermöglichen, konkrete persönliche Erlebnisse zu haben. Wir sind der Überzeugung: Da, wo es solche persönlichen Beziehungen gibt, da haben auch Hass und Hetze keine Chance.
Ist der Kampf gegen Antisemitismus vor allem eine Aufgabe der Bildungsinstitutionen, also für Schulen und Universitäten?
Unsere Freundschaft zu Israel und die Bedeutung des jüdischen Lebens müssen fest in den Lehrplänen verankert sein. Auch die Landeszentrale für politische Bildung ist hier gefordert. Dazu gehört auch, dass die schrecklichen Ereignisse vom 7. Oktober nicht vergessen werden. Wir plädieren dafür, dass an diesem Tag an öffentlichen Gebäuden die Israel-Flagge gehisst wird, um der Opfer zu gedenken und so daran zu erinnern, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Zur Situation an den Universitäten: Auch in Hessen gab es dort erschreckende Vorfälle. Es muss selbstverständlich sein, dass es für jüdische Studenten Schutz- oder aber Gebetsräume gibt.
Zurück zum Stichwort Politikwechsel: Gerade diejenigen, die sich einmal einen Bundeskanzler Friedrich Merz gewünscht haben, sind nun besonders enttäuscht. Wie nehmen Sie die Stimmungslage für die Union wahr?
„Die Union muss aber in ihrem Profil klarer werden.
Wir müssen gegenüber der SPD in der Koalition
mehr Selbstbewusstsein zeigen"
Der Union hat es gutgetan, als sie im Bundestagswahlkampf Klartext gesprochen hat. Ich bin der Überzeugung, dass die Bundesregierung tatsächlich einen Wechsel umgesetzt hat. Zum Beispiel bei der Migration oder auch in der Frage des Bürokratieabbaus. Die Union muss aber in ihrem Profil klarer werden. Wir müssen gegenüber der SPD in der Koalition mehr Selbstbewusstsein zeigen. Wir müssen stärker die Leitlinien vorgeben. Ich weiß, dass es mit unserem kleineren Koalitionspartner schwierig ist. Die SPD-Fraktion ist sehr heterogen zusammengesetzt. Aber dass eine stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD bei einer Demonstration mitmarschiert, die sich gegen den Bundeskanzler richtet, das geht nicht. Die Union muss ihre Erfolge besser nach außen kommunizieren. Nur so wird die CDU-Handschrift erkennbar.
Die CDU wird nicht nur von außen angegangen. Auch in der Partei gibt es Profilkämpfe. Was halten Sie denn von „Compass Mitte“, der Gruppe, die sich um den ehemaligen CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz gebildet hat?
Ich glaube, das ist eher ein Medienphänomen. Die Gruppe ist jetzt durch die Hauptstadtpresse etwas aufgebauscht worden. Ich denke nicht, dass die nachhaltig etwas zur programmatischen Entwicklung beitragen werden. Die Junge Union ist hingegen ein gutes Beispiel dafür, wie erfolgreiche inhaltliche Arbeit sein kann. Ende der Woche beginnt der Deutschlandtag, über 200 Anträge liegen bereits vor, die dort beraten werden.
Wenn man die Wortmeldungen der vergangenen Woche sieht: Versteht sich die Junge Union als eine Art Gralshüterin des christdemokratischen Tafelsilbers, die sich dann lautstark meldet, wenn die Altvorderen die programmatische DNA zu vergessen drohen?
Gralshüterin ist vielleicht etwas zu pathetisch formuliert. Aber wir haben die Aufgabe, besonders darauf zu achten, wo wir unser Profil noch schärfen können. Das hat ja auch die Junge Gruppe im Bundestag bei der Diskussion über die Rentenpakete gemacht. Wir können als Junge Union zugespitzter formulieren. Wir stehen klar zur Sozialen Marktwirtschaft und wollen die Eigenverantwortung stärken. Wir wollen die europäische Einigung vorantreiben und die transatlantische Partnerschaft stabilisieren. Wir sind da in der Programmatik sehr klar.
Nun wird ja öffentlich gerne der Eindruck vermittelt, junge Leute wären politisch tendenziell eher links eingestellt. Die Junge Union ist aber die größte politische Jugendorganisation Deutschlands.
Wenn man auf die Ergebnisse bei den Jungwählern in den vergangenen Jahren schaut, dann gibt es da eine sehr hohe Volatilität. Ich glaube, dass man jedenfalls keine pauschale Aussage über die politische Einstellung der jungen Generation machen kann. Dass die Jungen mehrheitlich links seien, halte ich jedenfalls für einen Mythos.
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