Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Aufarbeitung der COVID-19-Pandemie

RKI-Files: "Öffentlichkeit und Gerichte wurden klar belogen"

Das Robert-Koch-Institut setzte bei Corona um, was immer an sachfremden und willkürlichen Vorgaben vom Ministerium kam, meint der Hochschullehrer und Maßnahmenkritiker Stefan Homburg.
Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), beim täglichen Pressebriefing während der Corona-Pandemie.
Foto: snapshot-photography/F.Boillot | Die RKI-Protokolle legen nahe: Die oberste Seuchenbehörde des Landes war vor allem ein Sprachrohr der Politik.

Herr Professor Homburg, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die die vollständig entschwärzten Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI), welche die Journalistin Aya Velázquez am 23. Juli öffentlich gemacht hat, bereits gelesen haben. Welche neuen Erkenntnisse haben Sie durch deren Lektüre gewonnen?

Der wichtigste Punkt ist zweifellos, dass die Risikobewertung nicht auf wissenschaftlicher Grundlage durch das RKI erfolgte, sondern von der Politik vorgegeben wurde. Im März 2020 wies das Bundgesundheitsministerium das RKI an, die Risikostufe auf "hoch" zu setzen, um Lockdowns, Schulschließungen und anderes mehr zu rechtfertigen. Später lehnte das Ministerium wiederholt Bitten des RKI ab, die Risikostufe herabzusetzen. 2023 erfuhr das RKI aus der Zeitung, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Pandemie für beendet erklärt hatte.

Das RKI ist die oberste Seuchenbehörde der Bundesrepublik Deutschland. Man könnte meinen, Aufgabe der dort versammelten Expertise müsse es sein, auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Daten, Handlungsempfehlungen für die Politik zu erarbeiten, um Deutschland bestmöglich durch die Pandemie zu steuern. Sie behaupten, eine solche Lesart sei falsch. Wie lautet die richtige?

Die richtige Lesart ist zweifellos die, dass die Politik dem RKI detaillierte Weisungen erteilte. Das RKI prüfte laut Protokoll sogar juristisch, ob die Befehle der Politik rechtens seien. Die Antwort lautete: ja.

Auf welche Belege stützen Sie Ihre Sicht?

Belege sind einerseits die vom RKI selbst veröffentlichten Protokolle, andererseits die vom Whistleblower erhaltenen vollständigen und ungeschwärzten Protokolle. Außerdem besitzen wir den gesamten E-Mail-Verkehr des RKI zu Corona und mehrere Gigabyte Zusatzmaterial wie Briefe, Präsentationen oder interne Arbeitspapiere.

Auf der Pressekonferenz, auf der Aya Velázquez und Sie die RKI-Files vorstellten, war auch von einem fehlenden Protokoll die Rede. Was hat es damit auf sich?

Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises hatte das RKI Protokolle bis April 2021 selbst veröffentlicht, wobei das Protokoll vom 9. Mai 2020 fehlte. Dieses Protokoll haben wir nun in dem Datenwust gefunden, es war falsch einsortiert. Ob Zufall oder Absicht wissen wir nicht.

Worum geht es da?

Um Nebensächlichkeiten, daher glaube ich bei diesem Protokoll an ein Versehen. Kritischer ist das Protokoll vom 25. März 2020, dessen ursprüngliche Fassung nachträglich geschönt wurde. Das RKI hat nur die geschönte Fassung veröffentlicht. Dies könnte den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllen.

Die Protokolle sollen Aya Velázquez von einem Whistleblower zugespielt worden sein und umfassen anders als die geschwärzten Protokolle, auf deren Herausgabe das Magazin "Multipolar" geklagt hatte, die Jahre 2020 bis 2023, und damit den gesamten Zeitraum der Pandemie. Sie ermöglichen also auch einen Vergleich zweier Bundesregierungen und deren Gesundheitsministern Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD). Haben Sie anhand der Protokolle signifikante Unterschiede im Regierungshandeln feststellen können?

Die Bundesminister Spahn und Lauterbach haben dem RKI beide sachfremde Weisungen erteilt und das Institut gezwungen, die Öffentlichkeit irrezuführen. Ein Unterschied in der Amtsführung besteht darin, dass Spahn das RKI einsetzte, um schädliche Lockdowns und Schulschließungen durchzusetzen, während Lauterbach über das RKI einen starken Impfdruck aufbauen ließ.

Lesen Sie auch:

Apropos Impfdruck: Ein Thema, das viele Menschen immer noch umtreibt, ist die Wirksamkeit und die Sicherheit der Impfstoffe. Was haben Sie dazu in den Protokollen des RKI-Krisenstabs gefunden?

Anfang 2021 erfährt das RKI von den schlimmen Nebenwirkungen des Impfstoffs von AstraZeneca, unternimmt aber nichts, ihn zu stoppen. Später gibt es zu diesem Thema kaum noch Informationen, weil die Pharmakovigilanz beim Paul Ehrlich Institut liegt, nicht beim RKI.

In den sozialen Netzwerken gibt es viel Empörung über Spahns Rede von der "Pandemie der Ungeimpften". In den Protokollen heißt es dazu: "Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das bei Kommunikation aufgegriffen werden?" Weiter heißt es: "Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden." Klingt ziemlich devot, oder?

Diese Unterwürfigkeit durchzieht die gesamten rund 4.000 Seiten. Das RKI setzte um, was immer an sachfremden und willkürlichen Vorgaben vom Ministerium kam.

Dass es keine "Pandemie der Ungeimpften" gab, bedeutet auch, dass das RKI wissen musste, dass die Impfstoffe keine "sterile Immunität" gewährten, also nicht vor einer Infektion, sondern allenfalls vor schweren Verläufen wirksam schützten. Trotzdem hieß es lange Zeit, wer sich impfen lasse, schütze sich und andere. Wie erklären Sie sich das?

Entscheidend ist der mangelnde Übertragungsschutz beziehungsweise Fremdschutz, weil eine Impfpflicht oder indirekter Zwang durch 2G/3G nur hierauf gestützt werden kann. Da nicht einmal Pfizer in der Zulassungsstudie einen Fremdschutz behauptet hatte, wussten alle, dass keiner besteht. Die Öffentlichkeit und vor allem auch die Gerichte wurden in diesem Punkt klar belogen, um den Impfdruck zu maximieren.

Die geleakten Protokolle ermöglichen eine teilweise Aufarbeitung des Corona-Managements. Nun war der RKI-Krisenstab aber nicht das einzige Gremium, in dem Weichen gestellt wurden. Es gab die Runden der Kanzler Merkel und Scholz mit den Ministerpräsidenten der Länder, den Deutschen Ethikrat und später auch noch den Corona-Expertenrat. Wäre nicht eine Enquete-Kommission des Bundestags, die zur Hälfte aus Abgeordneten und Experten sowie aus Gegnern und Befürwortern der Maßnahmen bestünde, ein Gremium, das Einblick in die Protokolle der übrigen Gremien nehmen und so zu einer lückenlosen Aufarbeitung beitragen könnte?

Ich bin entschieden gegen eine Enquetekommission und erst recht gegen Bürgerräte. Weil die RKI-Protokolle konkretes und immenses Fehlverhalten zeigen, ist ein Untersuchungsausschuss des Bundestags, der gerichtsähnliche Befugnisse hat, das einzig richtige Instrument.

In der Politik scheint es jedoch wenig Sympathien für ein solches Gremium zu geben. Sehen Sie als langjähriger Politikberater hier Alternativen?

Weil fast alle politischen Parteien bei der verfehlten Lockdown- und Impfpolitik mitgemacht haben, wollen sie das Thema unter den Teppich kehren. Daher müssen Öffentlichkeit, Justiz und Wissenschaft die Aufarbeitung unternehmen.

Stefan Homburg
Foto: Wikimedia | Prof. Dr. rer. pol. Stefan Homburg, Jahrgang 1961, em. Professor für Öffentliche Finanzen an der Leibniz Universität Hannover, hat Volkswirtschaftslehre, Mathematik und Philosophie studiert.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung-  Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Rehder CDU Christian Wulff Deutscher Bundestag Gerhard Schröder Jens Spahn Karl Lauterbach Leibniz Universität Hannover Lockdown Nationaler Ethikrat SPD Stefan Homburg Theo Waigel

Weitere Artikel

Milliardenschaden für Deutschland: Wird es eng für Jens Spahn? Das hängt davon ab, ob Grüne und Linke in Sachen Untersuchungsausschuss mit der AfD zusammenarbeiten.
26.06.2025, 10 Uhr
Meldung
Was von einem Willen zur Aufklärung ohne die Bereitschaft für etwaige Fehlentscheidungen auch Verantwortung zu übernehmen, zu halten ist.
20.04.2025, 11 Uhr
Stefan Rehder

Kirche

Was ist Synodalität? „Niemand ist dazu berufen zu befehlen, alle sind dazu berufen zu dienen“, predigte Papst Leo bei der Heilig-Jahr-Feier der Synodenteams in Rom.
29.10.2025, 21 Uhr
Guido Horst
Das stalinistische Regime hatte Oleksa Zaryckyj im Visier, der furchtlos die Sakramente spendete. Die Qualen in Gefangenschaft vereinten ihn mit dem Leiden Christi.
30.10.2025, 07 Uhr
Claudia Kock
Leo XIV. besucht die Türkei und den Libanon, um die Einheit der Christen zu fördern und ihre Stellung im Orient zu stabilisieren.
29.10.2025, 17 Uhr
Stephan Baier