Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Corona: Ergebnisoffene Aufklärung tut Not

Was von einem Willen zur Aufklärung ohne die Bereitschaft für etwaige Fehlentscheidungen auch Verantwortung zu übernehmen, zu halten ist.
Alena Buyx, die damalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats
Foto: Imago/teutopress | In der ZDF-Talkshow wehrten sich Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die damalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, ebenso dünnhäutig wie vehement gegen die maßvoll vorgetragene Kritik…

„Wir werden die Corona-Pandemie umfassend im Rahmen einer Enquete-Kommission aufarbeiten, insbesondere um daraus Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse abzuleiten.“ So haben es CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart.

Lesen Sie auch:

Nur, viele Bürgerinnen und Bürger wird das gar nicht zufrieden stellen. Statt einer Enquete-Kommission fordern sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Auch, weil der Mittel zur Strafverfolgung besitzt. Mit anderen Worten: Mit der Aufarbeitung des anfänglich maßvollen und klugen, bald jedoch völlig aus dem Ruder gelaufenen Corona-Managements zweier Bundesregierungen ist es für viele nicht getan. Eine sorgfältige Analyse der gemachten Fehler, um diese bei der Bekämpfung künftiger Pandemien vermeiden zu können, reicht ihnen nicht. Stattdessen wollen Sie Verantwortliche ausmachen und zur Rechenschaft ziehen.

Peter Hahne: „Ich will Handschellen klicken hören“

Statt Jens Spahns früh geäußerter Vermutung, „wir werden einander viel verzeihen müssen“, haben sie sich Peter Hahnes Satz, „ich will Handschellen klicken hören“, auf die Fahnen geschrieben. Auch wenn die Unversöhnlichkeit, die aus solchen Worten spricht, für Christen Problematisches anhaftet, unverständlich ist sie nicht.

Im Gegenteil: Kritiker der Corona-Maßnahmen, Maskenverweigerer und Impfskeptiker, wurden von Politikern, Teilen der Wissenschaft und der Medien ebenso pauschal wie rücksichtslos als „Schwurbler“, „Querdenker“, „Coronaleugner“, „Covidioten“ und „Pandemietreiber“, diffamiert und vor aller Welt an den Pranger gestellt. Nun sinnen viele von ihnen auf Revanche. Gleiches gilt für mache, deren Angehörige aufgrund der „Lockdowns“ allein und einsam statt begleitet und getröstet verstarben, deren wirtschaftliche Existenz im Zuge der Maßnahmen vernichtet wurde oder deren Kinder psychische Schäden davontrugen.

Wenig Einsicht bei Lauterbach und Buyx

Wie schwer sich die Handelnden von damals immer noch damit tun, zu begreifen, wie tief die Verletzungen reichen, die ihr selbstherrliche und gouvernantenhafte Stil bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen bei vielen Menschen hinterlassen hat, konnte letzte Woche bei „Markus Lanz“ beobachtet werden. In der ZDF-Talkshow wehrten sich Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die damalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, ebenso dünnhäutig wie vehement gegen die maßvoll vorgetragene Kritik von Markus Lanz und den Virologen Hendrik Streeck, Alexander Kekulé und Jonas Schmidt-Chanasit. Master-Mind Christian Drosten, laut Lanz ebenfalls eingeladen, blieb der Sendung gleich fern.

Lauterbach bestritt etwa allen Ernstes den von Kekulé erhobenen Vorwurf der Angstmacherei. Es sei „einfach falsch zu sagen, wir haben immer zu drastisch gewarnt – die Leute sind ja tatsächlich gestorben.“ Buyx kritisierte, dass Lanz Lauterbach mit seiner Rede von der „Killervariante“ oder „nebenwirkungsfreien Impfstoffen“ konfrontierte. „Eine ehrliche Aufarbeitung“ könne sich „nicht an misslungenen Äußerungen orientieren“, meinte Buyx.

„Eine Debatte, die Zweifel sät“ – Wie bitte?

Natürlich kann sie das, auch sie sich darauf nicht beschränken darf. Und sie muss es sogar. Zumindest dann, wenn die Äußerungen aus dem Mund des Bundesgesundheitsministers stammen, der sich in der Pandemie nicht nur als nahezu unfehlbarer Corona-Jäger inszenierte, der allein die Studienlage richtig zu interpretieren verstand, sondern qua Amt, nämlich als oberster Dienstherr des Robert-Koch-Instituts, die Maßnahmen-Politik der Ampelregierung auch maßgeblich mitbestimmte.

Dass sich Lauterbach im ZDF-Studio gegen „eine Debatte, die Zweifel sät“, verwahren wollte, ist nicht bloß befremdlich, sondern, bei Licht betrachtet, auch armselig. Denn solche Zweifel gab es früh. Und mit Streeck, Kekulé und Schmidt-Chanasit saßen Lauterbach gleich drei Virologen gegenüber, die diese dort, wo Medien sie zu Wort kommen ließ, auch tatsächlich artikulierten hatten. Die von beiden Bundesregierungen kommunizierte Behauptung, „wir folgen der Wissenschaft“, war von Beginn an falsch. Statt „der“ Wissenschaft, die es ohnehin nicht gibt, folgte die Politik einer bestimmten Richtung innerhalb der Wissenschaft, während man die Vertreter anderer Richtungen systematisch auszugrenzen und als Wissenschaftler zu diskreditieren suchte.

Realitätsfern

Buyx hat zwar Recht, wenn sie sagt, „im Rückblick“ so zu tun, als hätte Politik auch alles „irgendwie optimal machen können“, gehe nicht. Nur hat das bei Lanz auch niemand getan. Richtig ist auch, dass die Politik nicht zwei entgegengesetzte Strategien gleichzeitig verfolgen kann. Sie muss und kann sich nur für eine entscheiden. Als es diese Entscheidung erstmals zu treffen galt, gab es nur wenig Daten. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, das hat sich im Verlauf der Pandemie geändert.

Die geleakten Corona-Protokolle zeigen eindeutig, dass die Politik dann auch Entscheidungen gegen den Rat der von ihr selbst favorisierten Experten gefällt hat. Weil in der Demokratie nicht Wissenschaftler regieren, sondern Politiker, muss auch das prinzipiell möglich sein, straft allerdings die Parole, „wir folgen der Wissenschaft“, vollends Lügen. Jetzt zu glauben, man müsse das warum, wieso, weshalb, weder erklären noch persönlich verantworten, ist völlig realitätsfern.

Zwei Optionen

Die Politik und die sie beratenden Wissenschaftler haben nun genau zwei Möglichkeiten. Sie können im Zuge einer ergebnisoffenen Aufarbeitung, ihre Entscheidungsprozesse transparent machen, für Irrtümer und Fehleinschätzungen, die menschlich sind sowie für falsche Entscheidungen, von denen viele unter hohem Druck getroffen werden mussten, Abbitte leisten und für Einschränkungen der Grundrechte Verantwortung übernehmen, die nach dem damaligen Wissensstand überzogen waren. Dann werden ihnen viele vergeben wollen.

Lesen Sie auch:

Oder: Sie ziehen in eine Schlacht, die längst verloren ist, mauern, versuchen auch im Nachhinein noch in allem Recht zu behalten und ihre Entscheidungen als gänzlich alternativlos darzustellen. Dann wird sie der Zorn, der sich in weiten Teilen der Bevölkerung aufgestaut hat, mit voller Wucht treffen. Was Gerichte hernach nicht zufriedenstellend regeln, werden die Bürgerinnen und Bürger an den Wahlurnen selbst in die Hand nehmen. Wem an der Zukunft der Demokratie liegt, ist gut beraten, sich für die erste Option zu entscheiden.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung-  Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Rehder Jens Spahn Karl Lauterbach Peter Hahne SPD

Weitere Artikel

Milliardenschaden für Deutschland: Wird es eng für Jens Spahn? Das hängt davon ab, ob Grüne und Linke in Sachen Untersuchungsausschuss mit der AfD zusammenarbeiten.
26.06.2025, 10 Uhr
Meldung
Das Robert-Koch-Institut setzte bei Corona um, was immer an sachfremden und willkürlichen Vorgaben vom Ministerium kam, meint der Hochschullehrer und Maßnahmenkritiker Stefan Homburg.
08.08.2024, 07 Uhr
Stefan Rehder

Kirche

In Rom hatte Arnold Schwarzenegger seinen großen Auftritt und trifft heute mit Leo XIV. zusammen. Anlass ist eine Klima-Konferenz im Geist von Papst Franziskus.
01.10.2025, 09 Uhr
Guido Horst