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Blockiert die Brandmauer die Corona-Aufarbeitung?

Milliardenschaden für Deutschland: Wird es eng für Jens Spahn? Das hängt davon ab, ob Grüne und Linke in Sachen Untersuchungsausschuss mit der AfD zusammenarbeiten.
Jens Spahn im deutschen Bundestag
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Jens Spahn, der derzeitige Unions-Fraktionsvorsitzende, steht im Zentrum der "Maskenaffäre", die den deutschen Staat durch sein Wirken als damaliger Gesundheitsminister viel Geld kostete.

Die parlamentarische Aufarbeitung der Corona-Pandemie nimmt Fahrt auf. Am Mittwochnachmittag debattierte der Deutsche Bundestags einen Antrag von CDU/CSU und SPD zur Einsetzung einer Enquete-Kommission (Bundestagsdrucksache 21/562). Die Enquete-Kommission soll den Namen „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ tragen.

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Ihre 28 Mitglieder sollen – je zur Hälfte – aus Parlamentariern aller im Bundestag vertretenen Fraktionen und Sachverständigen bestehen. Wie es in dem Antrag heißt, soll die Enquete-Kommission „ein Gesamtbild der Pandemie, ihrer Ursachen, Verläufe und Folgen einerseits sowie der staatlichen Maßnahmen andererseits umfassend und verständlich aufzeigen und dazu Daten und Fakten zugänglich machen und Transparenz stärken.“ Auch solle sie „rechtliche Grundlagen, Kompetenzverteilung und getroffene Entscheidungen hinterfragen, Verantwortlichkeiten klar benennen und aus ggf. identifizierten Fehlentscheidungen Schlüsse ziehen, wie diese künftig vermieden werden können.“ 

AfD legt Antrag für die Errichtung eines Untersuchungsausschusses vor

Des Weiteren soll sie „die Angemessenheit, Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit damals ergriffener staatlicher Maßnahmen prüfen und bewerten, Misserfolge und nicht ausreichend bedachte Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft, auf Gesundheit und persönliche Entfaltungschancen – insbesondere von Kindern und Jugendlichen – identifizieren und so Resilienz stärken und eine evidenzbasierte, stabile Grundlage für künftiges staatliches Handeln legen.“ „Ziel“ sei es, „im Fall des Auftretens einer vergleichbaren Pandemie aus den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie heraus so vorbereitet zu sein, dass schnell, wirksam und mit einer klaren Kommunikation der Ziele gehandelt werden kann.“

Dagegen hat die AfD einen Antrag für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vorgelegt (Bundestagsdrucksache 21/573). Ihm sollen neun Mitglieder und ebenso viele Stellvertreter angehören, drei von der Unionsfraktion, je zwei von der AfD- und der SPD-Fraktion und je eines von Bündnis 90/Die Grünen und von der Linken. Er soll vor allem klären, „welche Informationen und Erkenntnisse der Bundesregierung und ihren nachgeordneten Behörden, besonders dem Bundesnachrichtendienst, zu welchem Zeitpunkt über die von China aus beginnende Verbreitung sowie über die tatsächliche Gefährlichkeit des Coronavirus vorlagen und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen wurden oder hätten gezogen werden müssen“.

Ebenso soll geklärt werden, „inwieweit die Bundesregierung und ihr nachgeordnete Behörden in ihrem Sinn Einfluss auf das Robert-Koch-Institut und andere Institute sowie einzelne Experten genommen haben.“ Ferner soll geklärt werden „ob zu irgendeinem Zeitpunkt eine tatsächliche Überlastungsgefahr für das deutsche Gesundheitssystem bzw. ein Mangel an Intensivbetten in Deutschland bestand“ und „wie sich der Umgang der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden mit Ungeimpften auf diese Personengruppe selbst und auf die Gesellschaft insgesamt ausgewirkt hat“. Beide Anträge wurden im Anschluss an die 35-minütige Debatte zur weiteren Beratung an die zuständigen Bundestagsfachausschüsse überwiesen.

Sonderermittlerin Sudhof erhebt schwere Vorwürfe gegen Spahn

In der Debatte nahmen Redner der Opposition immer wieder Bezug auf die von der Linksfraktion beantragte und unmittelbar zuvor stattgefundene „Aktuelle Stunde“. In der mitunter hitzig geführten Debatte hatten sich die Abgeordneten mit der umstrittenen Beschaffung von Schutzmasken während der Corona-Pandemie durch den damaligen Bundesgesundheitsminister und heutigen Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) befasst. Anlass war der von Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Auftrag gegebene Bericht der beamteten Sonderermittlerin Margarete Sudhof (beide SPD).

Der 168 Seiten umfassende Bericht war den Abgeordneten des Haushalts- und Gesundheitsausschusses am Mittwochmorgen zugestellt worden. In dem mit vielen Schwärzungen versehenen Bericht erhebt Sudhof schwere Vorwürfe gegen Spahn. Dem damaligen Bundesgesundheitsminister wird vorgeworfen, entgegen dem Rat seiner Fachabteilungen viel zu viele Masken und zu stark überzogenen Preisen für mehr als elf Milliarden Euro beschafft zu haben.  Auch hätten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten und seien Anlass für zahlreiche Klagen von Maskenhändler gegen den Bund. Schätzungen zufolge streitet das Bundesgesundheitsministerium mit Händlern über nicht bezahlte Lieferungen im Wert von 2,3 Milliarden Euro, zuzüglich Zinsen und Prozesskosten.

Linke fordert Rücktritt Spahns von allen Ämtern

Die Haushaltspolitikerin der Linken, Ines Schwerdtner, warf Spahn vor, vor allem seinen eigenen Vorteil im Blick gehabt zu haben. Auch gehe es „nicht um ein Versehen, es geht um politische Verantwortung.“ Zudem gehe es um sehr viel Geld. Durch die „Maskendeals“ sei ein Schaden von schätzungsweise 3,5 Milliarden Euro entstanden. Statt offene Fragen aufzuklären, wasche Spahn seine Hände in Unschuld. Schwerdtner forderte Spahn gar zum Rücktritt von seinen politischen Ämtern auf: „Wer Vertuschung organisiert, der hat in der Politik nichts zu suchen.“

Dagegen hielt die CDU-Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt Spahns Kritikern Populismus und fehlende Fairness vor. Schutzmasken seien zu Beginn der Pandemie Mangelware gewesen, die Preise enorm gestiegen. Kritik übte Borchardt auch an dem Sudhof-Bericht. Dieser liefere kaum nachvollziehbare Quellen und böte daher auch keine Grundlage für eine faire Bewertung der damaligen Lage. Wer in Krisen wichtige Entscheidungen treffe, dürfe nicht später deswegen verunglimpft werden. „Wir brauchen keine Skandalisierung im Nachhinein“, sagte Borchardt und fügte hinzu: „Populistisches Getöse ist völlig unangebracht.“

„Historische Ausnahmesituation“ entbindet nicht von der „Pflicht zur Aufarbeitung“

Der SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis sprach von einer „historischen Ausnahmesituation“. Auf den „überhitzen Weltmärkten“ habe es an Schutzausrüstung gemangelt. Auch habe es keine Blaupause für die Bewältigung der Gesundheitsnotlage gegeben. Das entbinde die Politik allerdings nicht von der Pflicht der Aufarbeitung. Es stehe außer Frage, dass bei der Maskenbeschaffung gravierende Fehler gemacht worden seien, die bis heute den Bundeshaushalt belasten. Die Bürger erwarteten vollständige Transparenz, Fehlentscheidungen dürften sich nicht wiederholen. Das damalige Geschehen müsse „differenziert“, aber „kompromisslos“ aufgearbeitet werden. Der Enquete-Kommission käme dabei eine wichtige Rolle zu. Die selbstkritische Aufarbeitung von Fehlentscheidungen mache die Stärke demokratischer Staaten aus.

Nach Ansicht der AfD-Gesundheitspolitikerin Claudia Weiss steht die Maskenbeschaffung exemplarisch für politisches Totalversagen, Missmanagement, Verschwendung und fehlende Verantwortung in der Pandemie. Der Sudhof-Bericht offenbare Regierungshandeln ohne Bedarfsanalyse, belastbare Daten und Transparenz sowie einen erschütternd sorglosen Umgang mit dem Geld der Bürger.

Grundgesetz: Qualifizierte Minderheit kann Untersuchungsausschuss erzwingen

Harsche Kritik übte auch Andreas Audretsch, Vize-Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen. Der Sozialpolitiker hielt der Union vor, nicht an einer Aufklärung interessiert zu sein. Dabei gehe es um die Frage, ob ein Minister die Lage zu seinem persönlichen Vorteil ausgenutzt habe. Geklärt werden müsse auch, wer von der Maskenbeschaffung profitiert habe und wer dabei im Umfeld von Spahn aktiv gewesen sei. „Wir wissen nicht, ob Spahn bis heute womöglich erpressbar ist.“ Eine Enquete-Kommission könne einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht ersetzen. Die Abgeordneten sollten daher den Weg für einen solchen freimachen.

Laut Artikel 44 Grundgesetz hat der Bundestag die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, wenn ein Viertel seiner Mitglieder dies beantragen. Dem 21. Deutsche Bundestag gehören 630 Abgeordnete an. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses müsste daher von 158 Parlamentariern beantragt werden. Die AfD kommt als größte Oppositionspartei nur auf 151 Mandate, Bündnis 90/Die Grünen (85) und Linke (64) zusammen nur auf 149. Zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses müssten sich also mindestens AfD und Linke auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. (DT/reh)

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