Es gibt Persönlichkeiten, von denen sich mit Fug und Recht behaupten lässt, sie seien „larger than life“, überlebensgroß, so legendär in ihrer Rolle, Position oder ihrem Amt, dass sie mit den herkömmlichen Maßstäben kaum fassbar sind. Auf den nun emeritierten New Yorker Erzbischof, Kardinal Timothy Dolan, trifft diese Zuschreibung zweifellos zu. Dolan, 75, dessen altersbedingtes Rücktrittsgesuch Papst Leo am Donnerstag angenommen hat, stand beinahe 17 Jahre an der Spitze der bedeutenden Erzdiözese an der US-Ostküste.
Öffentlichkeitswirksam, jovial und fröhlich repräsentierte er die katholische Kirche in den USA, meist sogar mit stärkerer Außenwirkung als der offizielle Vorsitzende der US-Bischöfe, als der er selbst von 2010 bis 2013 amtierte. Der aus dem Mittleren Westen stammende Dolan, so beschreiben es Weggefährten, konnte einen Raum mühelos mit Leben und Lachen füllen, sich auf Augenhöhe mit den einfachen Leuten begeben und geistreich und wortgewandt den Glauben verkündigen.
Von Papst Benedikt XVI. zum Kardinal ernannt
Dass der 2012 von Papst Benedikt mit dem Kardinalspurpur ausgestattete Dolan als konservativer, lehramtstreuer Vertreter seiner Zunft gilt, machte ihn nicht immer zum Liebling einer eher progressiv eingestellten Medienszene. Aber den in St. Louis im Bundesstaat Missouri geborenen Kirchenmann allein auf seine Haltung in kirchen- und gesellschaftspolitischen Fragen zu reduzieren, griffe zu kurz. Doch sollte nicht vergessen werden: Dolan trat einerseits stets als Mahner für das Lebensrecht Ungeborener auf, kritisierte die Auswüchse von Gender-Ideologie und den Versuch des Menschen, den eigenen Körper vollständig nach seinen Vorstellungen zu formen. Andererseits erhob er auch die Stimme gegen die von vielen als inhuman wahrgenommene Abschiebepolitik gegenüber Migranten ohne Papiere, wie sie die amtierende US-Regierung gerade praktiziert. Ihm irgendein Label anzuhaften, würde seiner Person nicht gerecht, auch darin liegt das Besondere des US-Kardinals.
Was die Migrationspolitik von US-Präsident Donald Trump angeht, an der schon seit längerer Zeit nahezu die gesamte US-Bischofskonferenz Anstoß nimmt, so dürfte Papst Leo XIV. in der Person Ronald Hicks allerdings einen Nachfolger für Dolan gefunden haben, der ihm noch einmal wesentlich nähersteht. Ebenfalls am Donnerstag bestätigte der Vatikan die Personalie, die wohl Leos bislang bedeutendste Personalentscheidung für die katholische Kirche in den USA darstellt.
Wie Papst Leo selbst stammt auch Hicks, bislang Bischof von Joliet in Illinois, aus Chicago. Unmittelbar nach der Wahl von Robert Prevost zum neuen Papst erklärte sich Hicks sichtlich begeistert vom neuen Pontifex, den er im Jahr zuvor auch persönlich kennengelernt hatte. Er sehe viele Gemeinsamkeiten zwischen Papst Leo und sich selbst: Hicks wuchs in South Holland auf, einem Vorort von Chicago, der quasi neben Papst Leos Heimatstadt Dolton liegt. Und ähnlich wie der amtierende Papst verbrachte auch Hicks einige Zeit in Südamerika: Fünf Jahre war er Leiter einer Hilfsorganisation in El Salvador. Öffentlich ist der 58-jährige Geistliche bislang jedoch nicht allzu sehr in Erscheinung getreten – eine Tatsache, die sich nun mit seinem Wechsel an die Spitze des Erzbistums New York schnell ändern dürfte.
Trump verliert Freund und Vertrauten
In der Ostküstenmetropole warten keine leichten Aufgaben auf den noch vergleichsweise jungen neuen Erzbischof. Noch immer sind dort die Missbrauchsfälle nicht vollständig aufgearbeitet, es gilt, das Vertrauen in die Kirche wieder zu stärken. Zudem haben die mehr als 1.000 Klagen Betroffener das Erzbistum in eine tiefe finanzielle Krise gestürzt. Und nicht zu vergessen: Hicks muss es erst einmal schaffen, in die doch sehr großen Fußstapfen Kardinal Dolans zu treten, der über Jahre eben zu einem echten New Yorker Prominenten wurde. Dass Papst Leo das Rücktrittsgesuch des populären Dolan annahm und ihm nicht noch ein paar zusätzliche Jahre an der Spitze des knapp drei Millionen Katholiken zählenden Erzbistums schenkte, kann durchaus als Weichenstellung gewertet werden, als Signal, dass der Pontifex dort für die nächsten Jahre auf einen Vertrauensmann setzen möchte.
Eines steht fest: Mit dem Abgang Dolans verliert auch US-Präsident Trump einen Freund und Vertrauten als Leiter des Erzbistums, zu dem seine Heimatstadt zählt. Dass Trump und Dolan sich bestens verstanden, ist bekannt. Der US-Präsident erklärte unmittelbar vor dem diesjährigen Konklave sogar, er könne sich Dolan gut als neuen Papst vorstellen. Dolan wiederum sprach bei Trumps Amtseinführung im Januar – wie schon 2017 – ein Gebet, lobte Trump vor Kirchenvertretern als „großartigen Gentleman“ und war sogar Teil einer Regierungskommission zum Schutz der Religionsfreiheit.
Die häufige mediale Darstellung, Dolan, der schon immer über gute Kontakte in die politische Führungsriege verfügte, mache mit Trump gemeinsame Sache, dürfte allerdings zu weit gehen, man nehme nur die Kritik des nun emeritierten New Yorker Erzbischofs an Trumps Deportationsmaßnahmen. Und auch, als Trump vor der Papstwahl ein KI-generiertes Bild von sich als Pontifex postete, wies ihn Dolan zurecht: Die Aktion sei „keine gute Sache“ gewesen.
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