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Schloss Augustusburg: Ein durchbeteter Ort

Geschichte und Spiritualität: Ein Abstecher zu Schloss Augustusburg.
Schloss Augustusburg in Sachsen
Foto: Foto: | In Schloss Augustusburg in Sachsen findet man viele Erinnerungen an ein fortschrittlich-gläubiges Herrscherpaar.

Das verzierte Tor von Schloss Augustusburg öffnet den Weg in einen geräumigen Innenhof, auf dem kleine Bäume in Kübeln stehen. Von hier aus können neugierige Besucher in verschiedene Ausstellungen schnuppern, das schlosseigene Restaurant oder Theater besuchen oder im Kräuter- und Obstgarten mit der Natur in Verbindung treten. Wer einen Blick über die Brüstung oder aus einem Fenster wirft, stellt fest: Das Panorama ist umwerfend. Weite Waldlandschaft strahlt tiefgründig unter sich jagenden Wolkenschleiern. Die ganz besondere Atmosphäre zeigt deutlich, wie wahr der Spruch ist, dass man Gott in den Bergen, oder der Natur an sich, näher ist. Und das Gleiche gilt für die Berührung mit der Geschichte. Auch in ihr können wir spirituelle Erfahrungen machen.

Im Wohnzimmer von Kurfürst August

Schloss Augustusburg bietet dafür gleich aus mehreren Gründen eine gute Gelegenheit. Zunächst sind hier der gute Erhalt und die liebevolle Restauration des Schlosses zu nennen. Wer durch die ehemaligen Wohnzimmer Kurfürst Augusts, seiner Frau Anna und ihrer großen Kinderschar wandelt, erkennt schnell die tiefe Menschlichkeit, die aus ihnen spricht. Fresken an den Wänden sind Zeugnis der Faszinationen der Eltern, wie zum Beispiel Natur und Jagd, und erinnern an Kindertapeten in den Räumen des Nachwuchses. Leicht vergessen wir, dass die, die vor uns kamen, auch Menschen wie wir waren, die sich an Bildern von Hirschen und Häschen freuen können, ihren Kindern ein schönes Heim einrichten wollten und nicht zuletzt Hobbys und Träume hatten. Im Kontakt mit erlebbarer Geschichte kommen wir deshalb auch der Unendlichkeit Gottes näher.

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Spirituell wirkmächtig ist auch die Schlosskapelle. Auch wenn wir Katholiken den protestantischen Minimalismus vielleicht als eher ungewohnt empfinden, merkt man schnell: Dies ist ein durchbeteter Ort, an dem mit Überzeugung dem Wort Gottes gelauscht, es ausgelegt und dem Herrn Lobpreis gesungen wurde. In einer Zeit wie der unseren, in der so viele Menschen richtungslos und zweifelnd sind, ist die Kapelle des Kurfürsten eine wohltuende Zeitkapsel – bis hin zur historischen Orgel, die aus der Zeit Buxtehudes stammt.

Heilpflanzen aus dem Klostergarten

Prominent sind ebenfalls die Malereien auf dem Altar, die die kurfürstliche Familie betend zu Füßen des Gekreuzigten darstellt. Interessantes Faktum: Auch die verstorbenen Kinder wurden zärtlich im Kreis der Betenden dargestellt – ein weiterer von vielen Beweisen dafür, dass Eltern ihren Nachwuchs in allen Epochen zu lieben wussten, so wie Jesus predigte, dass Gott uns wie ein Vater liebt.

Schloss Augustusburg ist auch ein Zeuge des Fortschritts in einer Zeit, die nach modernem Verständnis allgemein als dunkel und unaufgeklärt gilt. Kurfürstin Anna studierte Medizin und Alchemie, Tätigkeiten, die ihr Ehemann unterstützte. So sorgte Anna für den Bau sanitärer Anlagen auf Schloss Augustusburg, was das Infektionsrisiko senkte. Außerdem legte sie einen Kräutergarten an, in dem sie verschiedene Heilpflanzen anbaute, aus denen sie Medikamente herstellte. Darin war sie derart verständig, dass sie ihren Ehemann behandelte und ihre Freunde Heilmittel bei ihr bestellten.

Kurfürstin forschte an Mittel gegen Pest

Ihre Talente setzte die Kurfürstin aber nicht nur privat ein. So beteiligte sie sich an der Forschung nach einem Mittel gegen die Pest und sandte regelmäßig Medikamente in die umliegenden Gegenden, wenn dort Epidemien ausbrachen. Auch der Kurfürst, nicht ohne Grund „Vater August“ genannt, war am Wohl des Volkes interessiert: Ihm war die Landwirtschaft ein Anliegen, die er eifrig förderte und an der er sich mit der Forschung über Obstanbau selbst beteiligte.

Von seiner Frau wusste er, dass das „schöne Geschlecht“ weder dumm noch schwach ist. Auf persönlicher Ebene kann man dies an der Tatsache sehen, dass er sich mit seiner Frau über seine Politik beriet und ihr das Management seiner Schlösser in die Hand gab. Auf Bevölkerungsebene zeigte sich sein Feminismus in seinem Bestreben, mehr Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen. Seine Freunde zogen ihn dafür auf, aber er ließ sich nicht beirren.

Kurfürstenpaar war Vorbild für Familien

Das Christsein des Kurfürstenpaares manifestierte sich jedoch nicht nur in ihrem wohltätigen Handeln und ihrer Nächstenliebe. Sie waren auch ein Vorbild für das Familienleben. August und Anna hatten großen Respekt füreinander und müssen einander wirklich geliebt haben, denn sie verbrachten nur wenige Tage ihrer langjährigen Ehe getrennt. Auch der Glaube spielte hierbei eine wichtige Rolle. Die gemeinsamen protestantischen Ansichten und der Wunsch, in einer spirituell spannenden Epoche mitzuwirken, waren ausschlaggebende Aspekte für beide Seiten.

Für uns Katholiken kann das ebenfalls Vorbild sein. Heutzutage ist es eher verpönt zu seinem Glauben zu stehen oder ihn gar begeistert zu leben. Dass äußere Faktoren unsere Verbindung zu Gott aber nicht zu verhindern vermögen, beweist eine Führung durch das Schloss. Hierbei wird auf Spuren der Nutzung als Unterkunft während der DDR-Zeit verwiesen, die als Mahnmal teils erhalten wurden. Aber selbst in diesen Räumen ist der Zeitgeist der Renaissance noch immer vorhanden.

Geschichte als Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart 

Gerade die Vielfältigkeit von Schloss Augustusburg macht diesen historischen Ort zu einem fantastischen Reiseziel. Neben der momentan laufenden Sonderausstellung über Kurfürst August und die Schlossführung laden ein Kutschenmuseum, Jagd- und Vogelkundemuseum sowie ein Motorradmuseum zum Stöbern in verschiedenen Epochen ein. Besonders hervorzuheben ist dabei auch der enorme Schaffensgeist der Kuratoren und der Geschäftsführerin Patrizia Meyn, deren Geschichtsbegeisterungund Hingabe sich besonders in der Mannigfaltigkeit der Lehrwege für Jung und Alt zeigt. Es gibt sowohl mediale Highlights als auch liebevoll gestaltete Begleithefte und Tafeln. Schauspieler gestalten die Führungen und verwandeln sie zu wahren Zeitreisen.

In heutigen Zeiten sei es eine Herausforderung, gerade junge Generationen noch für Geschichte zu interessieren, erklärt Patrizia Meyn und betont, dass die Tore von Schloss Augustusburg für alle Altersgruppen offen stünden. Als Christin kam mir sofort der Gedanke, dass gerade bei uns Gläubigen junge Menschen ihre Neugier auf die Geschichte unserer Welt wachhalten sollten. Denn mit der Fähigkeit, sich zu erinnern, hat Gott uns einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart gegeben.

Ihre gelebte Nächstenliebe und Hingabe an ihren Glauben in einer stürmischen Epoche – zu Zeiten einer Pandemie und Reformation – sind Wegweiser für uns. Ihr Familienleben ist Vorbild für uns. Ihr Forschergeist zeigt uns, wie man moderne Wissenschaft zur Ehre Gottes betreiben kann.

Neben dem, was uns Augustusburg geben kann, sind aber auch wir Christen in der Pflicht: Die Gegend um Chemnitz, in der sich das Schloss befindet, ist eine Diaspora. Die Kapelle Augusts wird kaum noch genutzt. Jeder von uns, der sich also dorthin auf die Reise macht und Christus im Herzen trägt, kann Hoffnung spenden, in Augusts und Annas Fußstapfen treten und ihren spirituellen Raum retten—sozusagen ökumenische Amtshilfe leisten.

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