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Vom Staunen zur Anbetung

Gottes Größe in der Stille der Natur entdecken: Auch die Ferien lassen sich zur Gottesbegegnung nutzen.
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Foto: IMAGO / Westend61 | Von der Betrachtung der schönen Natur über staunendes Schweigen hin zur Anbetung und Ahnung der Ewigkeit: Im hektischen Alltag haben oft weder Kinder noch Eltern die nötige Muße, auf diesem Wege ihre Sehnsucht nach ...

Hinaus in Gottes freie Luft, auf Fahrt! Das heißt Wandern über Land, die Herrlichkeiten von Himmel, Erde und Meer in sich aufnehmen, die Farben in Wäldern und Feldern sehen, die Blumen und das Heu riechen, die Musik der Bäche und Vögel und den flüsternden Wind hören, die Tiere und ihre Lebensweise kennenlernen, bis du fühlst, dass du ihrer aller Kamerad, ein Teil des großen Planes der Natur bist.“ So schrieb 1922 Robert Stephenson Smyth Baden-Powell, der Gründer der weltweiten Pfadfinderbewegung. Gott habe, so heißt es weiter, den Menschen „neben den gedruckten Büchern und außer der Offenbarung noch das große Buch der Natur zu lesen gegeben“. Das Studium der Natur ist für ihn dabei weder Gottesdienst noch Ersatz für die Religion, aber ein Wegweiser zu ihr. Die Berührung mit der Natur, ihrer Schönheit und überwältigenden Größe bringt Demut und Ehrfurcht hervor und schafft damit eine Grundlage für die Gottesbewegung, beobachtete der weitgereiste Abenteurer.

Baden-Powell, wie er von Pfadfindern aus aller Welt bis heute liebevoll genannt wird, ist nicht der erste, der in der Betrachtung der Natur einen Weg der Gotteserkenntnis gesehen hat. Sicherlich war er aber einer der ersten, die sich das Erleben in der Natur systematisch für die Glaubenserziehung von Kindern und jungen Menschen zunutze gemacht haben. Die Pfadfinderpädagogik stellt ganz explizit eine Unterstützung der Eltern und der Erziehung in der Familie dar und bietet wertvolle Anregungen, wie sich auch der Familienurlaub dafür nutzen lässt, Gott zu begegnen.

Pfadfinder leben in der Natur

Leben in der Natur und Leben in der Gemeinschaft gehören im Pfadfindertum zusammen. Die fünf Ziele der Pfadfinderbewegung entfalten sich bei den gemeinsamen Aktivitäten in der freien Natur: Körperliche Gesundheit, Sinn für das Konkrete und Entwickeln praktischer Fähigkeiten, Charakterbildung, Geist des Dienens und Entwicklung des übernatürlichen Lebens. Die Pfadfindermethode Baden-Powells richtet sich ursprünglich an Jungen und Mädchen ab 12 Jahren. Vera Barclay, eine seiner engsten Mitarbeiterinnen, adaptierte sie für Kinder ab 8 Jahren. In einer Zeit, in der Kinder oftmals noch als unfertige Menschen betrachtet wurden, wollte die von der anglikanischen Kirche konvertierte Katholikin „beweisen, dass Kinder die Schönheit der Dinge sehr wohl erkennen, dass sie sie erkennen müssen und dass jede Erziehung, welche in der Förderung dieser Gottesgabe versagt, das ihr gestellte Ziel verfehlt“.

Der Sinn für das Schöne, das Wunderbare und die Romantik sei Kindern angeboren, schließt Barclay aus ihrer Erfahrung, auch wenn Kinder ihren Emotionen nicht unbedingt in gleicher Weise Ausdruck wie Erwachsene gäben. Eltern und Erzieher können ihre Beobachtung bestätigen: Die Betrachtung des Meeres, der Sterne, eines Sonnenuntergangs oder eines Bergpanoramas lösen bei Kindern zunächst schweigendes Staunen und dann laut geäußerte Begeisterung aus, die nicht selten in einer Menge Fragen mündet: Warum ist der Himmel rot? Wie weit sind die Sterne weg? Wie groß ist das Meer? Der natürliche Sinn für das Schöne, so Barclay weiter, öffnet die Kinderherzen hin zu Gott: „Eine Erzählung beim Schein eines Lagerfeuers, Gebete beim Sternenschein, da dringen die Gedanken in ihr Herz, und die Anbetung bricht hervor. Aber passen wir auf, dass diese Anbetung auch den wahren, einzigen Gott betrifft und nicht irgendeinen großen Naturgott der Indianer, ohne irgendwelche menschlichen Züge, dass kein unklarer Gedanke von Macht oder Unendlichkeit an die Stelle unseres Gottes tritt“, schreibt sie 1925 in dem pädagogischen Handbuch „Dschungelweisheit“.

Die Romantik des Glaubens

Über das Wunderbare staunen zu können sei dabei eine Fähigkeit, die wesentlich zur Religion gehöre: „Keine Sentimentalität oder äußerliche, unreale Formen, sondern die wesentliche Romantik des Glaubens, eines wirklichen Glaubens daran, dass Gott uns tatsächlich liebt; dass er auch die kleinste Kleinigkeit, die wir tun, bemerkt; dass er sich darüber freut; dass er auf die Erde kam und als ein Kind geboren wurde; dass er unsere menschliche Natur mit in den Himmel nahm und dort als Menschensohn auf uns wartet.“

Die Ferien bieten neben der körperlichen Erholung die Möglichkeit, einen Kontrast zum Dauerlärm des Alltags zu schaffen. Mit „Lärm“ sind dabei nicht das fröhliche Kinderlachen und gelegentliche Kabbeleien gemeint, sondern der stetige Wechsel von Aktivität, Straßenverkehr und dauernder Medienbeschallung. Es lohnt sich, gemeinsame Ferienaktivitäten bewusst dazu zu nutzen, auf die Stille der Natur zu hören. Beispielsweise kann die Familie bei der gemeinsamen Wanderung einmal 10 Minuten lang schweigen und horchen: Auf den Wind in den Bäumen, das Rauschen des Bachs, Vogelgezwitscher und raschelnde Blätter. Hinterher kann man gemeinsam sammeln, was man gehört hat. In einem kleinen Spiel kann man sich ebenfalls gemeinsam 2 Minuten lang schweigend eine Landschaft anschauen. Danach drehen sich alle um und überlegen aus dem Gedächtnis heraus, was sie alles gesehen haben. Im gemeinsamen Gespräch lassen sich Kinder dafür sensibilisieren, dass Gott all diese Schönheit für uns Menschen und zu unserer Freude geschaffen hat. Abends können die Kinder im gemeinsamen Abendgebet Gott für seine wunderbare Schöpfung loben und danken und aus Dankbarkeit erwächst Liebe.

Abseits vom Alltag die Schöpfung entdecken

Von der Betrachtung der schönen Natur über staunendes Schweigen hin zur Anbetung und Ahnung der Ewigkeit: Im hektischen Alltag haben oft weder Kinder noch Eltern die nötige Muße, auf diesem Wege ihre Sehnsucht nach dem Schöpfer wachsen zu lassen. Oft ist man froh, wenn es „gerade so“ zu einem gemeinsamen Abendgebet reicht. Und doch braucht es Stille im Herzen – und Momente äußerer Stille –, um Gottes Stimme zu hören. „Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle“, heißt es in der Geschichte des Propheten Elija (1 Könige 19, 11ff).

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Ein Herz braucht Stille und Schweigen, um zu wachsen, sich zum Herrn hin auszustrecken und nach ihm horchen zu können. Es geht nicht darum, Kinder mit endlosen Gebetszeiten oder Spielverboten zu überfordern, sondern ihnen auf angemessene Weise Gelegenheit zu geben, Momente der Stille zu finden und schätzen zu lernen. Das beginnt mit dem Beispiel der Eltern, die beispielsweise einen maßvollen Medienkonsum pflegen. Kinder lernen nur dann, Stille auszuhalten und mit sich selbst allein sein zu können, wenn ihnen dies vorgelebt wird. Die Pfadfinderpädagogik kennt die tägliche „Stille Stunde“: Bei Kindern handelt es sich im Ferienlager um eine halbe Stunde nach dem Mittagessen, in der jeder sich alleine und ruhig beschäftigt. Auf diese Weise lernen Kinder, sich selbst Raum für Stille zu schaffen. Es gibt Familien, die diese Praxis auch zu Hause mit einigem Zugewinn an Nerven und Zufriedenheit pflegen.

Eindrücke für die Seele sammeln

In den Ferien mag es leichter fallen, Gott in der Natur zu finden und dabei sich selbst und in der Gemeinschaft der Familie näher zu kommen. Doch der Alltag kommt bestimmt. Nutzen wir daher die Ferien, Eindrücke für die Seele zu sammeln, deren Zauber unsere Kinder auch in den Alltag hinein begleitet. Baden-Powell beobachtet dazu treffend: „Viele Leute, die in der Stadt leben, gelangen nie zum Erlebnis der Schönheit der Natur, weil sie sie selten sehen. (…) Diejenigen aber, die mit der Natur gelebt haben und zur Erkenntnis ihrer Schönheiten gelangt sind, können, wenn sie in die Stadt kommen, sogar in den schmutzigen Straßen einen Schimmer von Schönheit erhaschen.“

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Franziska Harter Gott Pfadfinder

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