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Paul McCartney wird 80: Pop mit Hoffnung

Der Ex-„Beatle“ Paul McCartney wird morgen 80 Jahre alt – seine Melodien sind schon jetzt unsterblich.
Paul McCartney
Foto: dpa | Fröhlich und kreativ: Ex-Beatle Paul McCartney wird am 18. Juni 80 Jahre alt.

Vaterschaftsklagen, Scheidungskrieg mit einem Nacktmodell – so ganz ohne Skandale ist auch seine Karriere nicht verlaufen, doch insgesamt hat Paul McCartney, der am 18. Juni 80 Jahre alt wird, eine imponierende Lebensleistung erbracht. Für viele gilt er trotz der anhaltenden Popularität des skurril-exzentrischen John Lennon (1940–1980) als der eigentliche Kopf der „Beatles“, der kreative Motor der „Fab Four“. Tatsächlich hat der von der Queen geadelte „Sir Paul“ mit Songs wie „Yesterday“, „Penny Lane“ oder „Let it be“ die wahrscheinlich schönsten Melodien der bisherigen Pop-Geschichte komponiert, in denen sich sogar Spuren seiner katholischen Sozialisierung in Liverpool finden lassen, denn auch wenn die im Song „Let it be“ erwähnte „Mother Mary“ seine im Alter von 47 Jahren verstorbene Mutter Mary sein sollte (Paul McCartney war bei ihrem Tod 14 Jahre alt) – eine religiöse Lesart ist dadurch nicht ausgeschlossen:

„When I find myself in times of trouble,
Mother Mary comes to me,
Speaking words of wisdom:
Let it be”

In einem „Beatle“-Song wie „Eleanor Rigby“ brachte er den Niedergang der Volksfrömmigkeit früh und mitfühlend auf den Punkt, das zunehmende Desinteresse der Schäfchen an christlicher Verkündigung: „Father McKenzie, writing the words of a sermon that no one will hear, No one comes near....”.

Esoterik, Suchtmittel und eine Abkehr von tradierter Religiosität

Waren die „Beatles“ mit ihren kreischenden Anhängern („Beatlemania“) an diesem Rückgang der Kirchenbesucherzahlen auch ein bisschen Schuld? Wohl kaum. Mit ihrem Interesse an fernöstlichen Lehren und Rauschmitteln, der Distanz zum amtskirchlichen Christentum, spiegelten sie nur das wider, was längst an den Rändern der westlichen Gesellschaften existierte, bis dahin aber nur einer verborgenen Elite vorbehalten gewesen war: freigeistige Sinnsuche,Drogen-Experimente, grenzrüberschreitende Erfahrungen im Osten. Vor allem mit dem „St. Pepper´s“-Album (1967) wurden die indische Philosophie, C.G. Jung, Aleister Crowley und Bewusstseinserweiternde Drogen gesellschaftlich salonfähig, Massenphänomene. Die „Beatles“ lieferten den „Soundtrack“ zu einer ungewöhnlichen Wiederverzauberung der Welt.

Ein Jahr später, 1968, bewies McCartney auf dem sogenannten „White Album“ der Gruppe erneut, wie man spirituelle Botschaften einfach und eingängig, sozusagen zum Mitpfeifen, formuliert: „Blackbird singing in the dead of night. Take these broken wings and learn to fly. All your life, you were only waiting for this moment to arise.” Oder wurde hier die Auferstehungskraft Christi in Form einer Amsel allegorisch verklärt? Laut McCartney war der Song, der musikalisch von einer Komposition Johannes Sebastian Bachs beeinflusst ist, inhaltlich von Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten inspiriert und als Solidaritätszeichen mit dunkelhäutigen Frauen intendiert. Eindeutig religiös konnotiert ist der Song „Hope of deliverance“, der 1993 veröffentlicht wurde. Damals war der Pop-Billionär Paul McCartney als Solo-Artist bereits mehr als zwei Jahrzehnte durch die Popwelt getingelt – manchmal mit mehr („Live and let die“, „Ebony and ivory“), manchmal mit weniger Erfolg. „Hope of deliverance“ ist nicht nur wegen der eingängigen Melodie ein typischer McCartney-Ohrwurm; auch textlich sorgt er für Tiefgang:

„I will understand
Someday, one day
You will understand
Always, always from now until then
When it will be right?
I don't know
What it will be like?
I don't know
We live in hope of deliverance
From the darkness that surrounds us
Hope of deliverance”

So eindeutig religiös die Zeilen auch sind, ohne eine gewisse Ambiguität oder Offenheit kommen aber auch sie nicht aus, denn es bleibt unklar, durch wen oder was sich die offenbar notwendige Erlösung oder Befreiung („deliverance“) aus der die Menschheit umgebenden Dunkelheit („darkness that surrounds us“) vollzieht. Vielleicht durch eigene menschliche Anstrengung und einen von Liebe und Annahme gekennzeichneten Dialog, wie es im Video des Songs vermittelt wird, in dem Nonnen durch buddhistische Mönche vor einem Unglück bewahrt werden? Auffällig ist der wiederholte Vers „I don´t know“ (Ich weiß nicht), der auf eine agnostische Gesinnung des lyrischen Ichs schließen lässt und vermutlich Paul McCartneys persönliche Weltanschauung ausdrückt.

Eine Weltanschauung, die jedoch auch das Engagement für die Natur und den Schutz der Tiere miteinschließt – praktizierte McCartney doch schon mit seiner ersten Ehefrau, der amerikanischen Fotografin und Musikerin Linda Eastman, die 1998 starb, einen vegetarischen Lebensstil, zu dem er 2019 auch Papst Franziskus während der Fastenzeit zu animieren versuchte.

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Auch der Vatikan würdigt inzwischen sein Werk

Vermutlich erfolglos. Prägend auf der spirituellen Ebene war und blieb für Paul McCartney denn auch eher die Begegnung der „Beatles“ mit dem indischen Guru und Erfinder der „Transzendentalen Meditation“ (TM) Maharishi Mahesh Yogi im Jahr 1967. In einem Gespräch mit dem Film-Regisseur David Lynch, der ebenfalls ein begeisterter TM-Anhänger ist, erinnerte sich McCartney im Jahr 2014 an die Begegnung mit Maharishi und dass es ihm in den 1960ern als jungem Mann gutgetan habe, damals mit der Meditation zu beginnen, um etwas Ruhe zu finden im täglichen Chaos.

„Ich denke, es ist immer gut, einen Moment der Stille in den Tag einzubauen. Wann immer ich die Gelegenheit habe, mache ich das, wenn ich nicht gerade mit irgendwelchen verrückten Sachen aus der Tür raus muss. Aber ja, ich nehme mir immer gerne einen Moment Zeit und meditiere einfach. Transzendentale Meditation ist eine gute Sache.“ Dass die Musik der „Beatles“ und McCartneys eine gute Sache ist, hat man inzwischen auch im Vatikan erkannt, wo man über manches Lennon-Statement („Die Beatles sind bekannter als Jesus Christus“) nicht immer glücklich war.

Es gibt Gerüchte, er sei sein Doppelgänger

Vierzig Jahre nach dem Ende der vermutlich größten Pop-Band aller Zeiten, 2010, stimmte auch der „Osservatore Romano“ – zum Erstaunen der Medienwelt – ein Loblied auf die Musiker aus Liverpool an. „Ihre wundervollen Melodien veränderten die Musik und bereiten nach wie vor Freude“, steht dort geschrieben. Und: „Sie sind ein Trost gegenüber dem fortgesetzten Angriff der Musikindustrie auf die Musikliebhaber.“ Natürlich ranken sich über McCartney, der nach der unglücklichen Ehe mit dem Modell Heather Mills inzwischen mit der erfolgreichen Geschäftsfrau Nancy Shevell erneut den Ehe-Frieden gefunden zu haben scheint, auch obskure Gerüchte.

So soll einer Verschwörungstheorie nach („Paul is Dead“) der „wahre“ McCartney in den 60er Jahren durch den jetzt immer noch aktiven Doppelgänger ersetzt worden sein. Ein Wahnsinn, der zeigt, wieviel Menschen in Popkultur-Texte und Produkte hineinlesen können, noch dazu, wenn es sich um Stars mit geradezu ikonografischer Größe handelt. Der größere Teil der Menschheit wird an Paul McCartneys Geburtstag das einzig vernünftige tun: sich über sein langes Leben freuen und mit ihm feiern, zum Beispiel, indem man mal wieder eine „Beatles“- oder McCartney-Scheibe auflegt.

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