Gott statt Guru

Die Meditationstechniken des Orients hatten den jungen Joseph-Marie Verlinde weit vom katholischen Glauben entfernt. Viele Jahre später ist er Priester geworden. Von Jean-Marie Dumont
Lathmar-Holi-Feierlichkeiten in Indien
Foto: dpa | Östliche Traditionen wie die Holi-Feste aus Indien üben nach wie vor eine große Faszination auf viele Menschen aus. Sie sind jedoch mit Gefahren für das geistliche Leben verbunden.

In der katholischen Welt Frankreichs ist Pater Joseph-Marie Verlinde bekannt. Seine Geschichte ist vor allem deshalb interessant, da sie der einer ganzen Generation entspricht, die sich ab den 1960er Jahren vom katholischen Glauben entfernte und in anderen religiösen Traditionen, insbesondere bei indischen Sekten und Gurus, „etwas Anderes“, einen Sinn suchte. Einige, wie Joseph-Marie Verlinde, sind mit einem erneuerten Glauben zur Kirche zurückgekehrt.

Maharishi Mahesh Yogi, der „Meister“, der Verlinde vom wahren Glauben abbrachte, ist der Begründer der transzendentalen Meditation. Mit seiner Hilfe entdeckte Joseph-Marie die Leidenschaft für diese Meditationstechnik. Sein Beispiel ist gerade heute besonders wichtig, da Meditationsmethoden zur Förderung der persönlichen Entwicklung sehr beliebt sind. Sie sind das Zeichen des „Unbehagens in der Kultur“, den das Vergessen Gottes mit sich bringt.

„Als ich die Transzendentale Meditation entdeckte“, schreibt Verlinde, „ging ich nicht mehr zur Messe. Ich war Forscher und Chemiker. Damals habe ich mich dafür entschieden, meinem Guru nach Indien zu folgen. Ich habe dort lange Aufenthalte in seinem Ashram des Himalayas verbracht. Nach einer starken geistlichen Erfahrung habe ich Jesus Christus wiederentdeckt und bin nach Europa zurückgekehrt.“

Nach seiner Rückkehr in Europa praktizierte er den Okkultismus, den er im Orient entdeckt hatte, weiter. Er besaß die Fähigkeiten eines Mediums und eines Hellsehers, benutzte sehr wirksam das Pendel und konnte durch Magnetismus heilen. „Es gab Personen, die wollten, dass ich meine Hand auf sie lege, sie spürten ein Fluidum und fühlten sich besser.“

Gleichzeitig ging er jeden Tag zur Messe, empfing die Kommunion, betete den Rosenkranz. Er war davon überzeugt, dass alle diese Praktiken vereinbar waren. „Allmählich ist mir bewusst geworden, dass diese Handlungen eine okkulte Dimension hatten, denn es handelt sich um die Verwaltung, die Beherrschung und die Arbeit dunkler Kräfte. Nach und nach sah ich die Folgen meiner Handlungen. Ich empfand seltsame Symptome, die mit dem Spiritismus zu tun hatten, Stimmen/Entitäten sprachen zu mir und luden mich zu einem Dialog mit ihnen ein. Eines Tages verstand ich alles. Während der Messe und die Elevation hörte ich dieselben Stimmen/Entitäten, die behaupteten, wohlwollende und heilende Geister zu sein, die in diesem Fall blasphemische Worte gegen Jesus Christus schrien. Ich war völlig verwirrt“, schreibt Verlinde. Nach der Messe sprach er mit dem Priester. Dieser erklärte ihm, dass er der Exorzist seiner Diözese sei. Verlinde unterzog sich Befreiungsgebeten, die ihn vom Einfluss des Teufels lösten. Später wurde er Seminarist, dann Priester in der Diözese Montpellier und promovierte in Philosophie und Theologie.

Heute ist er der Abt einer von ihm gegründeten Gemeinschaft, der Monastischen Gemeinschaft der Familie des heiligen Josef. Diese Gemeinschaft lebt in Saint Joseph de Mont-Luzin, in der Nähe von Lyon, und in Saint-Joseph de Mont-Rouge, in der Nähe von Montepellier. Zu ihr gehören Männer und Frauen, Mönche und Nonnen, die der Benediktsregel folgen ebenso wie Laien, die nach dieser Spiritualität leben, aber in der Welt bleiben wollen.

Pater Joseph-Marie Verlinde hat mehrmals in Konferenzen, in Büchern oder in Interviews von seinen Erfahrung mit der Esoterik erzählt und vor der Gefahr der geistlichen Techniken, die von den östlichen Religionen inspiriert sind, gewarnt. „Auch wenn ich eine christliche Erziehung erhalten hatte, wurde ich in die große Protestbewegung, die gegen alle Strukturen der Gesellschaft dieser Epoche gerichtet war, verwickelt. Eines Tages habe ich ein Plakat mit einer Werbung für die Transzendentale Meditation gesehen.

Ich war von dem Vorschlag, durch einfache Methoden höhere Bewusstseinszustände zu erreichen, die erlauben, sich selbst völlig zu verwirklichen, angezogen. Ich habe den Guru der Beatles getroffen. Wir empfanden beide Sympathie füreinander. Ich habe ihn gefragt, ob ich bei ihm bleiben konnte und wurde wie sein Assistent. Mit ihm habe ich dreimal die Welt umreist. Während vier Jahren hatte ich lange Aufenthalte in den Ashrams des Himalayas, wo ich die Lehre des Hinduismus sowie des Buddhismus und vor allem gewisse geistliche Techniken, die bestimmte Bewusstseinszustände erlauben sollen, studieren konnte.“

Worin sieht Pater Jospeh-Marie Verlinde das Problem bei solchen Erfahrungen? Das erste liegt darin, dass Gott als persönliches und transzendentes Sein in diesen Prozessen völlig abwesend ist. Es handelt sich um eine rein immanente Stärke und Energie mit der Tendenz des Pantheismus: alles sei göttlich und ich muss mich in dieser unpersönlichen Energie verlieren, um besser zu leben. Die Person soll sich nicht bewegen, ihre Atmung maximal beschränken, ihre Konzentrationsfähigkeit üben, und alles tun, um das „Ich“ zu anästhesieren und so alle Leiden zu reduzieren. Diese Techniken zielen dabei vor allem darauf ab, das Wohlbehagen des Individuums zu vermehren, und nicht darauf, das Gute zu tun.

Die zweite Folge solcher Praktiken ist die Reduzierung des Sinnes der Liebe. Das Ich, das nicht mehr – oder zumindest weniger – leidet, verzichtet auch darauf, die anderen aktiv mit seiner Freiheit, seinem Willen und auch mit den Schmerzen, die die Liebe mit sich bringt, zu lieben. „Nach der orientalischen Auffassung sagt Buddha, dass die Liebe wie der Hass eine Illusion ist, die vernichtet werden muss, da sie die Illusion der Alterität, des Anderen, aufrechterhält.“

Pater Joseph-Marie Verlinde, der mittlerweile 70 Jahre alt ist, hat zahlreiche geistliche Bücher verfasst. Unter diesen befindet sich auch eine Einladung zur Lectio Divina (Parole et silence, 2002). Die Lectio Divina ist das genaue Gegenteil und das beste Gegenmittel gegen diese falschen Techniken, die sich nur auf das Ich stützen und nur das Ich als Ziel haben. Nur in der Heiligen Schrift aber, die „im Geist gelesen und ausgelegt werden muss“, finden die Gläubigen „Gottes Kraft zum Heil“ („Dei verbum“).

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