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Grammys 2025: Wenn Trump auf Vielfalt trifft

Von Beyoncé bis zu Preiskategorien für christliche Musik: Die patriotische Zeitenwende ist nun auch in der Popmusik angekommen.
2025 Grammy Awards - Chappell Roan
Foto: IMAGO/Javier Rojas (www.imago-images.de) | Bei der Grammy-prämierten, besten Newcomerin Chappell Roan sollte nicht vergessen werden, dass sie aus einem durch und durch christlichen Milieu in Missouri stammt, in der Jugend mehrmals pro Woche zur Kirche ging ...

Zu Anfang beschwört sie vieldeutig ein „American Requiem“, ganz zum Schluss ihres grandiosen Albums „Cowboy Carter“ ruft sie „Mercy“ und bittet um Gnade.  „Amen“ heißt dieses letzte Lied, das die Hörer mit verstörend offener Botschaft entlässt. Anschließend allerdings stellt sich bei manchem eine wohlkalkulierte Transzendenz-Vermutung ein. Kratzt hier jemand am Musikhimmel?

Beyoncés „Cowboy Carter“ ist „Album des Jahres“

Die christliche Sängerin Beyoncé Knowles, die in ihren Zwillingen ein Geschenk Gottes sieht, ist die erste schwarze Musikerin, die für ihr Sieger- Album auch in der Kategorie „Country“ einen Grammy in Händen hält. Die Trophäe, ein vergoldetes, kleines Grammophon, das an die frühen Zeiten des populären Musikbusiness in den USA erinnern soll, ging bisher nur an weiße Vertreter der Gattung.

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Kein Wunder: In der Country-Musik manifestiert sich ein musikalisches Erbe, das wie kaum ein anderes die uramerikanische, populäre Musikgeschichte verkörpert. Bisher jedoch mit einer wichtigen Einschränkung: Es ist die Musik der weißen Einwanderer, die sich in den rhythmischen Klängen mit dem zutraulichen Lagerfeuer-Pathos spiegelt, zu denen immer die Gitarre und oft ein Banjo gehört. Hier spiegelt sich musikalisch die Weite eines Landes, das bis heute seine Kraft aus der Marlboro-Imagination von Freiheit und Abenteuer bezieht. Und hier spiegelt sich ein göttliches Urvertrauen, das bereits die ersten Siedler mitgebracht haben müssen, als sie von der Ostküste aus den Kontinent zwischen Atlantik und Pazifik besiedelten.  

Beyoncé ist nun in die vermeintliche Domäne der musikalischen Siedler, Cowboys, später der Trucker und Wohnmobilisten eingebrochen, und das, ohne es wirklich zu wollen. „Ich habe gar kein Country-Album schreiben wollen. Es ist einfach nur Beyoncé“, beteuert die 43-Jährige, ein in Texas geborenes Multitalent, das bereits seit 1997 mit der Girlgroup „Destiny´s Child“ erfolgreich war und anschließend ab 2005 eine Solo-Karriere hinlegte – mit acht Alben, die alle auf Platz 1 der amerikanischen Charts landeten. Eine gute Schauspielerin ist sie außerdem, in ihren Vorbildern Michael Jackson und Diana Ross manifestieren sich die eigenen Ambitionen. Für viele Kritiker maßgeblicher Medien des Pop-Business ist sie schon jetzt die vielleicht wichtigste, lebende Musikerin.

Gegenüber dem anderen weiblichen, amerikanischen Superstar Taylor Swift scheint sie über etwas zu verfügen, das Dauer verspricht: Wesentlichkeit, die in Gültigkeit mündet. Alles in ihrem jetzt ausgezeichneten Album klingt wie für die Ewigkeit produziert, auch hat sie bewusst Ikonisches aus dem großen Liederbuch der Popgeschichte gecovert, um die Kategorie abzustecken, in der sie sich sieht – und gesehen werden will. Der Beatles-Titel „Blackbird“, eine verschlüsselte Hymne auf die Bürgerrechtsbewegung Martin Luther Kings, für die Paul McCartney höchstselbst die markante Gitarrenmelodie erneut einspielte – und das Selbstbewusstsein junger, schwarzer Mädchen, klingt bei ihr selbstverständlich und souverän. Beyoncé ist eine Frau, die es geschafft hat und das auch zeigt und hören lässt.

Country is King – im doppelten Sinn

Diese Grammy-Verleihung 2025 stand nicht nur wegen der sich vorher abzeichnenden Krönung von Beyoncé als Pop- und Country-Queen unter besonderen Vorzeichen. Country-Fan Donald Trump hat gerade die Wahl mit einem überragenden Ergebnis gewonnen und schickt sich an, das Land umzukrempeln, nach außen und innen. Zölle und Gender-Gesetze, Bündnisse und Budgets, kein Stein scheint auf dem anderen zu bleiben.

Doch man darf dieser Grammy-Preisverleihung dankbar dafür sein, dass sie eines ganz deutlich zeigt: Der derzeitige amerikanische Bewusstseinswandel von einer multilateral-globalen Ausrichtung hin zu identitätsstiftenden Bestrebungen und kultureller Selbstvergewisserung ist eine Entwicklung in größerem, gesamtgesellschaftlichem Maßstab. Trump ist ihr Ausdruck, nicht ihre Ursache. Man darf nicht nur, man muss diese neue Entwicklung auch positiv sehen, denn sie vollzieht sich in ihren Phänomenen und Auswirkungen vielfach inklusiv und auf Gemeinsinn ausgerichtet, etwas, was dieses Land derzeit am nötigsten zu brauchen scheint. Mann oder Frau, schwarz oder weiß, gläubig oder nicht: Das kulturelle Erbe Amerikas wird auf eine überraschende Art, nicht ohne Widersprüche, aber optimistisch neu vermessen. 

Die wichtigsten Bewegungen gehen dabei nicht von einem weiß-wohlhabenden Establishment aus, wie Trumps rumpelige Personalpolitik an der sichtbaren Oberfläche nahelegen könnte. Die auch bei der Grammy-Verleihung zu Tage tretenden, gesellschaftlichen Tiefenströmungen zeigen etwas anderes: Das Land orientiert sich seit einiger Zeit unabhängig vom politischen Machtwechsel neu. Es formiert sich ein Patriotismus, der zwar im Moment noch das zerrissene Land spiegelt, der aber auf Dauer auch durch die Popkultur zu einer neuen Einigkeit des Landes beitragen könnte. Ausgezeichnete Künstler wie Lady Gaga (beste Gruppen-Performance) und Shakira (bestes Latin-Pop-Album) betonen zwar ihre bekannte Empathie für Immigranten und Geschlechtsdiversität. Zugleich adaptieren aber durch die Bank alle Genres und Künstler die Sehnsucht nach einer Neuformulierung der großen amerikanischen Verheißung von Freiheit und Wohlstand, die das Land bis heute trotz allem attraktiv erscheinen lässt. 

Bei den Grammys gibt es Preiskategorien für christliche Musik

Die Religion ist dabei eine der wichtigsten Gestaltungskräfte, selbst wenn sie nicht formal kirchlich oder auf andere Weise institutionell gebunden daherkommt. Der wortgewaltige Rapper Kendrick Lamar, der für das beste Lied ausgezeichnet wurde, macht seit Jahren aus seinem Glauben keinen Hehl und nimmt das Publikum mit auf sein lebenslanges Suchen nach Gott. Bei der Grammy-prämierten, besten Newcomerin Chappell Roan sollte nicht vergessen werden, dass sie aus einem durch und durch christlichen Milieu in Missouri stammt, in der Jugend mehrmals pro Woche zur Kirche ging und in den Ferien an christlichen Freizeit-Camps teilnahm. Ihre religiösen Bindungen an den Glauben der Kindheit hat sie verloren, die in ihrer Seele anscheinend eingesenkte Spiritualität ist hörbar-erfahrbar geblieben. 

Bei den Grammy-Preisverleihungen in den USA sind auch die Kategorien christlicher, zeitgenössischer Musik und Gospel viel beachtet, in Deutschland werden sie von der Berichterstattung zumeist unterschlagen. CeCe Winans christliches Grammy-Gewinnerlied „That‘s my King“ wird in den Staaten auch im Radio gespielt. „One Hallelujah" der beste Gospel-Song 2025, begeistert auch nichtreligiöse Musikhörer. Die Gospel-Sängerin Tasha Cobbs Leonard wurde dafür nach 2014 nun schon zum zweiten Mal mit einem Grammy ausgezeichnet.  Neue Formen religiösen Bekennermuts, attraktive Impulse für Bürgersinn und Geschichtsbewusstsein: eine neue Bürgergesellschaft wird möglicherweise auch durch die Musik aus dem Streaming-Kanälen befördert.

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