„Dass Joe Biden Freimaurer wird, war ziemlich weit unten auf meiner Liste der Dinge, die 2025 wahrscheinlich passieren“, so ein Kommentar im Netz. Ja, richtig gelesen: In einschlägigen Foren und Blogs sorgt derzeit tatsächlich die Schlagzeile für Wirbel, Biden könnte sich einer Freimaurerloge angeschlossen haben. Selbst diejenigen, die dachten, nach all den Aussetzern, Versprechern, Pannen und dem Rückzug von seiner abermaligen Kandidatur ums Weiße Haus könne sie der 82-Jährige nicht mehr überraschen, dürften zweimal hingesehen haben.
Doch es ist kein Witz. Kürzlich veröffentlichte die Konferenz der Großmeister der Freimaurer-Großloge von Prince Hall eine Verlautbarung, in der es heißt, Biden sei in Anerkennung seines „außerordentlichen Engagements für die Vereinigten Staaten von Amerika“ die Mitgliedschaft als „Meistermaurer mit vollen Ehren“ in der Großloge von South Carolina verliehen worden. Unter anderem das katholische US-Portal „The Pillar“ sowie der britische „Catholic Herald“ berichteten darüber.
Biden, Vertreter eines „Wünsch-dir-was“-Katholizismus?
Die Mitteilung zitiert einen „Mitgliedschaftsbeschluss“, in dem es heißt, Bidens Dienst an der Nation spiegele die „Grundwerte“ der Großloge wider, darunter „brüderliche Liebe, Fürsorge und Wahrheit“. Als Präsident habe Biden maßgeblich zum Wohl der amerikanischen Bürger beigetragen. Datiert ist der Beschluss auf den 19. Januar, Biden war also noch US-Präsident, als ihm die Mitgliedschaft in der Freimaurerloge verliehen wurde. Warum dies relevant ist, dazu später mehr. Auf Bildern, die die Loge mitsamt dem Beschluss veröffentlichte, sieht man einen lächelnden Joe Biden, der dem Großmeister der Prince-Hall-Großloge von South Carolina, Victor C. Major, die Hand schüttelt. Auf einem anderen umarmen sich die Männer.
Biden, der zeitleben die Bedeutung seines katholischen Glaubens hervorhob – jetzt also ein Freimaurer? Irgendwie scheint es zu passen, galt der Demokrat vielen schon lange als Vertreter eines „Wünsch-dir-was“-Katholizismus, der sich quasi „à la carte“ die kirchlichen Positionen herauspickt, die ihm zusagen, jedoch mehr oder weniger ignoriert, was nicht in sein Weltbild passt. Das meistzitierte Beispiel, um diese Auffassung zu begründen, ist sicher Bidens Haltung in der Abtreibungsfrage, in der er sich über die Jahre immer weiter vom kirchlichen Lehramt entfernte.
Schon aus diesem Grund werden seit Jahren Stimmen laut, die fordern, Biden dürfte nicht mehr die heilige Kommunion empfangen, da er sich im Zustand schwerer Sünde befinde. Und nun auch noch ein Liebäugeln mit der Freimaurerei – müsste Biden nicht auf der Stelle exkommuniziert werden? Die Sache ist etwas komplizierter.
Freimaurerei und Katholizismus sind nicht vereinbar
Die Kirche hat sich stets eindeutig positioniert: Freimaurerei und Katholizismus sind nicht vereinbar. Die Maurer vertreten ein gnostisch-deistisches Weltbild, eine indifferente Haltung zur Religion und stellen die Dogmen der katholischen Kirche in Frage. Lorenz Jäger, Autor eines Buchs über „Freimaurerei und Revolutionsbewegungen“, bezeichnete die Maurer in dieser Zeitung als „Kind und Stoßtrupp radikalisierter Aufklärung“. Papst Clemens XII. war es, der es Katholiken im Jahr 1738 erstmals verbot, Freimaurerlogen beizutreten. Daran hat sich auch über die Jahrhunderte kaum etwas geändert. Wenn Katholiken den Freimaurern beitreten, so die Auffassung der Kirche, würden sie sich der kirchlichen Aufsicht entziehen und gleichzeitig in eine neue Weltanschauung indoktriniert werden – eine Weltanschauung, die in Kernfragen, wie etwa Abtreibung und Sterbehilfe, der kirchlichen Linie widerspricht.
So heißt es dann auch in der ersten Ausgabe des Codex des kanonischen Rechts der Kirche (Codex Iuris Canonici, CIC) aus dem Jahr 1917, eine Mitgliedschaft in Freimaurerlogen sei verboten und werde automatisch mit Exkommunikation bestraft. Und auch wenn die neue, 1983 veröffentlichte Version des CIC die Freimaurer nicht mehr ausdrücklich erwähnt, stellte Kardinal Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, kurz vor Inkrafttreten des überarbeiteten kirchlichen Gesetzbuches in einer Erklärung fest, dass sich ein Katholik, der den Freimaurern beitritt, „in den Stand schwerer Sünde begibt und die heilige Kommunion nicht empfangen kann“. Die Mitgliedschaft bleibe verboten.
Ob Joe Biden sich nun tatsächlich in diesen Zustand „schwerer Sünde“ begeben hat, lässt sich jedoch kaum eindeutig klären. Warum dies so ist, schlüsselt das Portal „The Pillar“ sehr detailliert auf. Der wesentliche Grund: In der Mitteilung der Großloge von Prince Hall heißt es nur, Biden sei die Mitgliedschaft „verliehen“ worden. Ob Biden aus eigenem Antrieb einen Akt des Beitritts vollzogen, womöglich sogar Initiationsriten durchlaufen hat, ist nicht bekannt. Auch wenn das wie eine Spitzfindigkeit erscheinen mag – kirchenrechtlich macht es einen großen Unterschied. Denn gemäß dem CIC stellt der aktive Prozess des Beitritts ein Vergehen dar. Sollte es zu einem solchen jedoch nicht gekommen sein, dürfte Biden auch nicht gegen das Kirchenrecht verstoßen haben.
Stolperte Biden in etwas hinein?
Dennoch würde sich Biden als Mitglied der Loge im Zustand „schwerer Sünde“ befinden. Doch auch hier ist nicht klar, ob der 82-Jährige die ihm verliehene Mitgliedschaft tatsächlich akzeptiert hat. Die veröffentlichten Bilder sowie die Erklärung der Freimaurerloge, übrigens eine traditionell schwarze Loge, die sich in ihrem Ursprung auf eine Loge britischer Siedler bezieht, geben darüber jedenfalls keine Auskunft. Und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich der Ex-Präsident jemals dazu äußern wird. Bei Biden ist in jedem Fall denkbar, dass er in die Angelegenheit „hineinstolperte“, ohne sich über mögliche Konsequenzen hinsichtlich seiner Mitgliedschaft in der katholischen Kirche Gedanken zu machen. Seine traditionelle Verbundenheit mit der schwarzen Community dürfte der Grund gewesen sein, weshalb Biden die Loge überhaupt besuchte. Darüber hinaus gibt es keine Informationen über den Anlass für Bidens dortigen Auftritt.
Ist Joe Biden nun also Freimaurer oder nicht? Endgültig lässt sich die Frage nicht beantworten. Anders als die nach der Exkommunikation. Dazu wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht kommen. In der Erklärung der Glaubenskongregation von 1983 ist von Exkommunikation nicht mehr explizit die Rede. Vielmehr heißt es, eine „kompetente Autorität“ der Kirche müsse eine „gerechte Strafe“ aussprechen, wenn sich ein Katholik den Freimaurern anschließt. Im Falle eines Staats- und Regierungsoberhaupts, das Biden als US-Präsident noch war, als ihm die Mitgliedschaft verliehen wurde, fungiert als jene „kompetente Autorität“ kein Geringerer als der Papst. Es müsste also Papst Franziskus, der stets ein enges, beinahe freundschaftliches Verhältnis zu Biden pflegte, den ehemaligen US-Präsidenten exkommunizieren. Und das dürfte ebenfalls ganz am Ende der Liste der Dinge stehen, die 2025 wahrscheinlich passieren.
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