Amerika wieder groß machen, ist das Ziel des US-Präsidenten Donald Trump. Um das zu schaffen, muss er wissen, was Amerika ist. Dabei geht es nicht um Geografie und Grenzen. Sozialethisch betrachtet muss er den „American Dream“ einlösen. Denn der ist das Credo der USA, die kollektive Vision, die Identität stiftet und Menschen unter dem Sternenbanner eint.
In der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 lesen wir in Paragraf 2: „Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.“ Der Soziologe Gunnar Myrdal ergänzt Gerechtigkeit und faire Opportunität. Naturrechte und gesellschaftliche Werte gründen in der Gleichheit aller Menschen. Die ist von Gott gegeben.
Freiheit ist nicht ohne Tugend zu denken
Diese Vision grenzt sich ab von feudalen Ordnungen des damaligen Europas. Sie reicht mit ihrer universalen Idee vom Menschen über die USA hinaus. Sie verspricht nicht – wie die Träume autoritärer Ideologien – das Paradies auf Erden. Vielmehr bleibt sie ein irdisch unerfüllter Traum, der die Generationen immer wieder zu Eigenverantwortung motiviert. Das Paradies kommt nur von Gott, so wussten es die Gründerväter. Das bewahrt vor Hybris. Dieser Traum ist metaphysisch und nicht-autoritär, missionarisch und doch demütig. Freiheit ist dabei nicht ohne Tugend zu denken.
Der American Dream wurde im Lauf der Geschichte immer neu gedeutet. So zählen auch Ideen vom eigenen Land oder sozialer Durchlässigkeit dazu. Nicht zu vergessen der Traum von Martin Luther King, der eine Umsetzung der Gleichheit proklamierte.
Der aktuelle US-Präsident verspricht ein Neudenken des großen Traums. Aus christlicher Sicht ist sein Eintreten für den Lebensschutz zu begrüßen, ebenso die Relativierung des Wokismus. Das entspricht der Gründungsidee.
Andere Akzente geben Anlass zur Sorge: Ob er wirklich an den Allmächtigen glaubt? Welche Rolle konkret Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist in seinem Denken spielen, was Sakrament und Kirche ihm bedeuten, dafür ist er jedenfalls kein Bekenner.
Trumps autoritärer Führungsstil passt nicht zu den Idealen des 4. Juli
Sein autoritärer Führungsstil passt nicht zu den Idealen des 4. Juli, ebenso wenig die Missachtung des geltenden Rechts. Wie er unliebsame Richter, Banker, Bischöfe oder andere Kritiker abkanzelt, widerspricht der Würde, die eine gleiche Geschöpflichkeit aller Menschen fordert. Da wiederholt er Fehler der puritanischen Väter, die ihre schönen Worte im Umgang mit Andersdenkenden und Minderheiten auch nicht so recht umsetzten.
Sein messianisches Auftreten vermittelt zudem den Eindruck, dass er selbst das Paradies bringen wolle und nicht ein Anderer. Nichts lag den Autoren der Konstitution ferner als solche Hybris. Trump hat wohl einen Traum. Der scheint aber nicht der amerikanische zu sein.
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