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„Das Rad der Zeit“: Wer ist der wiedergeborene Drache?

Die Amazon-Serie „Das Rad der Zeit“ bleibt weit hinter „Der Herr der Ringe“ zurück.
Szenefilm "Das Rad der Zeit"
Foto: Amazon Studios

Basierend auf dem gleichnamigen Romanzyklus von Robert Jordan (1948–2007), von dem laut Amazon Studios mehr als 90 Millionen Exemplare verkauft wurden, spielt „Das Rad der Zeit“ in einer Fantasiewelt, die aus der Sicht der Architektur und der Kostüme diffus an das Mittelalter erinnert. Dazu zählt etwa auch, dass keine Feuerwaffen, dafür aber Schwerter, Lanzen oder auch Pfeile als Waffen eingesetzt werden.

Bevölkert wird die von Rafe Lee Judkins entwickelte Amazon-Serie von Fabelwesen – den Tiermenschen „Trollocs –, aber auch von Magiern beziehungsweise Magierinnen, die hier den Namen „Aes Sedai“ tragen. Sie können die „Eine Macht“ lenken, um dem Bösen den Weg in die Welt zu verwehren. Der Böse schlechthin ist in diesem Universum der „Dunkle König“, der 3 000 Jahre zuvor die Zerstörung der Welt oder eher des Zeitalters bewirkte.

„So überwiegt in „Das Rad der Zeit“ eine archaische,
eher esoterisch angehauchte Religion“

Die Serie setzt in dem Augenblick ein, als eine der Aes Sedai namens Moiraine (Rosamund Pike) mit ihrem Beschützer al’Lan (Daniel Henney) in einer idyllischen, ziemlich abgelegenen Gegend namens „Zwei Flüsse“ plötzlich auftaucht. Denn sie ist davon überzeugt, dass der „Drache“ wiedergeboren ist. Moiraine muss den „wiedergeborenen Drachen“ finden – also herausfinden, in welchem Mann oder welcher Frau der „Drache“ wieder Gestalt angenommen hat –, damit dieser sich auf die Seite der Aes Sedai im Kampf gegen den Anführer der Mächte, den Dunklen König, schlägt.

Ehe Moiraine ermitteln kann, wer der wiedergeborene Drache sein könnte, wird das Dorf von finsteren Trollocs angegriffen. Moiraine und al’Lan drängen die vier möglichen Kandidaten – den Bauernsohn Rand (Josha Stradowksi) und seine Freunde, den Taschendieb Mat (Barney Harris) und den Schmied Perrin (Marcus Rutherford) sowie Rands Freundin Egwene (Madeleine Madden), die eigentlich bei Dorfmagierin Nynaeve (Zoë Robins) in die Lehre gehen wollte –, mit ihnen zu fliehen.

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Oberflächlich betrachtet, erinnert die Handlung an „Der Herr der Ringe“

Die Gefährten machen sich auf den Weg nach Osten zum „Weißen Turm“ der Magierinnen. Sie werden nicht nur von den Armeen des Dunklen Königs verfolgt, sondern begegnen anderen Gefahren, beispielsweise in der Gestalt der „Weißmäntel“, die den Aes Sedai feindlich gesinnt sind.

Wer bei dieser Inhaltsangabe an die Ankunft Gandalfs im Auenland auf der Suche nach dem Einem Ring, an die Zusammenstellung der Gemeinschaft des Ringes und deren Verfolgung durch die Nazgul und die Orks-Armeen denkt, liegt genau richtig. Denn die Anlehnung der Serie „Das Rad der Zeit“ an „Der Herr der Ringe“ ist mehr als offensichtlich. Auch hier werden sehr unterschiedliche „Völker“ gezeichnet, die sich etwa in der Kleidung und den Sitten stark voneinander unterscheiden.

Ähnlich wie in Tolkiens Hauptwerk setzt sich „Das Rad der Zeit“ aus mehreren Handlungsnebensträngen zusammen, weil auch die „Gemeinschaft des wiedergeborenen Drachen“ bald auseinandergeht, so dass die Serie von der einen zur nächsten Handlung hin- und herspringt.

Zeitgeisttribut: verkrampft eingeführte „nicht heterosexuelle“ Beziehungen

Inhaltlich liegt aber „Das Rad der Zeit“ überhaupt nicht nahe bei „Der Herr der Ringe“, sondern eher bei dessen Gegenentwurf „Game of Thrones“: Findet in Tolkiens Werk der Kampf zwischen Gut und Böse stets vor dem Hintergrund statt, dass das Böse aus einer Auflehnung gegen Gott stammt, so überwiegt in „Das Rad der Zeit“ eine archaische, eher esoterisch angehauchte Religion. Selbst das Grundprinzip der Serie, dass die Zeit nicht linear, sondern in Zyklen verläuft, so dass alles vergeht und dann im nächsten Zyklus neu entsteht – ein Gedanke, der allerdings nicht gerade neu ist –, hängt eher mit Hinduismus und Buddhismus und deren Reinkarnationslehre als mit dem Glauben an den einen Gott („Eru“, „Illuvater“ in Tolkiens Sprache) zusammen.

Bei „Das Rad der Zeit“ fällt besonders auf, dass die Produzenten auf einen möglichst „diversen“ Cast Wert legen. Nicht nur „People of Color“ spielen eine wichtige Rolle, auch ein „fahrendes Volk“ sowie verkrampft eingeführte „nicht heterosexuelle“ Beziehungen gehören dazu – offensichtlich die Zeitgeist-Quote, ohne die inzwischen kaum eine Serie oder ein Film auskommt.

Hohes Tempo, explizite Gewaltdarstellung

Die vor allem zu Beginn hohe explizite Gewaltdarstellung trägt ebenfalls dazu bei, dass „Das Rad der Zeit“ nicht gerade durch die Charakterzeichnung heraussticht. Auch darin unterscheidet sich die Amazon-Serie von „Der Herr der Ringe“, der sich anfangs Zeit lässt, um die verschiedenen Hauptfiguren einzuführen. „Das Rad der Zeit“ legt von Anfang an ein hohes Erzähltempo an den Tag, der nicht gerade der Orientierung des Zuschauers hilft. So stellt sich die Frage, ob es am Drehbuch oder am hohen Tempo liegt, dass sich die Protagonisten selbst in der Frage ziemlich orientierungslos zeigen, wozu sie sich auf die Reise gemacht haben.

Abgesehen von der Idee der immer wiederkehrenden Zeit lässt sich bei „Das Rad der Zeit“ außerdem keine Metaebene ausmachen, auf der etwa moralische Fragen eine Rolle spielen.


„Das Rad der Zeit“ (OT: „The Wheel of Time“). USA 2021. Entwickler: Rafe Lee Judkins.
Acht Folgen mit je etwa einer Stunde auf Amazon Prime Video.

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