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Luisa Neubauer: „Als neuen Gott haben wir Elon Musk eingesetzt“

Trotz düsterer Zukunftsprognosen nicht verzweifelt: Zur Eröffnung der Hamburger Lessingtage sprach die Klimaaktivistin über Aufklärung, Kultur und Technik als Gottesersatz.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer
Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler (www.imago-images.de) | „Die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht ist das die größte Lüge diesseits des Universums“, spekulierte Neubauer zum Ende ihres Vortrags.

Mit einer Rede der Klimaaktivistin Luisa Neubauer haben am Sonntagvormittag im Hamburger Thalia Theater die Lessingtage 2024 begonnen. Und im Publikum sieht man, wie zu erwarten, mehr junge Besucher als sonst üblich. Vorm Haupteingang ist der Catering-Transporter des prominenten Hamburger Bio-Kochs Thomas Sampl vom In-Restaurant „Hobenköök“ platziert, im Foyer finden sich Info-Stände mit Klimaaktivisten und NGO-Repräsentanten, Unterschriftenlisten liegen aus für ein neues Zukunftsprojekt der Hamburger Bürgergesellschaft.

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Mit der Eröffnung der Lessingtage setzte das renommierte Thalia Theater unweit der Binnenalster in der Hansestadt unter dem scheidenden Intendanten Joachim Lux zum wiederholten Mal ein Zeichen für ein politisch-zeitkritisch ausgerichtetes Programm. 

Untermalt von Beethoven: Luisa Neubauers "Rede in Es-Dur"

Vor vollem Haus sprach die 28-jährige Luisa Neubauer über ihre Gedanken zum Thema „Aufklärung und Kultur“ vor dem Hintergrund eines sich immer klarer abzeichnenden Klimawandels, der große Teile der Menschheit in ihren Lebensgrundlagen bedrohe. 

„Rede in Es-Dur“ waren ihre Ausführungen betitelt. Denn als musikalische Folie hatte Neubauer Ludwig van Beethovens Cavatina in eben dieser Tonart ausgewählt, gespielt vom Streichquartett des Hamburger „Ensemble Resonanz“. Die Musiker stimmten auf der Bühne diesen bedeutungsschwer klingenden Satz aus dem Streichquartett Nr. 13 an, und einige Takte später setzte Neubauer mit ihrer Rede ein.

In melodischem Sprachduktus begann die Klima-Aktivistin mit einer Beschreibung der „Golden Record“ des sogenannten „Voyager-Projekts“. Jene Sonde durchmisst inzwischen den Weltraum außerhalb unseres Sonnensystems, an Bord eine vergoldete Datenplatte mit Ton- und Bilddokumenten der Menschheitsgeschichte. „Während wir hier sitzen, hat Voyager wieder 30.000 km zurückgelegt.“ 

Mit dem Wissen der Aufklärung verzichtete man auf Gott

Der Datenträger wurden mit der vagen Aussicht hergestellt, etwaige intelligente Außerirdische könnten dadurch von der Erde, den Bewohnern und ihrer Position im All erfahren, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür äußerst gering ist und die Menschheit dann vielleicht nicht mehr existiert. Mit einer geschätzten Lebensdauer von 500 Millionen Jahren sollen die Platten aber zumindest Zeugnis darüber ablegen, dass es Menschen gegeben hat.

Luisa Neubauer bei Lessingtagen
Foto: Brinker | Vor vollem Haus sprach die 28-jährige Luisa Neubauer über ihre Gedanken zum Thema „Aufklärung und Kultur“. Als musikalische Folie hatte sie Ludwig van Beethovens Cavatina ausgewählt, gespielt vom Streichquartett des ...

Neubauer beschrieb, wie Fortschritt des Denkens, eine Welt der Aufklärung und westlicher Zentrismus die Datenauswahl dominierte. Die Beschreibung der Welt vor 40 Jahren, wie sie die Daten widerspiegeln, führe drastisch vor Augen, dass die damalige Vision einer Entwicklung zum Frieden und eines Fortschritts im Dienste der gesamten Menschheit weitgehend gescheitert sei.

Neubauer baute in ihre Ansprache mehrfach den Gottesbezug ein: „Wir haben geglaubt, mit dem Wissen der Aufklärung auf Gott verzichten zu können.“ Und später: „Als neuen Gott haben wir Elon Musk (Gründer der E-Automarke TESLA) eingesetzt.“ Die getaufte und konfirmierte, evangelische Christin wird auch im Vatikan geschätzt. Als einzige deutsche Vertreterin war sie eingeladen, als Papst Franziskus 2023 sein Schreiben „Laudate Deum“ vorstellte. Bei einer kurzen persönlichen Begegnung, so berichtete damals „Vatican News“, habe Papst Franziskus ihr wörtlich gesagt: „The future belongs to ,diese junge Leute‘ “.

Für Neubauer ist weiter alles möglich

Neben der deutschen Klimaaktivistin sprachen letztes Jahr in Rom unter anderem der italienische Physik-Nobelpreisträger Giorgio Parisi und die indische Globalisierungskritikerin Vandana Shiva. „Papst Franziskus ist schon jemand, den wir als Verbündeten verstehen. Spätestens mit ,Laudato si‘ wurde ja deutlich, dass er da Wert drauf legt und auch seine Stimme nutzt. Und das ist gut und wichtig. Das ist auch seine Verantwortung. In dem Sinne freut es mich und berührt es mich, aber ich bin im besten Sinne nicht überrascht“, so Neubauer damals zu ihrer Begegnung mit dem Papst.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht ist das die größte Lüge diesseits des Universums“, spekulierte Neubauer zum Ende ihres beeindruckenden Vortrags, wollte aber Verzweiflung an einer düsteren Zukunft nicht gelten lassen. Für sie ist weiter alles möglich. „Alles“, betonte sie mit ihrem letzten Wort, das überging in die stehenden Ovationen eines begeisterten Publikums, wo neben viel Hamburger Kulturprominenz auch Peter Lohmeyer im Parkett saß, Vater von Neubauers Lebensgefährten, dem „Hart, aber fair!“-Moderator Louis Klamroth.

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Der scheidende Intendant Lux hatte zuvor die laufenden „Demonstrationen gegen Rechts aus der Mitte der Gesellschaft“ gelobt und die schlechte Politik einer zerstrittenen Ampel kritisiert. Christdemokraten warf er vor, populistisches Gedankengut vom rechten Rand zu verwenden und forderte ein, sich von Lessings Optimismus und dem „Prinzip Hoffnung“ des Philosophen Ernst Bloch leiten zu lassen.

Politisch korrekter Kurs

Moderatere Töne als der eher zornige Theatermann wählte Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda. Er räumte im Gegensatz zu Lux ein, dass konstruktiver Streit konstitutiv für eine funktionierende Bürgergesellschaft sei. Das habe auch der polemisch-scharfe Kritiker Lessing in seinen Rezensionen immer so gehalten. Für den Literaten und Dramatiker sei Streit das wichtigste Mittel zur Wahrheitsfindung gewesen. Und Brosda betonte, dass es jetzt auch darauf ankomme, verwirrte Mitbürger, die nach rechts abgedriftet seien, wieder anzusprechen und einzubinden. „Nicht alle, die AfD wählen, sind Nazis!“ Nur die völlig Verbohrten müsse man isolieren.

Zahlreiche Veranstaltungen wie jetzt die Lessingtage im Hamburger Thalia-Theater oder zuletzt im Berliner Ensemble das Correctiv-Gastspiel zum „AfD-Remigration-Geheimtreffen“ deuten darauf hin, dass etablierte, staatliche Kultureinrichtungen zunehmend agitatorisch auftreten und ihre offene, reflexive Position verlassen zugunsten eines politisch korrekten Kurses als Aktivisten.

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