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Ukraine: Was für die Kirche auf dem Spiel steht

Wiederaufbau nach der Perestroika. Die katholische Kirche in der Ukraine wurde mit Hilfe von Kirche in Not nach dem Verbot durch die Sowjets wieder aufgebaut. Für die Katholiken steht alles auf dem Spiel.
Blick über die Sophienkathedrale in Kiew
Foto: Thomas Eisenhuth (dpa-Zentralbild) | Der Wiederaufbau der katholischen Kirche steht mit dem Krieg in der Ukraine auf dem Spiel. Im Bild: Blick über die Sophienkathedrale in Kiew.

Die katholische Kirche in der Ukraine war zu Sowjetzeiten eine reine Exil- und Untergrundkirche. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erblühten die Gemeinden im ganzen Land. Das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ hat den Aufbau maßgeblich unterstützt und fürchtet jetzt, dass wichtige pastorale Strukturen durch die Kriegshandlungen in Mitleidenschaft gezogen oder sogar zerstört werden könnten.

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Bitte um Unterstützung

Der Blick auf die Geschichte zeigt, was aufgebaut wurde und gegenwärtig durch die Kriegshandlungen auf dem Spiel steht: 1953 erreichte „Kirche in Not“, damals noch die „Ostpriesterhilfe“, eine Bitte des Sekretärs der vatikanischen Kongregation für die Ostkirchen, Kardinal Tisserant: Das Werk sollte die Priesterseminare jener osteuropäischen Kirchen unterstützen, deren Mitglieder aus der Sowjetunion in den Westen fliehen mussten. Der Kardinal bat auch um Hilfe bei der Wiederherstellung des 1946 durch die Kommunisten liquidierten ukrainischen griechisch-katholischen Studitenordens. Beiden Bitten kam „Kirche in Not“ damals nach.

Im Januar 1963 traf sich der ukrainische griechisch-katholische Erzbischof Josyf Slipyj kurz nach seiner Entlassung aus 18 Jahren Haft und Zwangsarbeit mit Pater Werenfried van Straaten in Rom. Dort wurde Hilfe für die Ukrainische Griechisch-Katholische Exilkirche vereinbart, die noch im gleichen Jahr anlief. Bis zum Tod Kardinal Slipyjs in Rom 1984 hatte „Kirche in Not“ seine Kirche mit 10 Millionen Dollar unterstützt. Ein Großteil dieses Geldes war für die „Vorbereitung des Tages X“, der Befreiung der Kirche in der Ukraine, bestimmt gewesen.

Die Saat des Glaubens - Dokumentation von Kirche in Not

 

Eine neue Chance

1989 bahnte sich durch die „Perestroika“ eine Öffnung des Eisernen Vorhangs an. In hoffnungsvoller Erwartung startete „Kirche in Not“ eine große Bibel- und Gebetsbuchkampagne, mit der Hunderte von religiösen Büchern an ausharrende Gläubige in der Sowjet-Ukraine geschickt wurden.

Der 30. März 1991 markierte schließlich einen Durchbruch: Kardinal Myroslav Lubachivsky, das Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, kehrte aus dem römischen Exil in die Ukraine zurück. Damit begann für „Kirche in Not“ das Großprojekt des Wiederaufbaus der kirchlichen Strukturen auf dem Territorium der Ukraine. Zwar sind die katholischen Kirchen voller Elan darangegangen, das kirchliche Leben wiederaufzubauen, jedoch verfügten sie in der Regel über mehr Gottvertrauen als finanzielle Mittel. Besonders die Griechisch-Katholische Kirche hatte gelitten. Alle ihre Strukturen waren zerstört und zum Zeitpunkt ihrer gesetzlichen Neuzulassung am 1. Dezember 1989 stand sie beinahe mit leeren Händen da. Viele Vorhaben konnten nur mit finanzieller Hilfe aus dem Ausland verwirklicht werden.

Mehrheit orthodox

Ungefähr 85 % der Bevölkerung in der Ukraine sind Christen. Die Mehrheit gehört zu den verschiedenen orthodoxen Kirchen, mehr als elf Prozent sind Katholiken. Seit ihrer Wiederzulassung im Jahr 1989 ist die größte mit Rom unierte Kirche die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche. Sie ist in der Westukraine Mehrheitskirche und verfügt über 16 Diözesen; vier Erzeparchien, sieben Eparchien und fünf Exarchate. In der Zentral- und Ostukraine sind die Gläubigen der Griechisch-Katholischen Kirche eine kleine Minderheit von knapp einem Prozent.

Die Katholische Kirche des lateinischen Ritus hat in der Ukraine sieben Diözesen. Der Anteil der Gläubigen liegt zwischen einem und vier Prozent, im Durchschnitt bei zwei Prozent. Es gibt etwa eine Million Gläubige in ca. 830 Gemeinden. Darüber hinaus gibt es in der Ukraine auch eine kleine armenisch-katholische Minderheit.

Priesterausbildung in der Ukraine

Bis heute ist die Unterstützung katholischer Priesteramtskandidaten in der Ukraine eine der wichtigsten Prioritäten von „Kirche in Not“. Das Hilfswerk hat den Bau oder Wiederaufbau der katholischen Priesterseminare in der Ukraine unterstützt. Seit 1994 bedeutete dies Gesamtinvestitionen von über neun Millionen Euro. Die Ausbildung der Seminaristen im Land war und ist Priorität für „Kirche in Not“. Aktuell befinden sich über 900 Seminaristen beider Riten in Ausbildung und in den vergangenen zehn Jahren flossen 6,5 Millionen Euro in diese Ausbildungshilfen. Knapp 15,6 Millionen Euro steckte „Kirche in Not“ in den Bau und die Sanierung von Kirchen, Klöstern und Pfarrhäusern.

Gebet für den Frieden

Der Krieg in der Ukraine hat bereits Tausende Menschenleben gefordert und Hunderttausende ihrer Existenz beraubt. Auch wenn keine ideologisch motivierte Verfolgung der Kirche wie zu Sowjetzeiten zu befürchten ist, stehen durch die Kriegshandlungen das Leben vieler Menschen, die über Jahrzehnte hinweg aufgebaute pastorale Infrastruktur und die Fähigkeit zur langfristigen tatkräftigen Hilfe für die Kirche auf dem Spiel. Neben der unbürokratischen Hilfe für die Notleidenden ruft „Kirche in Not“ seine Unterstützer deshalb zum Gebet für den Frieden in der Ukraine auf. Denn nur der baldige Friede kann das Überleben der Menschen und ihrer Kirche sichern.


Der Verfasser ist Leiter Medien bei "Kirche in Not" Deutschland.

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