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Papst: Menschen brauchen sichere Häfen

Zum Auftakt seines Besuchs in Marseille sprach Franziskus die Not der Mittelmeer-Migranten, aber auch die Erlösung der Sünder durch die Sakramente an.
Papst in Marseille
Foto: IMAGO/Marc OLLIVIER (www.imago-images.de) | Für Franziskus befinde man sich an einem „Scheideweg der Zivilisation“: „Wir können uns nicht damit abfinden, Menschen zu sehen, die als Tauschware behandelt, eingesperrt und auf grausame Weise gefoltert werden."

Zum Auftakt seines zweitägigen Besuchs in Marseille hat Papst Franziskus dazu aufgerufen, den Tragödien der Migranten nicht tatenlos zuzusehen. Bei einem interreligiösen Treffen am späten Nachmittag vor einem für die auf See ertrunkenen Seeleute und Migranten gewidmeten Mahnmal beim Palais de Pharo bat der Papst, besonders angesichts des Schicksals der Mittelmeer-Flüchtlinge nicht gleichgültig zu bleiben. „Zu viele Menschen, die vor Konflikten, Armut und Umweltkatastrophen fliehen, erfahren in den Wellen des Mittelmeers die endgültige Ablehnung ihrer Suche nach einer besseren Zukunft“, sagte Franziskus hoch oben über der Küste des Mittelmeers vor der französischen Hafenstadt. „Und so ist dieses wunderschöne Meer zu einem riesigen Friedhof geworden, wo viele Brüder und Schwestern selbst des Rechtes auf ein Grab beraubt werden.“ Während seiner Ansprache legte der Papst eine Schweigeminute ein. 

Am Scheideweg der Zivilisation

Für Franziskus befinde man sich an einem „Scheideweg der Zivilisation“: „Wir können uns nicht damit abfinden, Menschen zu sehen, die als Tauschware behandelt, eingesperrt und auf grausame Weise gefoltert werden; wir können nicht länger die Tragödien von Schiffbrüchen mitansehen, die durch abscheulichen Menschenhandel und einen Fanatismus der Gleichgültigkeit verursacht werden. Menschen, die zu ertrinken drohen, wenn sie auf den Wellen ausgesetzt werden, müssen gerettet werden. Das ist eine Pflicht der Menschlichkeit, eine Pflicht der Zivilisation!“

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Das Treffen mit den humanitären Einrichtungen verschiedener Religionsgemeinschaften fand im Garten des Palais de Pharo statt, einem Palast, den Napoleon über dem alten Hafen der Stadt hatte erbauen lassen. Es waren Hilfsorganisationen anwesend wie „Marseille Espérance“, „Stella Maris“, „Caritas Gap-Briançon“, die sich um Migranten in den Alpen kümmern, sowie der Diözesanstelle für Migrantenpastoral und der Seenotrettungsorganisationen. Ihnen sprach der Papst am Ende seiner Rede in freien Worten seinen Dank aus. Oft genug könnten die privaten Rettungsschiffe wegen angeblicher Sicherheitsmängel nicht auslaufen: „Das“, sagte der Papst, „sind Gesten des Hasses gegen die Geschwister, die sich als maßvolles Verhalten tarnen. Danke für das, was ihr tut“.

Begonnen hatte der Aufenthalt für den Papst nach seiner Landung in Marseille mit einem marianischen Gebet in der Basilika Notre-Dame de la Garde. Bekannt ist der aus dem neunzehnten Jahrhundert stammende Kirchenbau mit seinen Mosaiken im byzantinischen Stil als die „Bonne Mère“ (Gute Mutter). Hier traf Franziskus mit dem Klerus und pastoralen Mitarbeitern der Diözese Marseilles zusammen. Während der Papst im Rollstuhl zu seinem Sessel vor dem Altar geschoben wurde, sang ein Chor das Ave Maria. Franziskus segnete eine Kerze, die an seinen Besuch erinnern soll, und betete einen Moment vor einer Marienstatue. Dann hieß ihn der Erzbischof von Marseille, Kardinal Jean-Marc Aveline, willkommen – mit dem Hinweis, dass Notre Dame de la Garde allen Einwohnern Marseilles, nicht nur den Christen, viel bedeute. 

Immer wieder Vergebung spenden

Vor den Klerikern und Ordensleute sprach der Papst über die marianische Dimension des Dienstes der Kirche. In Maria spiegele sich der Blick Jesu wider, der die Menschen liebkose. „Auch wir Priester und Gottgeweihte sind nämlich dazu berufen“, sagte Franziskus, „den Menschen den Blick Jesu erfahrbar zu machen und gleichzeitig den Blick der Brüder und Schwestern zu Jesus zu bringen. Im ersten Fall sind wir Werkzeuge der Barmherzigkeit, im zweiten Fall Werkzeuge der Fürbitte.“ Der Papst lud dazu ein, „die Türen der Kirchen und Pfarrhäuser, vor allem aber die des Herzens, um durch unsere Güte, Freundlichkeit und Gastfreundschaft das Antlitz unseres Herrn zu zeigen. Wer zu euch kommt, möge nicht auf Distanz und Urteile stoßen, sondern auf das Zeugnis einer demütigen Freude, die fruchtbarer ist als jede zur Schau gestellte Fähigkeit.“ 

In der Seelsorge sollten die vom Leben Verwundeten im Blick der Priester und Ordensleute einen sicheren Hafen finden, meinte Franziskus weiter, eine Ermutigung in eurer Umarmung und eine liebevolle Berührung in euren Händen, welche Tränen abzuwischen vermögen. „Auch während den vielen Aktivitäten des Alltags lasst bitte die Wärme des väterlichen und mütterlichen Blicks Gottes nicht dahinschwinden. Es ist gut, dies zu tun, indem man freigiebig seine Vergebung ausspendet, immer, immer wieder, um die Menschen durch die Gnade von den Fesseln der Sünde zu lösen und sie von Blockaden, Schuldgefühlen, Verbitterung und Ängsten zu befreien, gegen die sie allein nicht ankommen. Es ist schön, in jedem Alter mit Staunen die Freude wiederzuentdecken, das Leben in frohen und traurigen Momenten mit den Sakramenten zu erhellen und im Namen Gottes unerwartete Hoffnungen zu vermitteln: seine tröstliche Nähe, sein heilendes Erbarmen, seine bewegende Güte. Seid allen nahe, besonders den Schwachen und den weniger Privilegierten und lasst es den Leidenden niemals an eurer aufmerksamen und taktvollen Nähe fehlen.“

Zum Abendessen begab sich Franziskus in die Residenz vor der Apostolischen Nuntiatur. Heute, am Haupttag seines Besuchs in Marseille, wird der Papst das Treffen der Mittelmeer-Bischöfe beenden und mit über 60.000 Gläubigen im Fußballstadion der Stadt eine Messe feiern. Mittag trifft Franziskus auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Palais du Pharo. Am Abend fliegt der Papst zurück nach Rom.  DT/gho

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