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Der Papst „in Marseille, aber nicht in Frankreich“

Der Papstbesuch in Marseille ruft in politischen Kreisen Kontroversen um Migration und Laizität hervor.
Papst Franziskus in Marseille
Foto: IMAGO/Marc OLLIVIER (www.imago-images.de) | Nach seinem Besuch im EU-Parlament in Straßburg 2014 betritt Papst Franziskus zum zweiten Mal französischen Boden, jedoch betont nicht als Staatsbesuch.

Am Freitag ist Papst Franziskus für einen zweitägigen Besuch in Marseille gelandet. Seine 44. Reise außerhalb Italiens führt den Pontifex in die Mittelmeermetropole, um dort dem Abschluss des dritten „Mittelmeer-Treffens“ (Rencontres Méditerranéennes) beizuwohnen. Das Treffen versammelt vom 17. bis zum 24. September Bischöfe und junge Menschen aus dem gesamten Mittelmeerraum, um über Migration und die Folgen des Klimawandels für die Mittelmeerländer zu beraten. 

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Seiner Gewohnheit treu, an die Peripherien zu reisen und die traditionell christlichen Industriestaaten Europas auszusparen, komme der Heilige Vater „nach Marseille, nicht nach Frankreich“, wie das Presseamt des Vatikans nicht müde wird, zu betonen. Wie wenige europäische Städte steht die seit der Antike bestehende Handelsstadt für Multikulturalität und Einwanderung. 90 Prozent der Einwohner von Marseille haben außerfranzösische Wurzeln, die Stadt ist stark geprägt von Armut, Kriminalität und Gewalt. Seit Januar sind hier 43 Menschen Opfer von Drogen- und Bandenkrieg geworden.

Kein Staatsbesuch

Nach seinem Besuch im EU-Parlament in Straßburg 2014 betritt Papst Franziskus zum zweiten Mal französischen Boden, jedoch betont nicht als Staatsbesuch. Trotzdem konnte ihm der Marseiller Kardinal Jean-Marc Aveline eine öffentliche heilige Messe abringen, bei der am Samstagnachmittag 57 000 Gläubige aus ganz Frankreich erwartet werden, zusätzlich zu 140 Bischöfen aus allen Anrainerstaaten des Mittelmeers.

Nach Marseille wurde der Heilige Vater von Kardinal Aveline und Marseilles sozialistischem Bürgermeister Benoît Payan eingeladen. „So wie Marseille nicht wie andere Städte ist, ist auch dieser Papst nicht wie andere Päpste“, sagte Payan gegenüber „La Croix“. Er setzt große Hornungen auf den Besuch des Papstes: „Seine Botschaft des Friedens und der Offenheit wird in einer Zeit des starken Rückzugs in den Identitarismus widerhallen.“
Auch Präsident Emmanuel Macron konnte den Papst zu einem Vier-Augen-Treffen in Marseille am Samstagmorgen überreden. Jean-Marie Guénois,

Vatikan-Korrespondent der Tageszeitung „Le Figaro“ und Autor einer gerade erschienenen Biografie über Papst Franziskus, kommentierte, der Heilige Vater habe Macrons Bitte um ein persönliches Treffen angenommen, „auch wenn der Vatikan aus Erfahrung und aus Prinzip der möglichen Vereinnahmung der Anwesenheit eines Papstes in seinem Land durch Staatsoberhäupter misstraut.“ Argwöhnisch beäugt von der französischen Politik wird er auch an der heiligen Messe im Marseiller Stadion teilnehmen. Die französische Linke will darin einen Angriff auf die Laizität sehen, während Katholiken eher eine Instrumentalisierung des Papstes in Hinblick auf das anstehende Euthanasiegesetz sehen. 

Jean-Luc Mélenchon, der Chef der kommunistischen Partei „La France Insoumise“ begrüßt die Botschaft des Papstes zur Migration, lehnt aber Emmanuel Macrons Bemühen, sich an der Seite des Papstes zu zeigen, vehement ab: „Der Papst ist in Frankreich willkommen. Sein Einsatz für die Migranten im Mittelmeer kann entscheidend sein. Macron schleicht sich ohne Respekt vor seinem eigenen Amt in das Treffen ein. Die Pfiffe bei der Messe werden für ihn sein, nicht für den Papst“, erklärte er auf X (ehemals Twitter).

Polemik um Migration

Obwohl kein Staatsbesuch, ist Papst Franziskus‘ Besuch in Marseille hochpolitisch. In der französischen Nationalversammlung soll Anfang November ein neues Gesetz zur Immigration debattiert werden. Anfang der Woche teilte Innenminister Gérald Darmanin mit, Frankreich werde „keinen einzigen Migranten aus Lampedusa“ aufnehmen. „Wenn Emmanuel Macron seine Ohren für die Botschaft von Papst Franziskus über Migranten öffnen könnte, wäre das eine gute Nachricht. Aber dafür sieht es nicht gut aus“, schrieb Clémentine Autain, Nummer zwei von „La France Insoumise“, auf X. „Seine Botschaft über die Aufnahme von Migranten ist äußerst mutig“, begrüßte auch die Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau die Botschaft des Heiligen Vaters zur Migration.

In der Führungsriege der 2021 gegründeten rechten Partei „Reconquête“ des Essayisten und Buchautors Eric Zemmour hält man sich hingegen mit Kritik an Franziskus‘ Äußerungen zur Flüchtlingskrise nicht mehr zurück. Der Papst mache „zu viel Politik“, äußerte die Le Pen-Enkelin Marion Marchéchal im Interview mit dem Fernsehsender „BFMTV“, nicht ohne hinzuzufügen: „Der Papst ist nur in Bezug auf das Dogma unfehlbar. Mit seinem Blick als Südamerikaner kennt er die Art der Einwanderung, der wir erleben, nicht.“ In üblich polemisierender Art und Weise fragte Eric Zemmour im Gespräch mit demselben Sender: „Will der Papst, dass das christliche Europa, die Wiege des Christentums, ein islamisches Land wird?“
Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen

Terroristische Bedrohung nicht ausgeschlossen

Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen werden den Papstbesuch begleiten, umso mehr, als dass zeitgleich die Rugby-Weltmeisterschaft in Frankreich stattfindet. Im Stade Vélodrome, welches am Samstagnachmittag die Messe mit dem Heiligen Vater beherbergt, fand noch am Donnerstagabend ein Gruppen-Match der Vorrunde statt.

Die Autoritäten schließen eine terroristische Bedrohung nicht aus. 5.000 Polizisten werden während des Wochenendes in Marseille patrouillieren, zusätzlich werden Einsatzkräfte der Luftstreitkräfte und der Marine im Dienst sein. Aus Sicht der Sicherheit besonders kritisch wird die Fahrt des Heiligen Vaters im offenen Wagen über die Avenue du Prado, bei der mindestens 5.000 Gläubige und Besucher erwartet werden.  DT/fha

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