Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um „5 vor 12“

Kyrills Absage kommt zur rechten Zeit

Eine Begegnung des Papstes mit dem russischen Patriarchen wäre ein Schlag in die Magengrube aller Opfer von Kyrills großrussischer Ideologie geworden.
Absage des Patriarchen Kyrill kam gerade noch rechtzeitig
Foto: IMAGO/Oleg Varov (www.imago-images.de) | Die Absage des Patriarchen Kyrill kam gerade noch rechtzeitig.

Wer aufrichtig an der Ökumene oder am Ruf des Papstes interessiert ist, darf aufatmen: Es wird Mitte September in Kasachstan nicht zu einer Begegnung des Papstes mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill kommen! Kyrill wird nicht in die kasachische Hauptstadt Nur-Sultan reisen, und das ist gut so.

Lesen Sie auch:

Kriegspropaganda

Seit einem halben Jahr hetzt der Moskauer Patriarch gegen die Ukrainer, rechtfertigt Putins Eroberungs- und Vernichtungskrieg, spinnt abstruse Verschwörungstheorien und ignoriert die Millionen Opfer der russischen „Spezialoperation“, die – nebenbei bemerkt – mehrheitlich orthodoxe Christen sind. Jedes gemeinsame Foto von Franziskus und Kyrill, jeder Handschlag, jede brüderliche Umarmung wäre angesichts dessen ein harter Schlag in die Magengrube aller Opfer von Kyrills großrussischer Ideologie.

Dabei geht es nicht um vatikanische Diplomatie oder katholische PR, sondern um Pastoral: Millionen Ukrainer, die wegen Putins Krieg und Kyrills Propaganda leiden, sehen im Papst ihren geistlichen Vater und obersten Hirten. Zudem sind die Päpste seit mehr als einem Jahrhundert stets auch so etwas wie das Gewissen der Welt – zumal in Kriegszeiten. Da wäre jede Geste einer brüderlichen Begegnung angesichts des Krieges die falsche Zeichenhandlung.

Bereits einmal ausgenutzt

Schon das Treffen von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill 2016 in Havanna war ein riskanter Ritt über dünnes Eis. Die von Moskau einseitig publizierte und instrumentalisierte Video-Konferenz von Franziskus mit Kyrill am 16. März war ein verzweifelter, letztlich fehlgeschlagener Versuch Roms, dem Patriarchen ins Gewissen zu reden.

Kluge Berater des Papstes haben daraus die Konsequenzen gezogen: Eine für Juni bereits verabredete Begegnung von Papst Franziskus mit dem Oberhaupt der russischen Orthodoxie wurde römischerseits abgeblasen. Darüber mokiert sich der russisch-orthodoxie Außenamtschef Antonij jetzt öffentlich, doch hat der Vatikan seinem eigenen Ruf und der Ökumene mit der Absage einen großen Gefallen getan.

Das Ansehen Kyrills in der Welt, in der weltweiten Christenheit und sogar innerhalb der globalen Orthodoxie ist seit 24. Februar im freien Fall. Mit ihm in den Abgrund zu springen, ergibt überhaupt keinen Sinn. Darum sollte man auch im Vatikan erleichtert sein, dass Patriarch Kyrill nicht nach Kasachstan reisen wird.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Ideologie Kyrill I. Papst Franziskus Päpste Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

Missio Aachen und Renovabis stellen gemeinsamen Länderbericht vor. Dieser benennt die Auswirkungen des Krieges auf die Religion und die christlichen Konfessionen.
26.09.2023, 15 Uhr
Meldung
Kyrill stellt sich bedingungslos an die Seite des Aggressors und seiner ideologischen Opfer. Ein Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen würde den Papst nur beschädigen. Ein Kommentar.
22.04.2022, 15 Uhr
Stephan Baier
Deutsche Politiker und kirchliche Vetreter: Das Weltfriedenstreffen von Sant'Egidio in Berlin bleibt nicht folgenlos.
24.09.2023, 07 Uhr
Oliver Gierens

Kirche

Die jetzt beginnende Weltsynode ist ein Paradebeispiel für eine selbstbezügliche Kirche. Bei allem Gerede schiebt sich eine Frage in den Vordergrund: Wer wird nächster Papst?
01.10.2023, 12 Uhr
Guido Horst
Franziskus bestellt sein Haus: 18 neue Teilnehmer für ein mögliches Konklave. Die übergroße Mehrheit des „roten Senats“ besteht aus „Bergoglianern“.
30.09.2023, 15 Uhr
Meldung
Die Frage der Finanzierung des Folgegremiums zum Synodalen Weg scheint immer noch unsicher zu sein. Konkrete Antworten, wer wieviel zahlen wird, gibt es nicht.
29.09.2023, 11 Uhr
Peter Winnemöller