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Kardinal Christoph Schönborn: Gereifte Autorität

Im provinziellen Kleinklein Österreichs wirkt Kardinal Christoph Schönborn oft genervt, auf internationalem Parkett meist befreit.
Lange galt Kardinal Christoph Schönborn als Kandidat für eine kuriale Aufgabe
Foto: dpa | Polyglott und theologisch bewandert – lange galt Kardinal Christoph Schönborn als Kandidat für eine kuriale Aufgabe.

Sein Rücktrittsgesuch hat der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, dem Papst bereits ein Vierteljahr vor seinem 75. Geburtstag, den er am Mittwoch kommender Woche begeht, in die Hand gedrückt. Einer wie Schönborn wartet nicht auf den kirchenrechtlich vorgegebenen Termin, sondern fühlt selbst, wann die Zeit reif ist; er geht auch nicht den Dienstweg, sondern klärt seine Sachen mit dem Papst persönlich.

Gesundheitliche Probleme zwingen „den Kardinal“, wie er in Österreich auch ohne Namensangabe identifiziert wird, seit vielen Monaten, leiser zu treten: Da war zunächst eine Prostatakrebsoperation im Frühling, dann ein Lungeninfarkt im Advent – in Summe ein schmerzlicher Alterungsschub. Kein Zweifel, Schönborn kokettiert nicht mit dem Amtsverzicht, der ohnedies vom Papst persönlich entschieden werden muss. Er will aufhören, die Last der Verantwortung abwerfen, eine neue und ruhigere Lebensphase beginnen.

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Mit böhmischem Migrationshintergrund

Der Österreicher „mit böhmischem Migrationshintergrund“, wie er selbst schmunzelnd über sich sagt, stammt aus altem deutsch-österreichischem Adel. Zu seiner älteren Verwandtschaft zählen Fürst- und Erzbischöfe von Würzburg, Mainz, Worms, Bamberg, Speyer, Budweis und Prag. Am 22. Januar 1945, wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs, im nordböhmischen Skalken geboren, teilt Christoph Schönborn das Schicksal vieler Heimatvertriebener. Er wuchs nach der Flucht der Familie in Vorarlberg auf, bald vaterlos, nachdem der Maler Hugo-Damian Schönborn seine Frau Eleonore und die vier gemeinsamen Kinder verließ. Das Schicksal der Heimatlosen wie der Scheidungswaisen blieb für Kardinal Schönborn zeitlebens ein emotionales Thema.

In die Wiege gelegt war ihm auch das Diplomatische, Weltläufige und Vielsprachige seiner Familie. Elegant in vielen Sprachen parlieren und sich trittsicher auf internationalem Parkett bewegen zu können, brachte Christoph Schönborn den Ruf, für eine vatikanische Rolle bestimmt zu sein. Dass er auf Auslandsreisen mitunter gelöst und befreit, zuhause dagegen vom provinziellen Kleinklein genervt und belastet wirkt, deuteten österreichische Medien von Anfang an als Ticket zu einer römischen Karriere: Als möglicher Präfekt der Glaubenskongregation wurde er immer wieder gehandelt, als „papabile“ galt er nach dem Tod Johannes Pauls II. 2005 wie nach dem Rücktritt Benedikts XVI. 2013, wenigstens in der eigenen Heimat.

Mühelos zwischen Sprachen zu wechseln, gelingt Schönborn nicht allein beim Smalltalk, sondern auch in der theologischen Debatte. Seine Kenntnis der Kirchenväter des Westens wie des Ostens, sein Wissen um den geistlichen und theologischen Schatz der Orthodoxie, seine Eloquenz im ökumenischen wie im interreligiösen Dialog sind unbestritten. Seine Liebe zu Frankreich und allem Französischen, die Leichtigkeit im Italienischen, die Eleganz, auch ein internationales Auditorium zu dominieren – all das sprach scheinbar ebenso für eine Beförderung nach Rom, wie die unbezwingbare Schwerkraft heimatlicher Nöte und Sorgen.

Groer und der Missbrauch überschatteten die Amtszeit

Hier war Schönborns bald 25 Jahre währende Amtszeit als Erzbischof von Wien vom Skandal rund um seinen Vorgänger, Kardinal Hans Hermann Groer, schwer überschattet, später dann vom Kleinkrieg mit Bischof Kurt Krenn, von der Kontroverse um die Absetzung seines im linkskatholischen Milieu überaus populären Generalvikars Helmut Schüller, und am Ende von einem vollen Jahrzehnt der Missbrauchs-Debatte. Nach anfänglicher Unsicherheit trug Schönborn höchst aktiv dazu bei, die Ära Groer dem Vergessen anheimzugeben, so umfassend, dass viele den zeitlos beliebten Kardinal Franz König für Schönborns väterlichen Freund und Vorgänger halten. Auch die Kämpfe mit Krenn und Schüller, die Zeiten nervöser Unsicherheit in Pressekonferenzen sind längst vergessen.

Auch ohne seine zahlreichen Bücher zu lesen, wissen die Österreicher, dass Christoph Schönborn ein Theologe von Format ist. Auch ohne seinen missionarischen Appellen zu folgen, anerkennen sie ihn als spirituellen Wegweiser. Dass er die Zusammensetzung der Bischofskonferenz wie den Ruf Österreichs im Vatikan geprägt hat, interessiert viele seiner Landsleute weniger als seine Aufrufe zu gesellschaftlicher Harmonie und politischer Verantwortung. In dieser Rolle, als gereifte moralische Autorität, könnte er – ähnlich dem späten Kardinal König – Österreich über seine Emeritierung hinaus erhalten bleiben.

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