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Zwölf Jahre Franziskus

Mit seinem ersten Auftritt als Papst kündigte Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 eine neue Kirchen-Ära an. Ist diese wirklich angebrochen?
Franziskus seit zwölf Jahren Papst
Foto: IMAGO/Evandro Inetti (www.imago-images.de) | Franziskus ist ein Mann der Pastoral. Die Theologie blieb ihm fremd. Vor allem ist er ein Papst, der dem „Volk“ eine fast mystische Bedeutung beimisst.

Als Papst Franziskus vor genau zwölf Jahren, am Abend des 13. März 2013, den ersten Auftritt vor einer weltweiten Öffentlichkeit absolviert hatte, da spürte jeder, dass sich jetzt etwas ändern werde. Eine neue Ära kündigte sich an. Der erste Papst aus Lateinamerika, der erste Jesuit auf dem Petrusstuhl. Ohne Mozetta, im schlichten Papstgewand. Zunächst verneigte er sich vor den Römern – als Bischof von Rom. Begrüßt hatte er sie mit „Buona sera“. Und dann noch Franziskus. Noch nie hatte sich jemand als Papst so genannt.

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„Zwölf“ ist eine biblische Zahl. Und biblisch ist auch das Alter, das Franziskus erreicht hat: 88 Jahre. Jetzt, da nach einem Monat schwerer Krankheit des unsichtbar gewordenen Papstes in allen Redaktionen die Nachrufe bereit liegen, haben auch viele eine vorläufige Bilanz gezogen: Was wird bleiben von diesem Pontifikat, was war rein zeitbedingt oder eine Geste, die nur als Bild in der Erinnerung bleiben wird? In den drei letzten kriegerischen Jahren war Franziskus der Einzige mit Weltprofil, der unermüdlich zum Schweigen der Waffen aufgerufen hat. Seine Appelle verhallten zwischen Moskau und Washington. Jetzt, vom Krankenbett aus, erlebt er vielleicht eine Wende. Aber die hat nicht er ausgelöst.

Den Lauf der Welt nicht verändert

Ebenso konsequent hat sich Franziskus zum Anwalt der Migranten gemacht. Hier ist kein Wandel in Sicht. Überall werden Migrationsströme strenger reguliert, schließen sich Grenzen und werden Abschiebelager errichtet. Im Dialog mit dem Islam hat Franziskus einen Meilenstein gesetzt. Mit dem Großimam der Al-Azhar-Moschee, einem religiösen Führer der sunnitischen Welt, hat er gemeinsam ein Manifest über die Brüderlichkeit aller Menschen herausgebracht. Heute rufen viele Imame zum Gebet für den kranken Papst auf. Aber anderswo morden Islamisten mit dem Ruf „Allahu akbar“ auf den Lippen.

Den Lauf der Welt konnte Franziskus in den vergangenen zwölf Jahren nicht verändern. Die Kirche aber schon, schließlich ist er ja der Papst. Vier Jahre werde er brauchen, so streuten 2013 Vertraute von Kardinal Bergoglio, um die Römische Kurie in den Griff zu kriegen. Er brauchte neun Jahre, um eine von Experten zwar auch kritisierte, aber immerhin maßgebende Konstitution zur Kurienreform herauszugeben. „Praedicate Evangelium“ – „Verkündet das Evangelium“ lautet ihr Titel. Das ist zwar nicht die ureigenste Aufgabe der Kurie. Die hat vielmehr als starke Achse das Rad der über die Welt verteilten Ortskirchen mit ihren Fliehkräften zusammenzuhalten. Aber die Richtung ist schon klar. 

Dem Klerikalismus den Garaus machen

Die Kurien-Konstitution „Pastor bonus“ (1988) von Johannes Paul II. ging noch ganz vom Dienst der Kardinäle aus. Deren Zusammenkünfte, die „congregationes“, gaben auch den „alten“ Kongregationen ihre Bezeichnung. Der Name wurde geändert, die Kurie teilt sich jetzt wie ein großes Amt in 16 Dikasterien, Behörden, auf. Franziskus wollte die klerikale Machtherrlichkeit der obersten Kurialen zerstören. Dass auch Laien und Ordensleute und somit Frauen in Leitungsfunktionen des Vatikans aufsteigen können, hatte es auch vor Franziskus gegeben. Und ein Nachfolger wird darüber entscheiden, in welchem Maß das weitergeht. Nun ist die für die Evangelisierung zuständige Behörde das erste der Dikasterien. Aber für Schlagzeilen sorgt nach wie vor das Dikasterium für die Glaubenslehre. Und ob das von Franziskus kleingestutzte Staatssekretariat wieder die alte Bedeutung zurückgewinnt, liegt auch in der Hand kommender Päpste.

Auch unter einem anderen Papst wäre in den vergangenen zwölf Jahren das Kardinalskollegium internationaler geworden, weil die Kirche am stärksten an den Rändern und in den jungen Ortskirchen wächst, während sie im europäischen Raum zunehmend schrumpft. Franziskus ist viel an die Peripherien gereist, um die Ortskirchen dort zu stärken. Dafür blieb ihm, das war ihm klar, weniger Zeit für die traditionell christlichen Kernländer der Kirche. Die Ausnahme: Italien. Hier hat der Papst viel Präsenz und dem Episkopat auch die Richtung gezeigt. Dass viele Bischöfe Italiens dem Druck aus Rom aber ausgewichen sind, zeigt, dass kein Papst die Kirche neu aufstellen kann.

Pastoral bei dogmatischer Unschärfe

Franziskus ist ein Mann der Pastoral. Die Theologie blieb ihm fremd. Manch einer pastoralen Geste – gegenüber den wiederverheirateten Geschiedenen oder den gleichgeschlechtlichen Paaren – haftete deshalb der Geruch einer dogmatischen Unschärfe an, was den vorher schon vorhandenen Spalt zwischen dem progressiveren und dem eher konservativen Lager in der Kirche zusätzlich vertieft hat. Wenn aber Franziskus in einer Hinsicht klar und unmissverständlich war, dann waren es die Fragen von Lebensrecht und Menschenbild, von der Abtreibung über Gender bis hin zur Sorge für die Alten und Kranken.

Vor allem ist er ein Papst, der dem „Volk“ eine fast mystische Bedeutung beimisst. Franziskus braucht Menschen um sich, nicht Bücher oder Messgewänder. Darum wird die Zurückgezogenheit, in der er seit einem Monat lebt, für ihn nur sehr schwer zu ertragen sein.

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