Vertreter vieler christlicher Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sind am Freitagnachmittag in Iznik zu einem Gebetstreffen zusammengekommen. An dem archäologischen Areal, etwa 130 Kilometer östlich von Istanbul, wo vor 1700 Jahren das Erste Ökumenische Konzil im antiken Nicäa stattfand, bekannten die Kirchenführer gemeinsam ihren Glauben. Auf einer Plattform im Iznik-See hatten sie einen unmittelbaren Blick auf die Überreste der im Jahr 740 durch ein Erdbeben zerstörten antiken Basilika des Heiligen Neofit. Die unter allen Kirchenvertretern herausragende Stellung des Papstes und des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel wurde dadurch unterstrichen, dass Leo XIV. und Bartholomaios I. gemeinsam als Letzte die Plattform betraten und sie nach der Zeremonie als Erste verließen.
Patriarch Bartholomaios, von dem die Initiative und Einladung zu dem Gebetstreffen ausgegangen war, begrüßte zunächst den Papst und dann die Vertreter der christlichen Kirchen: „Es hat uns tief bewegt, dass Sie alle unserer demütigen Einladung gefolgt sind.“ Trotz vieler Jahrhunderte der Trennung wolle man dieses Jubiläum „mit gemeinsamer Ehrfurcht und einem gemeinsamen Gefühl der Hoffnung“ begehen. „Wir sind hier, um ein lebendiges Zeugnis der gleichen Glaubenswahrheit abzulegen“, so der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, der betonte, dass „die Kraft dieses Ortes nicht im Vergänglichen“ liege, da in Nicäa „für alle Ewigkeit bezeugt wurde, dass Jesus Christus wahrer Gott vom wahren Gott, eines Wesens mit dem Vater ist“. Das Kreuz sei für die Christen „unser paradoxes Zeichen des Sieges“ und die höchste Offenbarung der Weisheit und Kraft Gottes. Bartholomaios beendete seine Ansprache mit einem Appell zur wechselseitigen Liebe der Christen.
Auch heute steht der Glaube auf dem Spiel
Papst Leo XIV. betonte neuerlich die historische Bedeutung des Konzils von Nicäa im Jahr 325 und verurteilte den Arianismus: Jesus Christus „auf eine Art charismatischen Anführer oder Übermenschen zu reduzieren“, sei eine „Fehlinterpretation, die letztlich zu Traurigkeit und Verwirrung führt“. Arius habe die Göttlichkeit Christi geleugnet und ihn damit auf einen einfachen Mittler zwischen Gott und den Menschen reduziert, er „ignorierte dabei die Wirklichkeit der Menschwerdung, sodass das Göttliche und das Menschliche unüberbrückbar voneinander getrennt blieben“, so der Papst. Und weiter: „Aber wenn Gott nicht Mensch geworden ist, wie können die Sterblichen dann an seinem unsterblichen Leben teilhaben?“ Nicht nur vor 1700 Jahren, sondern auch heute stehe „der Glaube an den Gott, der in Jesus Christus einer von uns geworden ist, um uns Anteil an der göttlichen Natur zu geben“, auf dem Spiel, sagte Leo XIV.
Der Papst betonte zugleich die ökumenische Dimension des christologischen Glaubensbekenntnisses: Es sei „von grundlegender Bedeutung auf dem Weg, den die Christen hin zur vollen Gemeinschaft gehen“, ja es sei sogar „eine tiefe Verbindung, die bereits alle Christen vereint“. Die Hingabe an das in Jesus Christus geoffenbarte Wort Gottes sei der Weg, um „das Ärgernis der leider noch bestehenden Spaltungen zu überwinden und den Wunsch nach Einheit zu nähren“, so Leo XIV. „Je mehr wir untereinander versöhnt sind, desto mehr können wir Christen ein glaubwürdiges Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi geben, das eine Botschaft der Hoffnung für alle ist, eine Botschaft des Friedens und der universalen Brüderlichkeit.“ Ohne auf das Moskauer Patriarchat namentlich einzugehen, verurteilte Papst Leo XIV. nachdrücklich das „Heranziehen von Religion, um Krieg und Gewalt zu rechtfertigen“.
Ökumene und interreligiöser Dialog
Nach der Ansprache des Papstes beten die Vertreter aller anwesenden Kirchen und Gemeinschaften in Iznik gemeinsam das nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis. Die Kirchenhäupter beteten sodann in mehreren Sprachen, aber gemeinsam das Vaterunser. Neben zahlreichen Vertretern der katholischen und der orthodoxen Kirchen waren auch alle anderen in der Türkei aktiven Kirchen vertreten, darunter die syrisch-orthodoxe, die armenisch-apostolische und die koptische Kirche, aber auch Protestanten und Anglikaner.
Vor der ökumenischen Begegnung in Iznik traf Papst Leo XIV. den türkischen Oberrabbiner, David Sevi, am Freitagmittag in Istanbul zu einer viertelstündigen Unterredung ohne Medien. Am Tag zuvor war es in Ankara zu einer Unterhaltung zwischen dem Papst und dem neuen Präsidenten des staatlichen Religionsamtes Diyanet, Safi Arpagus, gekommen.
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