Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kölner Hochschule für Katholische Theologie

Die Pointe des Glaubens

Von Christus hängt das Heil ab: Eine Tagung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie beleuchtet die Geschichte des Konzils von Nizäa.
Konzil von Nizäa
Foto: Adobe Stock | Der Streit um das Christusbekenntnis ging gut aus: Das Konzil von Nizäa, hier dargestellt in der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, gehört zu den Erfolgsgeschichten der Kirche.

Zünden Irrlehren unter Christen besser als der überlieferte Glaube der Kirche? Bei der Tagung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie „Glaube macht Geschichte“ anlässlich des 1700-jährigen Konzilsjubiläums von Nizäa billigte der Kirchenhistoriker Dominik Heringer am Mittwoch dem häretischen Presbyter Arius (260–327) durchaus Charme zu. Irrlehren seien nicht selten leichter glaubbar gewesen als Konzilsbeschlüsse. Die Konzilsväter von Nizäa bekannten im Jahr 325, dass Jesus der Sohn Gottes ist, denn er ist „aus dem Wesen (ousia) des Vaters […] gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens (homooúsios) mit dem Vater“. Mit dieser Definition wurde die These des Arius, Gott selbst sei nicht gezeugt und somit könne der Sohn Gottes nicht Gott im selben Sinn wie der Vater sein, zurückgewiesen. Um die Wahrheit des Glaubens auszudrücken, gebrauchte das Konzil zwei nichtbiblische Begriffe, „Wesen“ (ousia) und „eines Wesens“ (homooúsios). Damit gelang den Konzilsvätern eine doppelte Präzisierung: Sie blieben, wie Papst Leo in seinem am Sonntag veröffentlichten Apostolischen Schreiben „In unitate fidei“ (siehe S. 11) schreibt, „dem biblischen Monotheismus und dem Realismus der Menschwerdung ganz treu“ und grenzten den biblischen Glauben mit Hilfe griechischer Begriffe vom Irrtum des Arius ab. Der Dogmatiker Manuel Schlögl bezeichnete das Gottesbekenntnis von Nizäa als „revolutionär“ gegenüber dem Judentum.

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Die hohe Kontinuität zwischen jüdischer Überlieferung und neutestamentlichen Aussagen über den Gottessohn hob der in Sankt Georgen lehrende Alttestamentler Dieter Böhler SJ am Beispiel der im Alten Testament beschriebenen Erscheinungsweisen Gottes in der Welt und der alttestamentlichen Namenstheologie hervor. Gott begegnet dem auserwählten Volk als Weisheit, Wohnung, Wort, Herrlichkeit, Felsen und Engel. Diese Namen hätten „wahre Anwesenheit Gottes auf Erden“ ausgedrückt, aber so, dass Gottes transzendentes Wesen größer bleibe als die Erscheinung. Ausdrücke wie das „Wort“ oder die „Wohnung“ gelten Böhler zufolge dem Mittler zwischen Gott und Schöpfung, der selbst Gott sei, „aber kein zweiter neben ihm, sondern ‚Gott von Gott‘ – homooúsios und doch ein Gegenüber“.

Der Vater ist einfachhin Gott

Diese „gewollte Differenz in Gott“ sei von Gott geliebt, wie der Vater den Sohn liebe und keine Verneinung Gottes. Böhler zog die Linien von der vorchristlichen jüdischen Theologie zum Konzil von Nizäa aus: Dieses habe mit dem Neuen Testament und dem hellenistisch-jüdisch gedeuteten Alten Testament eine Wesensgleichheit von Gott und seinem Wort formuliert, die vorchristliche jüdische Theologie gewesen sei. Auf die kritische Nachfrage, ob er die Kontinuität zwischen Altem und Neuem Testament nicht überziehe, schlug Böhler einen Bogen von alttestamentlichen Aussagen zum Prolog des Johannesevangeliums: „Jesus ist Gott von Gott. Das ist der Vater nicht. Der ist einfachhin Gott“.

Der Alttestamentler ermutigte die zahlreich erschienenen Studenten, sich nicht auf Bibelübersetzungen zu verlassen, sondern Schrifttexte im Original zu lesen. Als Beispiel für wichtige sprachliche Nuancen führte er Schriftstellen über den „Engel des Herrn“ an, der zu Abraham, Mose und anderen spricht und „kein anderer als Gott selbst ist“. Ohne jede Botenformel, so Böhler, spreche der Engel Jahwes „im göttlichen Ich“, als ob er sich mit Jahwe identifiziere, während er an anderen Stellen in der dritten Person von Jahwe rede, als ob er sich von Jahwe unterscheide. Das Schillern zwischen Identität und Differenz in der Rede des Engels Jahwes drücke aus, dass Gott und seine Erscheinung eins seien, „und doch ist Gott größer als seine Erscheinung“.

Kein Verweis auf Israel im nizänischen Glaubensbekenntnis 

Wie sich die Konzilsväter andererseits vom Judentum abgrenzten, beschrieb der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück am Beispiel des Osterfesttermins: Die Entscheidung, den Termin des Osterfestes vom jüdischen Kalender – dem 14. Nisan – ein für alle Mal abzukoppeln, bewertete er als eine „deutlich antijüdische Stoßrichtung“ und Weichenstellung, die tief in die Memorialkultur beider Glaubensgemeinschaften eingreife und sie auseinandertreibe. Dem Gesetz des Betens der Kirche sei so strukturell „eine deutliche Israelvergessenheit“ eingeschrieben worden.

Tück wies darauf hin, dass sich im nizänischen Glaubensbekenntnis kein Verweis auf Israel findet. Als eigentliche Leistung des Konzils bezeichnete der Dogmatiker das symmetrische Verhältnis, das erstmals Teil des Gottesbegriffs geworden sei. Gott sei ein Gott in Beziehung von Vater und Sohn. Damit knüpften die Konzilsväter auch an Aussagen des hellenistischen Judentums an, die Gott ebenfalls in Beziehung zu vorweltlichen Größen wie der Weisheit oder dem Wort Gottes setzen. „Das ist ein Moment der Kontinuität zu den jüdischen Wurzeln, das in den dogmatischen Lehrbüchern zumeist übersehen wird“, stellte Tück fest.

Auch wenn Arius sich in weiten Strecken auf biblische Stellen beziehe, habe er die Pointe des christlichen Glaubens verfehlt, wenn er das Wesen des Sohnes unterordne und von einer Wesensfremdheit zum Vater ausgehe: „Damit ist die Offenbarungstheologie angetastet und die Soteriologie und das Proprium des christlichen Gottesverständnisses“. Denn Christen glauben an den dreieinen Gott. Und wie sollte Christus, wenn er nicht selbst Gott wäre, den Menschen erlösen und das Tor zur Herrlichkeit Gottes öffnen können? Diesen blinden Fleck des Arius beleuchtete auch der Mainzer Kirchenhistoriker Claus Arnold.

Sind die Arianer auch heute unter uns?

Zweifellos: Nizäa war kein Selbstläufer. Heringer beschrieb die nachkonziliare Rezeptionsgeschichte als Geduldsprobe: Zwar habe der Arianismus zu keinem Zeitpunkt die Mehrheit der Bischöfe und auch nur wenige Konzilsväter hinter sich gehabt, doch sei die Irrlehre des Arius nach dem Konzil erstarkt, als die schwankende Mehrheit der Konzilsteilnehmer sich gegen die zugespitzte Auslegung des nizänischen Credos durch Alexander von Alexandria und seinen späteren Nachfolger Athanasius gewehrt habe. Arnold bescheinigte Athanasius theologische Defizite und grenzte sein Denken von dem ab, „was wir heute als rechtgläubige Trinitätslehre ansehen“. Gegen Ende seines Lebens habe sich der Bischof von Alexandria theologisch doch noch mit Leuten verständigen müssen, die er zuvor tendenziell als Arianer angesehen hatte.

Somit verdient das postkonziliare Ringen der Alten Kirche um die Christologie und die Trinität auch heute Respekt. Stefanos Athanasiou, Professor für Systematische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, würdigte die Bereitschaft der Konzilsväter, für die Lehre zu kämpfen, weil sie darin die ganze Heilswahrheit auf dem Spiel gesehen hätten. Ihre Standhaftigkeit sei kein Zeichen von Rechthaberei gewesen, sondern von Verantwortungsbewusstsein für das Heil der Menschen. Der orthodoxe Theologe unterstrich den Wert der Orthodoxie als Freiraum, in dem die Kirche atmen, glauben und beten könne, ohne sich im Labyrinth der Meinungen zu verlieren. „Im Dogma von Nizäa – ‚wahrer Gott vom wahren Gott‘ – liegt eine Botschaft der Befreiung“, so Athanasiou. Gott selbst habe sich in Christus für die Menschen hingegeben, um sie an seinem Leben teilhaben zu lassen. Das Dogma befreie von der Angst, sich letztlich selbst überlassen zu bleiben, und vor falschen Gottesbildern. Dogmentreue sei daher nichts Starres, sondern ein „Festhalten an der offenen Tür, die Gott uns geschaffen hat.“ Dass diese Treue zur Wahrheit kein historisches Verdienst des Klerus ist, deutet Papst Leo in seinem aktuellen Apostolischen Schreiben mit einem Zitat des heiligen Hilarius von Poitiers an: Dieser habe die Rechtgläubigkeit der Laien gegenüber dem Arianismus vieler Bischöfe bezeugt und anerkannt, dass „die Ohren des Volkes heiliger sind als die Herzen der Priester“.

Verstellen alte Häresien heute den Blick auf diese offene Tür? In der Diskussion fragte Heringer, ob sich der Arianismus erledigt habe, lasse doch die Glaubenspraxis in Deutschland vermuten, dass wir „mehr unbewusste Arianer in unseren Gemeinden haben, als uns lieb ist“. Unterkomplexes sakramentales Denken, die starke Betonung der Menschheit Jesu und die in vielen Pfarreien unterlassene eucharistische Anbetung deuten seiner Auffassung nach auf den fehlenden Glauben an die Wesensgleichheit Jesu mit Gott hin. Tück antwortete zur „Ehrenrettung“ des Arius, dieser sei weit von dem entfernt gewesen, „was heute unter Neoarianismus verhandelt wird“. Zugleich räumte Tück ein, dass viele Gläubige heute große Schwierigkeiten mit dem Glauben an den Gottessohn hätten. Böhler zufolge ist für viele Gläubige des Westens nicht erkennbar, was die Trinitätstheologie und die Christologie mit ihrem eigenen Heil und ihrer Religionspraxis zu tun haben und letztlich ohne Relevanz, „weil es schlicht unverstanden bleibt“. Es braucht Übersetzer der Lehre in den Alltag, die dem lebendigen Christus in der Welt ein Gesicht geben. Für Athanasiou war klar, wer diese Rolle ausfüllen kann: „Wir brauchen Heilige“.

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