Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Konsistorium im Vatikan

Konsistorium: Roms Senat als Vorbild

Über das Konsistorium, das Ende August im Vatikan stattgefunden hat, wird kontrovers diskutiert. Eine Bestandsaufnahme aus historischer und rechtlicher Sicht.
Blick auf Forum Romanum
Foto: imageBROKER/Frank Schneider via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Blick auf das Forum Romanum. Der schmucklose Bau in der Mitte zeigt die Kurie der Römer, in dem der Senat zusammenkam. Sie diente als Vorbild für die päpstliche Verwaltung und vermachte der Römischen Kurie ihren Namen.

Am Tag vor einem Konsistorium, der Versammlung der Kardinäle unter dem Vorsitz des Papstes, begab sich in früheren Zeiten der Dekan der Apostolischen Boten zum Papst und stellte die Frage: „Sanitas et longa vita, Beatissime Pater! Cras erit consistorium? – Gesundheit und langes Leben, Heiliger Vater! Wird morgen ein Konsistorium stattfinden?“ Der Papst antwortete mit den Worten „Erit consistorium – Es wird ein Konsistorium stattfinden“ und fügte die Stunde hinzu, in der er die Versammlung abzuhalten gedachte. Die Apostolischen Boten begaben sich daraufhin zu den Kardinälen und machten ihnen davon Mitteilung. Dieses Ritual am Päpstlichen Hof besaß ein altes Vorbild. Auf ähnliche Art und Weise wurden im Rom der Cäsaren die Versammlungen des Senats oder gewichtige Senatsausschüsse einberufen.

Die Päpste sollten die Kurie der alten Römer nachahmen

Die Kardinäle gelten als Senatoren des Papstes, ihr Kollegium wird in geschichtlichem Zusammenhang mit dem altrömischen Senat gebracht. In der römischen Republik lag das Geschick des Staates über Jahrhunderte hinweg vornehmlich in den Händen dieser mächtigen Institution, die einst das Handeln der antiken Weltmacht prägte. Mit Augustus (63 v. Chr.–14. n. Chr.) trat dann jedoch ein entscheidender Paradigmenwechsel ein. Zwar wurde die Fiktion einer republikanischen Verfassung und der Bedeutung des Senats offiziell beibehalten, doch betrieb der Großneffe Cäsars die Umwandlung der Republik in eine Monarchie, wobei er seine Rolle geschickt mit der Bezeichnung „Prinzipat“ (lateinisch von „princeps – der Erste“) bemäntelte.

Lesen Sie auch:

Eines seiner Herrschaftsinstrumente war das „consilium principis“, das sich aus den „amici principis“, den „Freunden des Princeps“, entwickelt hatte. Es bestand aus Augustus, den beiden Konsuln und 15 Senatoren. Unter Diokletian (284–305) wurde das Gremium, das dem Kaiser zur Seite stand, ebenso wie der Senat zu einer Formalität, die den römischen Imperator deutlich als Alleinherrscher aufzeigte. Es fand seine Definition in der Bezeichnung „consistorium“, abgeleitet von „consistere – hinzutreten, zusammentreten“. Dies hieß im Klartext: die Mitglieder des Konsistoriums hatten vor dem Kaiser zu stehen, während dieser und seine Familie saßen. Alle Gewalt lag nun bei den Cäsaren – bei ihnen allein.

„Quid vobis videtur?"

Von dem Kirchenlehrer Petrus Damiani (1006–1072) stammt die Forderung, die katholische Kirche müsse in ihrer Verwaltung die antike Kurie der Römer nachahmen. Sie hat dies getan – und tut es noch heute. Und so sollte der Papst mit dem Aufkommen des Kardinalskollegiums dieses als seinen Senat in der Mitwirkung an der Verwaltung der Kirche in Anspruch nehmen, vornehmlich durch die Abhaltung von regelmäßigen Konsistorien.

Ursprünglich wurden die wichtigsten kirchlichen Belange nur bei den Konzilien beraten und entschieden. Im Pontifikat Papst Innozenz' II. (1130–1143) kam jedoch eine bedeutsame Änderung zum Tragen. In der Auseinandersetzung um die Lehre des Kanonikers Abaelard legte der Papst die Prüfung, Diskussion und Entscheidung hierüber in die Kompetenz eines Konsistoriums. Mit Alexander III. (1159–1181) begann dann die Zeit, in der für die Kirche bedeutsame Beschlüsse immer mehr in Konsistorien gefasst wurden. Vor jeder wichtigen Entscheidung stellte der Papst die Frage: „Quid vobis videtur – Was meint Ihr hierzu?“

Nur noch eine feierliche Promulgation

Ab der im 16. Jahrhundert erfolgten großen Kurienreform Sixtus' V. (1585–1590), die zur Verwaltung der Gesamtkirche die Kongregationen einrichtete, war das Konsistorium „nur noch ein feierlicher zeremonieller Akt, welcher beibehalten wurde, um das Bild des früheren kurialen Lebens vor den Augen der Gegenwart lebendig darzustellen“ (Nikolaus Hilling). Was früher von den Kardinälen in dieser Versammlung debattiert und beschlossen wurde, wurde jetzt an anderer Stelle entschieden und erfuhr in einem Konsistorium nur noch seine feierliche Promulgation. Zwar blieben die Erwählung neuer Mitglieder des Kollegiums der Kardinäle und die Heiligsprechungen in gewissem Sinne in die Entscheidung dieser Versammlung gelegt, jedoch symbolisch, mit mehr oder weniger konsultativem Charakter.

Bis in die Neuzeit änderte sich nicht viel an diesem Prozedere. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben in ihren Pontifikaten die Kardinäle wieder stärker in ihre Entscheidungen eingebunden. Beide Päpste legten Wert auf Außerordentliche Versammlungen der Purpurträger, um deren Meinung zu gewichtigen Themen des Glaubens und der Gemeinschaft der Gläubigen einzuholen. Benedikt XVI. sah in seinem Senat eine Einrichtung, „die unmittelbar und beständig mit dem Nachfolger Petri zusammenarbeitet und ihn bei der Ausübung seines universalen Dienstes unterstützt“. Doch das Agieren der Konsistorien blieb auch unter ihnen rein beratend.

Päpste erschaffen Kardinäle als ihre „Kreaturen“

Papst Franziskus zeigte bereits in den ersten Monaten seines Pontifikates, wie er auf die Mitglieder des Kardinalskollegiums setzt. Im April 2013 berief er für eine Reform der Römischen Kurie einen achtköpfigen Kardinalsrat ein, dem er im September desselben Jahres mit einem päpstlichen Handschreiben einen rechtlichen Status gab. Die Erinnerung an die amici principis und des consilium principis, die uns aus den Zeiten des Augustus vertraut sind, kam auf.

Man mag zu Recht an der Einberufung und Durchführung von Konsistorien Kritik äußern oder den Wert ihrer Bedeutung für das kirchliche Leben infrage stellen. Auch die Zusammensetzung des Kollegiums der Kardinäle braucht sich keiner Diskussion zu entziehen. Doch eines sollte, muss bedacht werden.

Kardinäle sind vom Herzschlag des Papstes abhängig

So wie man die Senatoren des kaiserlichen Rom als „pars corporis imperatoris – Teil des kaiserlichen Leibes“ ansah, so werden die Kardinäle als „pars corporis papae – Teil des päpstlichen Leibes“ betrachtet. Sie sind demnach vom Herzschlag des Papstes, von seiner Person abhängig. Ihre Existenz findet in einer anderen Formulierung noch eine weitaus schärfere Prägung. Sie sind „Kreaturen“ des Papstes. Der Heilige Vater ernennt sie nicht einfach, er kreiert, er „erschafft“ sie.

Und so unterliegen der Senat des Papstes und die Konsistorien der freien Verfügbarkeit des römischen Pontifex. Über sie und mit ihnen handelt er ohne jegliche Einschränkung, in absoluter Souveränität. Er ist der Herr der Materie. Ob seine diesbezüglichen Handlungen immer klug und sinnvoll sind, dies steht auf einem anderen Papier.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Ulrich Nersinger Alexander III. Augustus Benedikt XVI. Das Römische Reich Diokletian Johannes Paul II. Kardinäle Konsistorium Papst Franziskus Petrus Damiani Päpste Vatikan

Weitere Artikel

Zeit des Übergangs: Die Jahrzehnte zwischen dem Konzil von Nicäa (325) und dem von Konstantinopel (381) – Erster Teil.
31.10.2023, 19 Uhr
Christoph Münch

Kirche

Das römische Dokument „Dignitas infinita" lädt ein, aus der Fülle der Identität als Erben Christi zu leben, statt eigene Identitäten zu konstruieren. 
26.04.2024, 17 Uhr
Dorothea Schmidt
Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig