Es ist ein sonderbarer Tag in Rom: Italien feiert das „Fest der Befreiung“ (von den Deutschen) – zum 80. Jahrestag des Kriegsendes absolvieren die Staatsspitzen das übliche Programm mit Kranzniederlegungen und feierlichen Minen. Und Italien trauert – aufrichtig! – um den toten Papst, an dem heute zum letzten Mal Zehntausende im Petersdom vorbeidefilieren.
Hinter den heiligen Mauern kursiert das Bonmot, Franziskus habe auch nach seinem Tod nicht im Vatikan bleiben wollen. Tatsächlich ist seine Beisetzung in einem neuen Grab in Santa Maria Maggiore eine Änderung des jahrzehntelangen Brauchs, Päpste in der Nähe der sterblichen Überreste Petri in den Grotten der Petersbasilika zu bestatten.
50 Staats- und Regierungschefs werden erwartet
Ab Sonntag können ihm die Gläubigen in der Marienbasilika auf dem Esquilin-Hügel die letzte Ehre erweisen. Nach dem Requiem morgen um 10 Uhr wird der Leichenzug in einer Prozession durch das Zentrum Roms zur neuen Grabstätte in Santa Maria Maggiore geleitet. Dort wird der Sarg auf den Stufen der Marienkirche von einer größeren Gruppe von ausgewählten „Ausgegrenzten“, von Armen und Obdachlosen, in Empfang genommen.
Zu der feierlichen Beisetzung werden 50 Staats- und Regierungschefs – ohne Putin und ohne Netanjahu – erwartet, ein informelles Gipfeltreffen der besonderen Art. Zu ihnen gehört auch Präsident Donald Trump, der seine Reise nach Rom zu einem Treffen mit den Großen der Welt nutzen will. Er wird heute Abend am Flughafen Fiumicino eintreffen, aber erst morgen Nachmittag abreisen. Nach den jüngsten Informationen gibt es noch keine offizielle Tagesordnung für mögliche Treffen mit Trump. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni möchte vermeiden, dass ihr Ursula von der Leyen zuvorkommt, die den Präsidenten in der Frage der Zölle direkt von Angesicht zu Angesicht treffen will, ohne auf italienische Vermittlung angewiesen zu sein.



Was die Kardinäle betrifft, so gehen die Diskussionen in den Kongregationen weiter, was auch eine wertvolle Gelegenheit ist, sich gegenseitig kennen zu lernen. Gestern wurde 34 Purpurträgern in der Synodenaula das Wort erteilt. Das vatikanische Presseamt hat angekündigt, dass die Entscheidung über die Teilnahme des vom Vatikangericht verurteilten Kardinals Angelo Becciu am Konklave nach dem morgigen Begräbnis auf der Tagesordnung steht.
Franziskus-Nachfolge: Die Spekulationen überschlagen sich
In den Zeitungen überschlagen sich die Spekulationen. Der „Corriere della Sera“ widmet eine ganze Seite dem philippinischen Kardinal Luis Tagle, der als Pro-Präfekt des nun als Vatikan-Behörde Nummer eins gelisteten Dikasteriums für die Evangelisierung eine gewisse Sonderrolle in der Kurie genießt. Die Tageszeitung „Il Fatto quotidiano“ meint, der Kardinal von Marseille, Jean-Marc Aveline, und der Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo Besungu aus dem Kongo, seien die Papstkandidaten, die neben dem Kardinal von Bologna, Matteo Zuppi, der einflussreichen Gemeinschaft Sant'Egidio besonders am Herzen liegen.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, mutmaßt das Intelligenzblatt „Il Foglio“, soll der Wunschkandidat der regierenden „Fratelli d'Italia“ von Giorgia Meloni sein. Motto: „Lo volemo romano o almeno italiano“ – „Wir wollen einen Römer oder zumindest einen Italiener“. Das hatte das Volk der Römer nach der avignonesischen „Gefangenschaft der Päpste“ gegen Ende des 14. Jahrhunderts den wählenden Kardinälen zugerufen. Warte man es ab. Noch haben die Generalkongregationen der Kardinäle nicht entschieden, ob das Konklave am Montag, den 5. Mai, oder einen Tag später am Dienstag beginnen wird.
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