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Diego von Bergen: Botschafter des NS-Regimes im Vatikan

Diego von Bergen war der erste deutsche Botschafter im Vatikan. Entgegen älterer Forschung zeigt die Studie von Gregor Wand auf, dass der Diplomat ein Anhänger des NS-Regimes war – und damit ein Gegenspieler des Papstes.
Diego von Bergen
Foto: Wikiwand | Joachim von Ribbentrop mit dem Apostolischen Nuntius Cesare Vincenzo Orsenigo (links) bei einem Neujahrsempfang in Berlin.

Das Foto vom 20. Juli 1933 hat es in die Geschichtsbücher geschafft: Mit nicht wirklich glücklicher Miene sieht man im höfischen Ambiente des Vatikan Kardinals-Staatssekretär Eugenio Pacelli (umgeben vom späteren Paul VI. und zwei künftigen Kardinälen) und den deutschen Vizekanzler Franz von Papen bei der Unterzeichnung des Reichskonkordates. Bemerkenswert, wer dabei war, und wer nicht: Der neben von Papen sitzende Prälat Ludwig Kaas, dessen Zentrums-Partei sich drei Tage vorher selber aufgelöst hatte, müsste eigentlich auf der anderen Seite des Tisches sitzen, denn er hatte zum vatikanischen Verhandlungsteam gehört. Stattdessen hätte aber neben von Papen der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl seinen Platz gehabt, doch Diego von Bergen (1872-1944) hatte es vorgezogen, eine Kur im sächsischen Bad Brambach anzutreten.

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Nur Protestanten durften Botschafter im Vatikan sein

Von Bergen, der seinen Vornamen der iberischen Mutter verdankte, war ungewöhnlich lange auf Posten in Roms schwarzer Botschaft vertreten: von 1919 als letzter Gesandter Preußens, von 1930 bis 1943 dann als Botschafter des Deutschen Reiches. Er konnte für sich in Anspruch nehmen, dienstältester deutscher Botschafter überhaupt, aber auch seit 1930 Doyen des im Vatikan akkreditierten diplomatischen Corps gewesen zu sein. Saul Friedländer, in seinem Werk „Papst Pius XII. und das Dritte Reich“, nennt ihn „offenbar für die nationalsozialistische Mystik nicht empfänglich“. Auch andere Forscher behaupten eine Distanz zur braunen Ideologie. Dieses Urteil wird man nach der Lektüre von Gregor Wands gründlicher Studie zur Amtstätigkeit des evangelischen Juristen, der seit 1939 Mitglied der NSDAP war, nicht teilen können.

Wand geht seine Aufgabe so an, dass er zunächst einen nützlichen Überblick über die preußisch-deutsche Vatikan-Politik und über die personellen Netzwerke der auf deutscher Seite damit befassten Politiker und Diplomaten gibt. Über lange Zeit war klar, dass nur evangelische Christen an der Vatikan-Vertretung Dienst tun durften. Bei aller vorurteilsbeladenen Abneigung gegenüber den „Schwarzen“ dämmerte es schon dem Vorgänger von Bergens, Otto von Mühlberg, dass gut vorbereitet sein müsse, wer es mit den vatikanischen Monsignori auf sich nehmen will: „Für einen im Protestantismus und in dem Glauben an Treu und Redlichkeit aufgewachsenen Norddeutschen wird es immer unmöglich sein, von dort aus das Wesen der Kurie zu erfassen“.

Ein Monarchist

Wand spricht von „Spezialisierungstendenzen in der Rekrutierungspraxis“. Von Bergen hatte sich bereits zwölf Jahre lang mit vatikanischen Angelegenheiten befasst und war mit Zentrumsführer Erzberger bekannt, als er 1919 nach Rom ging. Der Diplomat bekannte sich klar als Monarchist und hielt am Großmacht-Status Deutschlands fest, darin ein typisches Produkt seiner Herkunft und Erziehung. Harry Graf Kessler, der scharfe Beobachter der Weimarer Republik, notierte über die miteinander vielfältig versippte Elitegruppe, die in der deutschen Diplomatie weiter das Sagen hatte: „Genau dieselbe Familienklique hat die Macht inne wie vor dem Kriege und während des Krieges.“

Wohl aus Gründen des Machterhaltes, doch auch, um sich im polykratischen NS-Herrschaftsgefüge behaupten zu können, initiierte der nach 1933 zunächst weiter amtierende Außenminister Konstantin von Neurath eine „Selbstgleichschaltung“ des Auswärtigen Amtes, in deren Zuge auch ein Diego von Bergen der Partei beitrat, aber zugleich fachfremde, altgediente Nazis zum auswärtigen Dienst fanden.

Umgang wird robuster

Ton und Stil änderten sich nun in der deutschen Vatikan-Botschaft, wie der Kirchenhistoriker Hubert Jedin, damals zur Habilitation in Rom, festhält: „Am krassesten war das Verhalten der Botschaft beim Vatikan (.) Offensichtlich wollte er (= von Bergen) mit mir nichts mehr zu tun haben. Dank der Beziehungen der Familie seiner Gattin zu Hitler und großzügigen Weinspenden für die durstigen Kehlen der römischen SA konnte er sich noch fast ein Jahrzehnt behaupten.“ Himmler und Goebbels sind Gäste des Botschafters und finden an seiner Einstellung nichts auszusetzen. Man liest mit Beklemmung, wie NS-Denken und Sprachgebrauch subkutan einsickern in die Depeschen von Bergens. Während die Hitler-Jugend im Garten der Botschaft Wehrsportübungen abhält, wird auch der Umgang mit dem Vatikan robuster. Auf Drängen der Botschaft verliert der Rektor des Kollegiums Germanicum et Hungaricum, Constantin Noppel SJ, seinen Posten, weil er 1935 eine Wallfahrt katholischer deutscher Jungscharen empfangen hatte. Botschafter von Bergen kündigt im selben Jahr die bevorstehende Verhaftung von Bischof Petrus Legge von Meißen wegen (vorgetäuschter) Devisendelikte an und muss zur Kenntnis nehmen, dass die Stimmung im Vatikan sich nun klar gegen Deutschland richtete.

Justizminister Hans Frank erhält bei seinem Rom-Besuch 1936 keine Papst-Audienz. Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ 1937, von der die Botschaft nichts hatte läuten hören, wurde als Gesichtsverlust gewertet. Während Goebbels wütete – „Die Pfaffen verstehen unsere Langmut und Milde nicht. Nun sollen sie unsere Strenge (...) kennenlernen“ – wurde dennoch von NS-Seite niemals ernsthaft an die Beendigung der diplomatischen Beziehungen mit dem Hl. Stuhl gedacht. Man nahm widerwillig zur Kenntnis, dass der Vatikan in der Lage war, die Weltmeinung zu beeinflussen, ja sich mit einigem Recht als Teil des Weltgewissens fühlen konnte. Zumindest für die Dauer des Krieges wollte Hitler diesen Kampf nicht weiter austragen.

Die Stimmung im Vatikan richtete sich gegen Hitler

So wie das Auswärtige Amt insgesamt die Gewaltpolitik des Regimes mittrug, galt dies auch, auf der römischen Bühne, für Hitlers dienstältestem Botschafter. Von Bergen bekam mit, dass das faschistische Italien, das mit den Lateranverträgen 1929 seinen Frieden mit der Kirche gemacht hatte, mit steigendem Unverständnis auf den Furor reagierte, mit dem die Nazis auf die katholische Kirche einwirkten. Die Hinweise und Warnungen des Botschafters wurden in Berlin aber nicht zur Kenntnis genommen. Es geht hier auch um unterschiedliche Psychen der romanischen und germanischen Seele. Noch einer früheren Phase einer versuchten Verständigung gehören die Verhandlungen um das Reichskonkordat an. Das Rätsel um die Nicht-Teilnahme des Botschafters an der Unterzeichnung lässt sich leicht lösen: Er war, so Wand, auch nicht an der Aushandlung des Abkommens beteiligt.

Vizekanzler Franz von Papen war die tonangebende Figur auf deutscher Seite. Er wollte Hitler beweisen, dass man mit den Katholiken zu einem Ausgleich kommen könne, aber auch, dass er, von Papen, dabei eine entscheidende Rolle spiele. Die Diplomaten wie von Bergen wurden umgangen und waren verstimmt: „Nach ihrer Auffassung räumte der am 20. Juli 1933 unterzeichnete Vertrag (...) der katholischen Kirche allzu weitreichende Rechte und gesellschaftliche Spielräume ein, mit deren entschlossener Verteidigung durch den Heiligen Stuhl gerechnet werden musste.“ Auch war von Bergen bereits bei Abschluss des Konkordats bewusst, dass er sich vor vatikanischen Stellen später für Verletzungen der Bestimmungen würde rechtfertigen müssen.

Konkordat gilt fort 

Für den Botschafter war der Abschluss einer völkerrechtlich bindenden Vereinbarung gleich zu Beginn des NS-Zeitalters verfrüht. Welche Ironie, dass das Konkordat bis heute gilt! Von Bergen meinte, dass seine gegenüber Staatssekretär Pacelli im Februar 1933 gegebene Versicherung, die neue deutsche Führung sei nicht anti-christlich eingestellt, genügen müsse: „Hitler ist gebürtiger Katholik, von Neurath ist preußisch è nato come prussiano del tutto onesta, von Papen ist cattolicissimo“, das reiche an Garantien. Es genügte aber eben nicht.

Wands materialreichem und sehr instruktivem Werk ist zu entnehmen, dass der Vatikan nach einer kurzen Phase der Orientierung wusste, mit wem er es bei den neuen Deutschen zu tun hatte. Das Buch ist auch deswegen von Interesse, weil es aus den Akten belegt, dass die Diplomaten des Reiches, mit ganz wenigen Ausnahmen, zu denen Diego von Bergen nicht gehört, bereitwillig dem Regime dienten.


Gregor Wand: Der Diplomat und die Päpste – Die Mission des ersten deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl – Diego von Bergen (1920-1943).
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2021, 254 Seiten, ISBN 978-3-506-76050-0, EUR 69,-

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