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Als der Papst purpurrot sah

Franziskus rächt sich an dem amerikanischen Kardinal Raymond Leo Burke. Eine Geschichte wie aus den Zeiten des „Grafen von Monte Christo“.
Kardinal Burke wird vom Papst seine Wohnung und sein Gehalt genommen.
Foto: Grzegorz Galazka via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Kardinal Raymond Leo Burke wird vom Papst seine Wohnung und sein Gehalt genommen. Das ist eine sehr problematische Entscheidung des Papstes.

Schon die Form war unmöglich: Über Indiskretionen war aus dem jüngsten Treffen der Leiter der vatikanischen Dikasterien mit dem Papst bekannt geworden, dass Franziskus den amerikanischen Kardinal Raymond Leo Burke als „meinen Feind“ betrachte und er deshalb vorhabe, „ihm das Appartement und das Gehalt wegzunehmen“. Diese Nachricht verbreitete am Montag der italienische Online-Dienst „La Bussola Nuova Quotidiana“ und löste damit ein gewaltiges Pressecho aus. Die Worte des Papstes wurden verdreht, ergänzt und übersteigert.

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Am Mittwochabend ließ Franziskus dann über seinen Lieblings-Biografen Austen Ivereigh einen präziser formulierten Vorwurf folgen: „Burke hat seine Privilegien gegen die Kirche missbraucht.“ Offensichtlich aber bleibt es bei der Strafe, von der der Kardinal bis zu diesem Zeitpunkt nur aus den Medien erfahren hatte: Die ihm als Kardinal zustehende Wohnung in Rom und sein Gehalt wird er wohl verlieren.

Der „menschliche Faktor“

Wohlgemerkt: Wir leben im 21. Jahrhundert, der Sonnenkönig ist schon lange tot und Päpste halten nicht mehr Hof. Stattdessen gibt es ein vatikanisches Presseamt, Franziskus macht viele Entscheidung durch ein öffentliches Motu proprio bekannt – was er auch darf –, und hat als Pontifex die Aufgabe, die Kirche zusammenzuhalten, nicht aber, Tischtücher zu zerschneiden. Arme Papstbiografen werden in der Zukunft die Aufgabe haben, komplizierte Beziehungsgeflechte auch psychologisch auseinanderzudröseln und zu beschreiben: Das schwierige Verhältnis zwischen Franziskus und seinem Glaubenspräfekten Kardinal Gerhard Müller und die überraschende Entlassung desselben, das Beziehungsdreieck „Papa emerito“, Kardinal Robert Sarah (mit seinem Verleger im Hintergrund) und Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein, der dann die Zeche für das missglückte Unternehmen „Zölibats-Buch“ zu zahlen hatte.

Dann Franziskus und die Freunde der alten Messe, Franziskus und der „Fall Strickland“, Franziskus und Kardinal Caffarra und das von diesem gegründete Familieninstitut, Franziskus und Pell, Franziskus und Benedikt, Franziskus und die Dubia-Kardinäle oder Franziskus und der Ex-Jesuit Marco Ivan Rupnik. Und so weiter und so fort. Jeder Fall ist anders gelagert, jeder Fall lief nicht nach dem Muster „Schwarz und Weiß“. Allen Fällen gemeinsam ist nur eins: Beim jetzigen Papst ist der „menschliche Faktor“ sehr hoch anzusetzen. Wer ihn entschieden und nachhaltig ärgert, der kann auch den Menschen Bergoglio zu spüren bekommen. Und da ist es – im Scherz – besser, „nicht geboren zu sein“.

Den Augenstern beleidigt

Kardinal Burke ist zu Beginn der Weltsynode im vergangenen Oktober fürchterlich über den neuen Glaubenspräfekten Victor „Tucho“ Fernández hergezogen, den Augenstern des argentinischen Papstes. Einen Häretiker und Schismatiker nannte er ihn bei einem Podium am 3. Oktober zum Thema „Das synodale Babylon“. Auch das verbale Wüten des amerikanischen Kardinals in den vergangenen Jahren muss man sich einmal genauer unter die Lupe nehmen. Aber jetzt hat ihn der Papst gleichermaßen auf dem Silbertablett den konservativen Franziskus-Gegner in den Vereinigten Staaten wie den Rächer der (theologisch) Enterbten, als Lichtfigur des glaubenstreuen Widerstands hingereicht.

Einem Kardinal in Rom Wohnung und Gehalt zu nehmen, ist gegen Anstand und Recht. Franziskus setzt sich damit ins Unrecht und verleiht Burke eine Aureole, dies dieser womöglich gar nicht verdient hat. Nochmals: Wir leben im 21. Jahrhundert, stehen auf dem Boden eines höchst anspruchsvollen Konzils, haben ein solides Kirchenrecht und erleben eine Catholica, die sich im Westen mühsam in den Herausforderungen durch eine dominante postchristliche und durchsäkularisierte Welt bewähren muss. Die jüngsten Attitüden aus Rom, die einem im Zusammenhang mit dem „Fall Burke“ jetzt zu Ohren kommen, klingen da wie Räuberpistolen aus einer längst vergangenen Zeit.

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