Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Synodalversammlung beschließt

Zukünftig Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland

Trotz ausdrücklichem Nein des römischen Glaubensdikasteriums führt der Synodale Weg offiziell Segnungen von homosexuellen Paaren ein. 
Synodalversammlung verabschiedete den Text über die umstrittene Segnung von Paaren
Foto: Maximilian von Lachner (Synodaler Weg / Maximilian von L) | Die Synodalversammlung verabschiedete den Text über die umstrittene Segnung von Paaren, die sich lieben.

Mit dem Handlungstext „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“ fordert die Synodalversammlung die Bischöfe auf, Segensfeiern für Paare, denen die sakramentale Ehe nicht zugänglich ist oder nicht kirchlich heiraten wollen, offiziell zu ermöglichen und entsprechende liturgische Formulare hierfür zu entwickeln. Dies schließt auch zivil Wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare ein. 

Der Text wurde mit 176 Ja- zu 14 Nein-Stimmen bei 12 Enthaltungen angenommen. 38 Bischöfe stimmten für den Text, 9 Bischöfe stimmten dagegen, 11 enthielten sich. Im Verfahren des Synodalen Weges werden Enthaltungen als nicht abgegebene Stimmen gezählt, womit die notwendige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe erhalten wurde. Auch dieses Mal wurde ein Antrag von acht Personen auf geheime Abstimmung durch einen Antrag auf öffentliche Abstimmung überstimmt.

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Praxis schon vorhanden 

Bereits in der letzten Vollversammlung hatten die Synodalen eine theologische Neubewertung von Homosexualität als normale Variante der menschlichen Sexualität beschlossen. Eine Segnung von Paaren, die nicht kirchlich heiraten können oder wollen erkenne an, „dass im gemeinsamen Leben von Paaren, die in Verbindlichkeit und Verantwortung füreinander zusammenleben, sittlich Gutes da ist“.

Der Text nimmt auf die erläuternde Note der Glaubenskongregation Bezug, die 2021 bekräftigt hatte, dass die Segnung homosexueller Paare nicht möglich ist. Diese Lehre sei jedoch theologisch weiterzuentwickeln, denn: „Die Weigerung, die Beziehung zweier Menschen zu segnen, die ihre Partnerschaft in Liebe, Verbindlichkeit und Verantwortung zueinander und zu Gott leben wollen, erweist sich in einer Gesellschaft, die Menschenwürde und freie Selbstbestimmung als Maxime moralischer Normierung errungen hat, als unbarmherzig oder gar diskriminierend.“ Die Synodalen weisen darauf hin, dass homosexuelle Paare praktisch bereits an vielen Orten innerhalb der katholischen Kirche Deutschlands gesegnet werden. „Die Entscheidung, diesen Segen zu schenken, treffen die Seelsorgenden daher nach ihrem Gewissen und in vielen Fällen im Konflikt zu lehramtlichen Vorgaben. Diese Situation der Unklarheit und Uneinheitlichkeit wird mit dem vorliegenden Beschluss geklärt, gesichert und liturgisch geordnet“, so der Beschlusstext.

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Unterscheidung von der Ehe

Bischof Helmut Dieser versuchte als Vorsitzender des Forums zur Sexualmoral eine Unterscheidung zwischen der sakramentalen Ehe und einer Segnungsfeier von „Paaren, die sich lieben“. Während die sakramentale Ehe eine Hauskirche in der christlichen Familie begründe, ziele die Segnung von Paaren „im Gegensatz dazu nicht darauf, etwas Neues zu begründen, sondern sie anerkennt das Gute, das schon gewachsen ist und in der Liebe des Paares bereits gelebt wird“. Die Segnung gebe dem Guten, dass in Beziehungen gelebt würde, „den Zuspruch, dass es auch Gott gefällt“. Daher könnten auch gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden, da nicht die Sünde gesegnet werde, „sondern das Gute, das die beiden miteinander teilen. Die Theologin Martina Kreidler-Kos bat im Namen der Antragskommission die Synodalen in Bezug auf den Text um einen „Kompromiss, der allen Seiten etwas abverlangt“. Der vorliegende Wortlaut beruhe auf einer hohen theologischen und pastoralen Expertise, im Wissen, dass er „eine Herausforderung für manche Teile der Weltkirche“ sein werde.

Bischof Stefan Oster kommentierte während der Aussprache, der Mensch sei in der Kirche berufen, „selber Sakrament zu sein und immer mehr zu werden, insbesondere im Leben seiner Beziehungen, die auch die sexuelle Gemeinschaft einschließen“. Dazu gehöre auch das Ineinander von Wahrheit und Liebe. Daher glaube die Kirche, dass es beim Segen von Paarbeziehungen „um die Hinordnung auf das Ganze, leib-seelische Gemeinsamkeit, Partnerschaft und Fruchtbarkeit“ gehe. „Da wir keinen zugehörigen anthropologisch-theologischen Grundtext haben und auch die nötigen Differenzierungen fehlen, öffnet der Text die Tür zur Beliebigkeit und ist deswegen nicht zustimmungsfähig“, schloss der Passauer Diözesanbischof. Gleichzeitig sieht Oster pastoralen Lernbedarf der Kirche im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren.

Sicht aus Afrika

In der Aussprache wiesen mehrere Synodale, wie bereits bei anderen beschlossenen Thematiken, darauf hin, dass Segensfeiern faktisch bereits vielerorts im Hinterzimmer stattfänden. Religionslehrerin Mirjam Gräve gab ein persönliches Zeugnis als gleichgeschlechtlich liebende Person. Im Sommer habe sie standesamtlich ihre Frau geheiratet. Das Paar habe sich dagegen entschieden, um einen Segen durch einen katholischen Seelsorger zu bitten, um nicht als „Bittstellerinnen“ zu erscheinen und eine „formale Ablehnung“ zu riskieren. „Wir als Eheleute schenken uns selbst den Segen. Unsere Ehe ist ein Segen und gottgewollt“, ist die Religionslehrerin überzeugt, die auch Mitglied der Aktion #OutinChurch ist. „Holen Sie Segensfeiern aus der Grauzone heraus“, rief sie die Mitglieder der Synodalversammlung auf. Ausdrücklich für eine Annahme des Textes plädierten unter anderem die Bischöfe Reinhard Kardinal Marx, Franz-Josef Overbeck, Karl-Heinz Wiesemann und Heiner Wilmer. Mit dem Text bleibe die Kirche in Deutschland eindeutig im Diskurs mit der Weltkirche, so Wilmer.

Der Synodale Emeka Ani plädierte als Geschäftsführer des Bundespastoralrats der Katholiken anderer Muttersprachen dafür, mit einem Beschluss für die Segnung homosexueller Paare auf den Abschluss der Weltsynode zu warten und kündigte an, gegen den Text zu stimmen. Ani wies darauf hin, dass Katholiken afrikanischer Kultur strikt gegen die gleichgeschlechtliche Partnerschaft seien und sich das weltkirchliche Gewicht Richtung Afrika verschoben habe.

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Bischof Rudolf Voderholzer erklärte, die Kirche habe Nachholbedarf in Bezug auf die Pastoral für gleichgeschlechtliche Paare. Er frage sich aber, ob die Segnung der richtige Weg sein. „Denn schnell wird Frage auftauchen, ob nicht auch Segnung diskriminierend sei, wenn weiterhin die Ehe untersagt bleibt.“ Voderholzer teile weiterhin die Bedenken des Dikasteriums der Glaubenslehre und könne „aus Gewissensgründen diesem Text nicht zustimmen“. Auch der Eichstätter Diözesanbischof Hanke erklärte, dem Text nicht folgen zu können, da Segensfeiern in Analogie zur sakramentalen Ehe treten würden. „Ich hoffe, dass uns dieser Schritt nicht in die Zerrissenheit bringt, in der sich die Anglikanische Kirche derzeit befindet“, so Hanke. Gleichzeitig plädierte er für eine pastorale Umkehr gegenüber homosexuell empfindenden Menschen.

Belgische Erfahrungen 

Innerhalb der Aussprache der Synodalmitglieder gab der Bischof von Antwerpen, Johan Bonny, einen Erfahrungsbericht aus der Belgischen Bischofskonferenzen, die vor einigen Monaten ein kurzes Papier zur Pastoral mit queeren Menschen herausgegeben hat. Dies habe auf dem Ad limina-Besuch der flämischen Bischöfe vor Weihnachten keine Ablehnung aus Rom erfahren. Das Papier bestimmt die Einführung eines Beauftragten für queere Personen in jedem Bistum sowie den Aufbau einer interdiözesanen Arbeitsgruppe für die Pastoral mit queeren Personen. Das Arbeitspapier skizziert ebenfalls ein kurzes Schema für den Ablauf einer Feier inklusive eines Gebetes um den Segen für homosexuelle Paare.

Da die Diözesanbischöfe rechtlich nicht an die Beschlüsse der Synodalversammlung gebunden sind, steht zu erwarten, dass Segnungen homosexueller Paare zukünftig abhängig vom jeweiligen Bistum möglich sein werden oder nicht. DT/fha

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