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Willkommen im kirchenpolitischen Parlament!

Nach dem zweiten Tag der Synodalversammlung scheint der Umbau der Kirche nach Diversity-Regeln fix. Doch die kirchenrechtliche Legitimation fehlt. Eindrücke einer Synodalen.
Nach zweiten Tag der Synodalversammlung scheint der Umbau der Kirche nach Diversity-Regeln fix
Foto: Maximilian von Lachner (Synodaler Weg / Maximilian von L)

Wo bin ich hier nur? Täterorganisation, missbrauchsgebeugte Kirche, Kriminalität und Clankriminalität — solche Wörter fliegen mir am zweiten Versammlungstag der vierten Synodalversammlung in Frankfurt um die Ohren. Ich höre, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, Alleingänge plant, und werde permanent gedrängt, den Texten zuzustimmen. Bitte, bitte. Druck und Manipulation auf ganzer Linie. Ich merke wie sich die Wörter langsam in Buchstaben auflösen und als Klangteppich mehr oder weniger an mir vorbei rauschen.

Politisches Denken in der DNA des Synodalen Wegs 

Das klassische Minderheitenrecht, geheim abstimmen zu können, wurde einfach ohne weitere Abstimmung oder Absprache abgeschafft. Sollten vor allem Bischöfe hier gezwungen werden, den Texten zur Rolle der Frau und Homosexualität zuzustimmen — oder sich persönlich angreifbar zu machen? Mut zum Bekenntnis war gefragt. Aber: Der Gruppendruck und die Drohungen, die Einheit der Bischöfe stehe auf dem Spiel, die Niederlage von gestern dürfe sich nicht wiederholen, der Laden drohe, uns um die Ohren zu fliegen, und die Angst vor Denunziation und verbalem Abschlachten im Bistum sind einfach zu groß. 

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Welcher Geist wirkt hier? Dieses Gerede von gegenseitigem Respekt, weil alle brav mit anpacken beim Abriss der Kirche, ist unglaublich unangenehm. Ist der Heilige Geist noch da? Nicht wenige würden sich hier gern wegbeamen. In eine stille Anbetung zum Beispiel. Schließlich bin ich Christ, kein Politiker. Aber politisches Denken und Agieren scheint sich in die DNA des Synodalen Wegs eingebrannt zu haben, inklusive eines der Politik typischen Hauens und Stechens. Immerhin wird immer öfter gemahnt, wir sollten bitte nett sein und Ich-Botschaften senden.

Stimmung ist am Boden

Man bemüht sich mehr oder weniger. Die Stimmung ist trotzdem am Boden. Wo keine roten Karten mehr fliegen, geht ein Raunen oder Stöhnen durch den Raum, wenn jemandem aus der „Mehrheitsfraktion“ ein Wortbeitrag der Minderheit nicht gefällt. Willkommen im kirchenpolitischen Parlament! 

So eine politische Kirche ist wirklich unattraktiv. Und ich bezweifle, dass sie an Attraktivität gewinnt, wenn Frauen ordiniert werden dürfen, die Diversity-Lobby die freien Posten erobert hat, wir immer und immer wieder von der bösen Täterkirche sprechen und alles, was Kirche ausmacht, so unverhohlen in den Dreck ziehen. Machtmissbrauch ist übrigens weder eine reine Männersache noch kirchentypisch. Von personaler Verantwortung zu sprechen, scheint tabu. Dabei ist nicht die Kirche schuld, sondern Menschen. 

Empörung über Heilige Messe

Und so sinke ich in meinen Stuhl und schrecke erst hoch als der DBK-Vorsitzende Bätzing doch tatsächlich eine Lanze bricht für die Heilige Messe und dafür, dass Priester nun mal einer Messe nicht nur beiwohnen, sondern auch selber zelebrieren wollen. 

Laut Can 904 wird die tägliche Zelebration sogar eindringlich empfohlen. Bätzing jedenfalls hatte Wogen glätten wollen, nach dem sich Synodale entrüstet hatten, dass manche am Morgen schon eine Heilige Messe gefeiert haben. Der DBK-Vorsitzende sprach sich sogar dagegen aus, nur einen Wortgottesdienst zu feiern. 

Ansonsten zieht sich der Tag enorm. Wir sind so in Verzug, dass ich eine sechste Synodalversammlung fürchte. Die Geschäftsordnungsanträge stapeln sich, die Uhr läuft unbeirrt einfach weiter, aber die Zeit vergeht nicht. Die Stimmung lockert sich vor lauter Zähigkeit, kommt aber erst so richtig in Fahrt als der Grundtext des Forums III durchkommt. Zweimal gibt es „standing ovations“, die Gesichter strahlen. Die Mitglieder des Forums werden noch einmal extra gefeiert. Das ist so in etwa das Gegenteil von dem, was gestern ablief, nachdem ein Text gescheitert ist. 

Umbau der Kirche nach Diversity-Regeln ist fix

Der Coup ist gelungen: Man hat den Text spontan so geändert, dass „Ordinatio sacerdotalis“ nicht infrage gestellt wird. Stattdessen bittet man das Lehramt lediglich um erneute Prüfung. Als wenn das der einzige Inhalt wäre. Aber das genügt, um bischöfliche Wackelkandidaten zu gewinnen, den Grundtext durchzudrücken.  Feierlaune bricht aus. Der Umbau der Kirche nach Diversity-Regeln ist jetzt fix. Wir haben die Biologie buchstäblich auf Knopfdruck geändert.

Und das ist nur der Anfang. Die „Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität“ wird bejubelt: „Viele von uns haben die Erfahrung gemacht, außerhalb der Ehe Sex zu haben und dadurch keine Sünde zu begehen.“ Und: „Ich freu‘ mich wenn meine Freund_Innen und Geschwister nicht mehr sündhaft leben müssen.“ 

Oberstes Gebot: Selbstbestimmung und Freiwilligkeit

Soviel wollte ich über das Sexualleben und eigene moralische Einstellung der Synodalen gar nicht wissen. Aber ist jetzt jedem klar: Es gibt keine Sünde mehr (denkt man). Das oberste Gebot sind Selbstbestimmung und Freiwilligkeit. Bald werden sich in Rom die Anträge auf Heiligsprechung stapeln. 

Es ist nicht auszuhalten. Ich entscheide mich für die Flucht auf Zeit in den Vorraum. Luft und eine Schorle am Tisch mit Gleichgesinnten Synodalen, bevor der Text in die Abstimmung geht, wie erwartet durchgewinkt wird und den Bruch mit Rom und der Weltkirche lautstark einläutet.

Selbstreferenzielle Veranstaltung

Wir hätten einpacken und gehen müssen. Denn dass hier ist nicht Kirche, sondern politisches Parkett, dekoriert mit Selbstreferenzialität. Dass man nun warten wird, was Rom zu der Chose sagt, ist nicht zu erwarten. Zu viele Beispiele gibt es, dass deutsche Ortskirchen synodale Forderungen umsetzen, bevor Rom grünes Licht gegeben hat und obwohl die Beschlüsse kirchenrechtlich überhaupt keine Legitimation haben. 

Leihmutterschaft und allen nur möglichen Familien- und Beziehungsmodellen sind jetzt Tür und Tor geöffnet. An die Folgen denkt niemand. An die Kinder auch nicht. Menschenfeindlich ist nicht die kirchliche Moral, wie viele Synodale denken, sondern das Fehlen jeder Moral und Ethik. 

All das ist ernüchternd. Aber immerhin: Jetzt liegt alles beim Herrn. Er hat alles in Seiner Hand. Wenn er es soweit kommen lässt in der katholischen Kirche in Deutschland, dann hat der Herr damit auch einen Plan und wird das irgendwann zu etwas Gutem führen. Darauf baue ich. 

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Dorothea Schmidt Bischof Deutsche Bischofskonferenz Diözesen Georg Bätzing Heilige Messe Kirchenrecht

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