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Heribert Hallermann: Die Geduld des Papstes mit den Bischöfen ist beeindruckend

Weder Statut der DBK noch Kirchenrecht ermöglicht einen Beschluss über die Satzung des Synodalen Ausschusses - dennoch droht kein Schisma, erklärt der Kirchenrechtler.
Einzug der Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Augsburg
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Das Anliegen des Papstes ist nicht die Ausgrenzung der deutschen Bischöfe; ihm kommt es darauf an, die Kirche in Deutschland mitzunehmen und in der Gemeinschaft der Kirche zu halten.

Der von Papst Franziskus approbierte Brief von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, Kardinal Victor M. Fernández, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre und Kardinal Robert F. Prevost, Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, vom 16. Februar 2024 hat kurz vor der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) einigen Wirbel verursacht.

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ZdK-Vizepräsident Thomas Söding sinniert darüber, ob es sich dabei um ein Verbot, um einen Tritt auf die Bremse oder um ein Stoppschild handle. Die Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp, fordert die Bischöfe auf, das Reformprojekt Synodaler Weg auch gegen den eindeutigen Wunsch aus Rom fortzusetzen und die Satzung des Synodalen Ausschusses zu beschließen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn fordert die deutschen Bischöfe auf, den Dialog mit Rom nicht abreißen zu lassen und keine Beschlüsse zu fassen, die zu einer Spaltung führen könnten. Erwartungsgemäß kritisiert der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller das römische Schreiben zur geplanten Abstimmung über die Satzung des Synodalen Ausschusses als römisches Machtwort, welches das Ende des Synodalen Ausschusses bedeute. Die KFD kommt aufgrund des Briefes zu dem Schluss, dass die Kirchenspitze kein Interesse an Synodalität habe.

Ein ungewöhnlicher Vorgang

Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, dass unmittelbar vor Beginn einer Vollversammlung der DBK ein Tagesordnungspunkt aus der geplanten Agenda gestrichen werden muss; er zeugt davon, dass seitens der Mehrheit der DBK die wiederholten Warnsignale und Stellungnahmen sowohl des Papstes selbst als auch leitender Kurienmitarbeiter im Wesentlichen ignoriert wurden. Auch seitens einiger deutscher Kirchenrechtler gab es wiederholt argumentativ gut begründete Einwände gegen einen Synodalen Rat sowie gegen den geplanten Beschluss zur Satzung des Synodalen Ausschusses. Das alles wurde seitens der DBK nicht gehört, denn die angestrebte Einrichtung eines Synodalen Rates, dessen Vorbereitung ganz oben auf der Agenda des Synodalen Ausschusses steht, sollte trotz allem möglichst zügig und störungsfrei umgesetzt werden.

Download: Brief aus Rom an die DBK

Im Brief vom 16. Februar 2024 wird nun erstmals eine „Rote Linie“ erkennbar: Der geplante Synodale Rat wird klar als widerrechtlich und ein Beschluss der Satzung des Synodalen Ausschusses als ungültig bezeichnet. Zudem verweist der Brief auf die schlichte Tatsache, dass die Bischofskonferenz nicht alles tun kann, was sie will: Sie ist vielmehr an das geltende Kirchenrecht, namentlich an c. 455 CIC sowie an das Statut der DBK gebunden. Keines der beiden Regelwerke ermöglicht einen Beschluss über die Satzung des Synodalen Ausschusses; da fehlt es der DBK schlichtweg an der erforderlichen Autorität. Richtigerweise weist der Brief auch darauf hin, dass ein Beschluss der Satzung des Synodalen Ausschusses eine Zustimmung zur Mitträgerschaft dieses Gremiums bedeutet, was mangels Rechtspersönlichkeit der DBK im weltlichen Bereich nur über den Verband der Diözesen Deutschlands möglich wäre. Der hierfür nötige einstimmige Beschluss der Bischöfe ist aber nicht zustande gekommen.

Ein Anzeichen eines Schismas ist kirchenrechtlich gegenstandslos

Kardinal Schönborn zeigt sich beeindruckt von der Geduld, mit der vom Papst und von den römischen Dikasterien versucht wird, mit den deutschen Bischöfen im Gespräch zu bleiben und die Einheit und die Gemeinschaft der Kirche zu wahren. Und er vertritt, dass eine Weigerung der DBK, einzulenken, ein klares Anzeichen eines Schismas wäre, denn es gehe um das Grundverständnis von Kirche und insofern weder um Machtfragen noch um Disziplinarfragen, sondern um eine Kernaufgabe des Papstes, die Einheit im Glauben zu wahren.

Aus kirchenrechtlicher Perspektive wird man eine eventuelle Weigerung der DBK, einzulenken, und trotz des jüngsten Briefes aus Rom der Satzung des Synodalen Ausschusses zuzustimmen, nicht als Schisma werten können; ein Anzeichen eines Schismas ist kirchenrechtlich gegenstandslos, denn c. 1321 §§ 2 und 3 CIC fordern für die Erfüllung eines Straftatbestandes die bewiesene überlegte Verletzung eines Gesetzes oder Strafgebotes.

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Mit c. 751 CIC wird der Tatbestand des Schismas als Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche definiert. Wer die Stellung des Papstes als Haupt des Bischofskollegiums und als Hirte der Gesamtkirche ablehnt und die Gemeinschaft mit dem Papst und den übrigen Gliedern der Kirche verweigert, erfüllt den Tatbestand des Schismas.

Der geplante zustimmende Beschluss zur Satzung des Synodalen Ausschusses wäre zwar widerrechtlich und ungültig und liefe dem erklärten Willen des Papstes entgegen, würde aber nicht den Straftatbestand des Schismas erfüllen, weil er nicht die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst beinhaltet. Eine Bestrafung nach c. 1364 § 1 CIC – also beispielsweise eine Amtsenthebung von Bischöfen – wäre insofern ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen wäre der Tatbestand des c. 1371 § 1 CIC, weil der Apostolische Stuhl mit dem genannten Brief weder rechtmäßig geboten noch verboten hat; er hat vielmehr Bedenken geäußert und einige Hinweise zur Sache gegeben.

Franziskus will die Kirche in Deutschland mitnehmen

Die Geduld des Papstes ist tatsächlich beeindruckend und findet beredten Ausdruck im Hinweis des Briefes auf den bereits begonnenen Dialog zwischen der Kurie und den deutschen Bischöfen, der in naher Zukunft fortgesetzt und nach dem Wunsch von Papst Franziskus weiter verstärkt werden soll. Papst Franziskus spricht nicht nur von Synodalität, sondern er verwirklicht sie auch in der Form, dass er – auch über die entsprechenden Kurienorgane – mit der DBK im Gespräch bleibt, selbst wenn sich dieses mühselig gestaltet. Sein Anliegen ist nicht ihre Ausgrenzung, sondern ihm kommt es darauf an, die deutschen Bischöfe und die Kirche in Deutschland mitzunehmen und in der Gemeinschaft der Kirche zu halten.

Insgesamt geht es um die Wahrung der kirchlichen Gemeinschaft im Sinn des c. 205 CIC, die durch die Bande des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung zusammengehalten wird. Diese Gemeinschaft ist viel weiter und aktiver zu denken als die bloße Vermeidung einschlägiger Straftatbestände und bedarf insofern des ständigen Bemühens aller Beteiligten.

Der Vorsitzende der DBK, Bischof Georg Bätzing, sagte zu Beginn der Frühjahrs-Vollversammlung, es sei für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen, im Respekt vor den römischen Verantwortlichen deren Wunsch nach Nichtbehandlung des fraglichen Tagesordnungspunktes zu entsprechen. Es bestehe unter den Bischöfen ein hohes Interesse, im Gespräch mit den römischen Verantwortlichen zu bleiben. Auch dieser Hinweis verdeutlicht, dass man weder von einem Schisma noch von einem Anzeichen eines Schismas sprechen kann. Manche Aufregung um den Brief vom 16. Februar 2024 erscheint vor diesem Hintergrund als gegenstandslos und unnütz. Zu wünschen wäre, dass alle Beteiligten den sachlichen, argumentierenden und bei aller Klarheit im Urteil freundlichen und wertschätzenden Ton aufgreifen, den der vatikanische Brief erkennen lässt.


Der Autor ist emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Lesen Sie weitere Hintergründe zur Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz und dem Streit um den Synodalen Ausschuss in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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