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Es gibt das Gericht

Der göttliche Richter wird am Ende der Zeiten von jedem Einzelnen Rechenschaft fordern. Gerade das Neue Testament rät dazu, diese alles entscheidende Frage sehr ernst zu nehmen.
Bild "Jüngstes Gericht"
Foto: Peter Endig (dpa-Zentralbild) | Eine Frau geht am dem Bild "Jüngstes Gericht" (1983; Aus: Frühbürgerliche Revolution in Deutschland) von dem Leipziger Maler Werner Tübke in der Galerie Schwind in Leipzig vorbei.

Gäbe es die Regel, derzufolge der Umfang eines Themas in Katechese und Predigt auch dem Raum entsprechen müsse, den die Heilige Schrift diesem Thema widmet, so bestünde beim Thema „Gericht“ wohl der größte Nachholbedarf. Die Rede vom göttlichen Gericht scheint weitgehend aus der Verkündigung verschwunden zu sein. Stattdessen hört man Plattitüden wie „Das Christentum hat eine Frohbotschaft, keine Drohbotschaft!“

Die innere Logik des Glaubens

Wie bereits angedeutet, wird jedem, der des Lesens mächtig ist, schnell klar, wie blödsinnig eine solche Behauptung ist. Dasselbe gilt im Übrigen für die Behauptung, nur das Alte Testament enthalte die Rede vom Gericht Gottes, während im Neuen nur von Gnade und Barmherzigkeit die Rede sei. Beispiel gefällig? „Weil du aber starrsinnig bist und dein Herz nicht umkehrt, sammelst du Zorn gegen dich für den Tag des Zornes, den Tag der Offenbarung von Gottes gerechtem Gericht. Er wird jedem vergelten, wie es seine Taten verdienen: Denen, die beharrlich Gutes tun und Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit erstreben, gibt er ewiges Leben, denen aber, die selbstsüchtig sind und nicht der Wahrheit gehorchen, sondern der Ungerechtigkeit, widerfährt Zorn und Grimm.“ (Röm 2,5-8) Mal ganz davon abgesehen, dass wir in jeder Messe die Worte sprechen: „Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“

Aber es geht hier gar nicht um das Auflisten von Belegstellen, sondern um die innere Logik des Glaubens. Warum sollte mich denn die Botschaft, dass Christus meine Sünden durch sein Opfer hinwegnimmt, froh stimmen, wenn ich nicht der Meinung wäre, dass mir diese Sünden am Tag des Gerichts zur Last gelegt würden?

Zwischen Angst und Überheblichkeit

Selbstverständlich erfordert die Predigt vom Gericht eine besondere Vorsicht, da sie leicht zu falschen Reaktionen führen kann. Den einen mag sie in lähmende Angst versetzen, den anderen in selbstgerechte Überheblichkeit. Beide Reaktionen werden sinnbildlich in biblischen Charakteren wiedergegeben. Da wäre zum einen der dritte Knecht im Gleichnis von den anvertrauten Talenten, der sein Talent aus Angst vor seinem Herrn in der Erde vergräbt und dafür hart bestraft wird.

Auf der anderen Seite haben wir den Pharisäer, der gemeinsam mit dem Zöllner in den Tempel geht und dort zu Gott spricht: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens“ (Lk 18,11-12), was von Jesus mit den Worten kommentiert wird: „Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden.“

„Seid also wachsam!"

Wahrlich: Wer sich auf das Gericht Gottes freut in dem Glauben, dass alle bestraft werden außer ihm selbst, dürfte ein böses Erwachen erleben. Was aber ist die angemessene Haltung gegenüber dem Gericht Gottes? Die Antwort Jesu: Wachsamkeit. „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt“ (Mk 13,35).

Aber es ist auch nicht völlig verfehlt, sich auf das Kommen des Herrn zu freuen, auf den Tag, an dem das Unrecht ein Ende findet, an dem alles in Ordnung gebracht wird. Warum sollte nicht auch dies eine Frohbotschaft sein? Wobei das eigentliche Evangelium freilich in der Tatsache besteht, dass derjenige, der sich Christus und seiner Kirche anvertraut, auf Milde im Gericht hoffen darf. Denn auch das steht geschrieben: „Sie werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Röm 3,24)

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