Beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), insbesondere bei seiner Vollversammlung, muss man genau hinhören: Denn es hängt fast alles an der Sprache. Das sollte, so mag mancher denken, zum Beispiel im Bundestag nicht anders sein. Der Unterschied liegt darin, dass die Sprachkultur, auf die man beim ZdK stolz ist, nicht einfach nur ein Instrument ist, um die Debatte effektiv und fair zu steuern, sie ist bereits Teil der inhaltlichen Agenda.
Der Stolz auf die eigene Sprachkultur, die hier gemeinhin „wertschätzend“ genannt wird, ist sozusagen Grundbestandteil des Selbstverständnisses des Otto-Normal-ZdKlers, natürlich auch der Ottilie-Normal-ZdKlerin, und in der Regel werden bei Wortmeldungen auch selbstredend die Gender-Sternchen mitgesprochen. Bezeichnend ist hier ein O-Ton von Präsidentin Irme Stetter-Karp in der Aussprache nach ihrem Bericht am Freitagmorgen: „Ich bin zufrieden mit unserer Kultur.“ Das bedeutet aber auch, wer in dieser Versammlung inhaltliche Erfolge durchsetzen will, der muss, es mag ihm manchmal Bauchschmerzen bereiten, sich dem hier geltenden rhetorischen Ansatz anpassen.
Der Muster-Schwiegersohn mit Abitur und Aufstiegs-Ambition
Das alles in Rechnung gestellt, war der Austausch am Freitagmorgen im Paderborner Schützenhof durchaus kontrovers, wo die Vollversammlung bis morgen noch tagt. Hendrik Wüst, ganz der Landesvater, hatte in seinem Grußwort, das am Morgen eingespielt wurde, noch ganz auf Harmonie gesetzt. Das heißt für einen Christdemokraten im Moment: Nachdem Bundestagspräsidentin Julia Klöckner eine Debatte über eine zu politisierte Kirche losgetreten hat, wird betont, dass natürlich Kirche immer auch eine politische Ausstrahlungskraft habe.
So tat es auch Hendrik Wüst. Bei ihm spielt auch die parteipolitische Profilierung dabei immer eine Rolle. Gerne wird der NRW-Ministerpräsident von manchen seiner Anhänger zu einer Art „Gegen-Merz“ hochstilisiert, ohne dass man genau weiß, ob Wüst überhaupt in diese Richtung strebt. Jedenfalls gibt er, der ja einer schwarz-grünen Landesregierung vorsteht, sich alle Mühe, als integrierend und „nachdenklich“ zu erscheinen – und zwar durchaus so, wie solche Attribute auch hier im ZdK-Milieu verstanden werden. Ob ihm das auch tatsächlich Wählerstimmen beschert, ist die eine Frage. Jedenfalls wächst er so in einen bestimmten Typus hinein. Wüsts Rollenfach: der nette Christdemokrat für alle, eben nachdenklich, aber gerade so, dass es für die Kaffeetafel nicht zu intellektuell wird – der Muster-Schwiegersohn mit Abitur und Aufstiegs-Ambition.
Schon einige Reihen weiter hinten auf der politischen Bühne ist Peter Liese angesiedelt. Seit drei Jahrzehnten sitzt er für die CDU im Europa-Parlament, ist als Einzelpersönlichkeit ins ZdK gewählt worden und im Paderborner Land wie in der Erzdiözese beheimatet. Ihm kam nun die gar nicht so leichte Aufgabe zu, die Stimmung an der Basis wiederzugeben. Direkt in der ersten Wortmeldung nach dem Bericht der ZdK-Präsidentin. Man müsse verstehen, und das höre er gerade auch von Mitgliedern in katholischen Verbänden, dass die Integration von Flüchtlingen vor Ort für massive Herausforderungen sorge. Der Ton der Pressemitteilung, die seitens des ZdK nach dem Vorstoß von Merz am Ende der letzten Legislaturperiode veröffentlicht wurde, sei scharf gewesen, auch wenn er inhaltlich durchaus vieles teile, so Liese.
Belafi fordert kritischen Umgang mit Migrations-Intervention
Wichtig sei nun, weiter auf Zusammenarbeit und Brückenbau zwischen Union und Zentralkomitee zu setzen. Dies sei, so wisse er, auch dem Bundeskanzler wichtig. Und dann gab es auch noch einen pathetischen Abschluss-Appell: Man müsse gemeinsam den Weg in die Mitte gehen. Das gelte für das ZdK, aber auch für die CDU. Dass Stetter-Karp zumindest in einer Hinsicht auch weiterhin diese Herausforderungen nicht mindern will, hatte sie zuvor in ihrem Bericht deutlich gemacht. Das Recht auf Geschwisterzuzug soll bei Flüchtlingen erhalten bleiben.
Im Vergleich dazu deutlich schärfer als bei Wüst und Liese klang die Intervention von Matthias Belafi in der Aussprache. Man müsse zur Kenntnis nehmen, so bemerkte er ironisch, der Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem ZdK hätte dem Komitee so viel öffentliche Aufmerksamkeit beschert wie schon lange nicht mehr. Seiner Meinung nach müsse hier das damalige Vorgehen viel stärker kritisch diskutiert werden. Belafi äußerte sich zwar als Mitglied des ZdKs. Aber seinen Hauptberuf wird man wohl zur Kenntnis nehmen müssen: Belafi leitet das Katholische Büro in Bayern. Zusammen mit seinen Kollegen in NRW, Antonius Hamers, und Bremen, Bernhard Stecker, hatte er in einem Schreiben die damalige Reaktion von Karl Jüsten, dem Leiter des Katholischen Büros in der Hauptstadt, auf den Merz-Vorstoß als „„inhaltlich überzogen, parteipolitisch einseitig und inopportun“ bezeichnet.
Irme Stetter-Karp gab sich in ihrem Bericht möglichst ausgewogen, sichtlich bemüht, eine „Balance“ zwischen den unterschiedlichen politischen Strömungen innerhalb der katholischen Laien einzuhalten. Freilich, Balance immer im Sinne der ZdK-Koordinaten. Normal Null liegt hier bei der Position zur AfD: Wer bei ihr engagiert ist, könnte, so hat es Stetter-Karp wieder betont, nach Auffassung des Komitees auch weiterhin nicht haupt- oder nebenamtlich im kirchlichen Bereich tätig sein.
Langfristiger Pluralismus - minus AfD
Ansonsten plädierte Stetter-Karp in ihrem Bericht für eine Äquidistanz zu allen Parteien. Das war auch eine indirekte Reaktion auf die Vorwürfe, gerade auch im Zuge des Konfliktes mit der Union, das Komitee sei zunehmend grün dominiert. Die Präsidentin scheint hier, wenn man so will, zumindest langfristig für einen Pluralismus einzutreten – minus AfD. In der Diskussion wurde, zumindest eben für ZdK-Verhältnisse, relativ deutlich so ein Pluralismus auch in verschiedenen Wortmeldungen eingefordert. Zum Beispiel in der Frage der Höhe des Militäretats oder der Haltung gegenüber Israel.
Stetter-Karp gab jedenfalls ihrer Freude Ausdruck, dass sich doppelt so viele Einzelpersönlichkeiten für eine ZdK-Kandidatur bereiterklärt haben, als dann tatsächlich gewählt werden können. Das sei ein Zeichen für ein starkes Interesse für eine Mitarbeit, meinte die Präsidentin. Sie sieht für die Zukunft ihres Komitees offensichtlich nicht schwarz. Das gilt auch in parteipolitischer Hinsicht.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.