Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist nach Ansicht des Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn „ein Überfall auf ein souveränes Land und in keinster Weise zu rechtfertigen“. Im Gespräch mit der „Tagespost“ sagte Kardinal Schönborn am Mittwoch in Wien: „Dieser Angriffskrieg wird in einer sehr brutalen Weise geführt. Das Kriegsrecht wie das Völkerrecht werden verletzt, etwa wenn gezielt Bildungseinrichtungen und andere zivile Ziele attackiert werden. Das sind Kriegsverbrechen.“
Schönborn empfing am Mittwochmorgen das Oberhaupt der mit Rom unierten Katholiken des byzantinischen Ritus in der Ukraine, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, der auf der Rückreise von Rom nach Lemberg (Lwiv) einen mehrstündigen Zwischenstopp in Wien einlegte. Schönborn und Schewtschuk feierten gemeinsam die Morgenmesse in der Andreas-Kapelle des Erzbischöflichen Palais. Dabei rief Kardinal Schönborn zum Gebet auf: „Für das ukrainische Volk, das so viel zu leiden hat, für alle Toten und für jene, die heute Verantwortung tragen“.
Gegenüber der „Tagespost“ erinnerte der Wiener Kardinal daran, dass Österreich seit jeher einen engen Kontakt zur Ukraine gehabt habe. So habe bereits Kaiserin Maria Theresia in Wien ein Seminar für die griechisch-katholischen Ukrainer gegründet. Die seither enorm gewachsene ukrainische Gemeinde in Wien sei mittlerweile ein Knotenpunkt der humanitären Hilfe für die vom Krieg geplagte Ukraine.
Schewtschuk dankbar für Aufnahme von Flüchtlingen
Auf eine Frage dieser Zeitung, ob die Beziehungen zur russischen Orthodoxie angesichts der Kriegspropaganda Kyrills mittlerweile in Scherben liegen, sagte Kardinal Schönborn: „Die Beziehungen zu den Menschen in Russland sind unverändert, denn die orthodoxen Gläubigen schätzen wir als Geschwister im Glauben. Was aber die Kirchenleitung in Russland derzeit macht, ist für uns alle erschütternd. Es ist für mich nicht zu fassen, dass das Evangelium benutzt wird, um diesen Krieg zu rechtfertigen und die Menschen in der Ukraine zu Freiwild zu machen.“
Großerzbischof Schewtschuk habe ihm gegenüber große Dankbarkeit dafür geäußert, dass Österreich so viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat. Er wünsche die Verbreitung möglichst guter und genauer Informationen, damit ein wahrheitsgemäßes Bild entstehe über die Situation, „die für die Menschen in der Ukraine höchst dramatisch ist“. DT/sba
Lesen Sie ein ausführliches Interview mit dem ukrainischen Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk in der kommenden Woche in Ihrer „Tagespost“.