In der kommenden Ausgabe der Tagespost schreibt die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz anlässlich des Todes des emeritierten Papstes Benedikt XVI. über dessen Reflexionen zum notwendigen Miteinander von Vernunft und Glaube - ein Thema, das Ratzinger bereits als junger Bonner Fundamentaltheologe angestoßen hat. Später widmete er in seiner „Einführung in das Christentum“ von 1968 ein Kapitel dieser Frage. Damit setzte Ratzinger einen Kontrapunkt zur „damals üblichen Enthellenisierung des Neuen Testaments“.
Über den Sinn der gemeinsame Vernunft von Gläubigen und Nicht-Gläubigen
Das Christentum war für Benedikt XVI. geradezu die Frucht des griechischen Denkens. Die gemeinsame Vernunft von Gläubigen und Nicht-Gläubigen enthalte „letztlich verhüllt den Kern christlicher Lehre vom Logos“. Benedikt verstand die Stimmen von Nicht-Gläubigen als Zurufe an das Christentum, seine Schätze nicht zu vergraben, sondern damit zu wuchern und die Vernunft zu verteidigen.
Die Auseinandersetzung mit der Vernunft führt, so erklärte Benedikt XVI., nicht automatisch zum Glauben. Sie sei auch mehr als bloße theologische Reflexion. Vernunft muss von jemandem und auf jemanden ausgerichtet werden und sich herausfordern lassen. Sie brauche eine „Begegnung des Herzens mit der Schönheit als wahre Weise des Erkennens“, sollen Glaube und Theologie nicht verarmen. Mit Blick auf den Gekreuzigten gehörten für den Theologen zu dieser Begegnung mit dem Lebendigen auch Schmerz, Hässlichkeit und Zerstörtes.
Mit den Reflexionen über Glaube und Vernunft hat Benedikt XVI. das europäische Erbe zu Tage gefördert, das dem Christentum eingeschrieben ist: Erkennen aufgrund des Lichtes Gottes. Und so lautete auch das Motiv seines Pontifikats: Das Umgetriebenwerden des Menschen beginnt mit der Vernunft und gründet im Logos des Johannesevangeliums. DT/dsc
Erhalten Sie diese Woche eine Sonderausgabe der "Tagespost" zum Tod des emeritierten Papstes mit Stimmen, Nachrufen und Hintergründen.