Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Erzbischof von Galveston-Houston

Kardinal DiNardo wird 75: Glücklos an der Spitze der US-Bischöfe

Die Aufarbeitung der Missbrauchskrise und die zunehmende Spaltung der US-Bischofskonferenz prägten die Amtszeit des ehemaligen Vorsitzenden, Kardinal Daniel DiNardo.
Der Erzbischof von Galveston-Houston, Kardinal Daniel DiNardo
Foto: imago stock&people | Untrennbar mit DiNardos Amtszeit verbunden bleibt die Missbrauchskrise der Kirche in den USA.

Als Papst Franziskus im September 2015 auf dem Rollfeld der Andrews Air Force Base in Maryland nahe der US-Hauptstadt Washington landete, war Kardinal Daniel DiNardo, damals noch stellvertretender Vorsitzender der US-Bischofskonferenz, einer der ersten, die den Pontifex zum Auftakt seiner Amerikareise begrüßen durften. Im Laufe der Jahre sollten weitere Treffen mit dem Papst folgen, die nicht immer unter derart fröhlichen Umständen stattfanden.

Lesen Sie auch:

Am Donnerstag feiert DiNardo, Erzbischof der texanischen Erzdiözese Galveston-Houston, seinen 75. Geburtstag. Wenn er auf die drei Jahre von 2016 bis 2019 zurückblickt, in denen er den Vorsitz der amerikanischen US-Bischöfe innehatte, dürfte er dies mit gemischten Gefühlen tun. Seine Amtszeit war geprägt von den Bemühungen um die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der US-Kirche – und der Spaltung des amerikanischen Episkopats.

DiNardo ließ sich keinem Lager zuordnen

DiNardo gilt als erster Kardinal einer Diözese aus dem Süden der USA. Geboren wurde er 1949 in Steubenville im Bundesstaat Ohio, die Priesterweihe empfing er 1977 im Bistum Pittsburgh. Seine erste Station als Bischof führte ihn 1997 nach Sioux City in Iowa. Die Diözese Galveston-Houston führt er seit 2006 als Erzbischof, zwei Jahre zuvor war er vom damaligen Papst Johannes Paul II. bereits zum Koadjutor ernannt worden. Benedikt XVI. war es schließlich, der ihm 2007 die Kardinalswürde verlieh.

Im Zuge des Pontifikats von Papst Franziskus traten deutliche Risse in der amerikanischen Bischofskonferenz zutage. In der Moderation der Flügelkämpfe stand DiNardo als Vorsitzender an vorderster Front. Ausschlaggebend waren insbesondere die Positionen des argentinischen Papstes zu Themen wie Klimawandel, Wirtschaft und Migration – aber auch dessen Umgang mit der Ehe- und Sexuallehre sowie dem Lebensschutz. 

Während die konservative Mehrheit der US-Bischöfe mit Franziskus zunehmend fremdelte, ließ sich DiNardo nie voll und ganz einem Lager zuordnen. In Fragen der Migrationspolitik beispielsweise stellte er sich deutlich hinter die Willkommenskultur des Papstes – was ihm in seinem Grenzstaat Texas nicht nur Zustimmung bescherte. Den Kampf gegen den Klimawandel sah er durchaus als eine Herausforderung, auch wenn DiNardo sich kaum die mahnende Dringlichkeit des Papstes zu eigen machte. Deutlich positionierte er sich im Lebensschutz: So kritisierte er schon 2009 den ehemaligen Präsidenten Barack Obama für dessen abtreibungsbefürwortende Haltung. Der stärker werdenden Spaltung des US-Episkopats wusste jedoch auch er kaum etwas entgegenzusetzen.

Vorwürfe der Missbrauchsvertuschung

Untrennbar mit DiNardos Amtszeit verbunden bleibt die Missbrauchskrise der Kirche in den USA: Ab 2017 wurde das ganze Ausmaß der Taten des inzwischen aus dem Klerikerstand entlassenen Theodore McCarrick bekannt, was die Stimmung unter amerikanischen Katholiken weiter aufheizte. Denn bereits zuvor hatte ein sogenannter „Grand Jury Report“ der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Pennsylvania über Missbrauchstaten von Klerikern und deren Vertuschung für Aufsehen gesorgt. 

Dass DiNardo in der Aufarbeitung letztlich glücklos wirkte, auch wenn er sich durchaus um vollumfängliche Aufklärung bemühte, hat mehrere Gründe. Zum einen durchkreuzte der Vatikan im November 2018 seine Pläne, einen „Verhaltenskodex“ für Bischöfe zum Umgang mit Missbrauch zu verabschieden sowie eine „Sonderkommission“ zur Prüfung von Vorwürfen gegen kirchliche Amtsträger einzusetzen. Die damalige Begründung aus Rom: Man wolle den für Februar 2019 angesetzten Missbrauchsgipfel im Vatikan abwarten.

Hinzu kommt, dass DiNardo im Laufe seiner Amtszeit selbst mit Vorwürfen konfrontiert wurde, Missbrauchsfälle vertuscht zu haben. Ein tatsächliches Fehlverhalten konnte ihm bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Im November 2019 gab er dann turnusmäßig das Amt des Konferenzvorsitzenden ab.

Papst könnte an DiNardo festhalten

Wie es mit Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren üblich ist, wird Kardinal DiNardo Papst Franziskus nun seinen Rücktritt als Erzbischofs von Galveston-Houston anbieten. Allerdings warten derzeit sieben US-Diözesen auf einen neuen Bischof, in 14 weiteren hat der Amtsinhaber die formelle Altersgrenze von 75 Jahren bereits erreicht. Und eine Umbesetzung würde für Franziskus nur Sinn ergeben, wenn er damit den Flügel seiner Unterstützer innerhalb der US-Bischofskonferenz stärken würde. Da DiNardo nie in offener Opposition zu Franziskus stand, ist es durchaus denkbar, dass der Papst auch weiterhin an DiNardo festhält.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Maximilian Lutz Barack Obama Erzbischöfe Erzdiözese Johannes Paul II. Kardinäle Papst Franziskus Pontifex Päpste Theodore McCarrick

Weitere Artikel

Der Erfurter Katholikentag bot ein Potpourri aus Polemik, einseitig geführten Streitgesprächen und der Suche nach Sinn und Spiritualität.
06.06.2024, 19 Uhr
Regina Einig Johannes Moussong
In Amerika nimmt das Christentum eine neue Gestalt an: Es wird moderner und liebt doch zugleich die Tradition.
31.03.2024, 15 Uhr
Markus Günther

Kirche