In einem Interview mit„K-TV“ und „Radio Vatikan“ hat die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz anlässlich des ersten Todestages des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. über dessen bleibende Bedeutung und Wirkung gesprochen. Benedikt sei, so Gerl-Falkovitz, ein „Mann von einer tiefen Durchdringung dessen, was Kirche heißt“ sowie mit ihrer langen Tradition und den Kirchenvätern- und Müttern vertraut gewesen. Ratzinger habe einen Überblick über die Kirche gehabt, wie ihn nur wenige Menschen erreichen würden, ist sich Gerl-Falkowitz sicher.
Durch Ratzinger den Herzschlag des Christentums verstehen
Joseph Ratzinger hat laut Gerl-Falkowitz durch seine Arbeit als Dogmatiker oft den Kern der Probleme getroffen. Mit Blick auf die „Verwirrung, in der wir letztlich auch im Blick auf die Kirche heute stehen“ sei sein Talent, Fragen einzuordnen und zu beantworten, eine „unglaubliche Fähigkeit“ gewesen.
Darauf sei auch zurückzuführen, warum der Name Ratzinger in den nicht-deutschsprachigen Ländern „selbstverständlich an der allervordersten Front, sowohl in den Bibliotheken als auch in den Doktorarbeiten“ sei, so die Religionsphilosophin. Laut Gerl-Falkovitz werde die Bedeutung des Papstes Benedikt wie auch die des Theologen Ratzingers mit voranschreitender Zeit stärker hervortreten: „Ich bin überzeugt, dass er genau in diesem Sinne bleiben wird: Dass er gelesen wird“. Ob dies von größeren, säkularen Medien aufgegriffen werde, bleibe laut der Religionsphilosophin unsicher, da Theologie nicht zwingend deren Thema sei.
Trotzdem habe Ratzinger „wirklich nicht für die Theologen geschrieben“, erklärte die Philosophin. Mit der „Einführung in das Christentum“, habe er ein Werk geschaffen, „mit dem er bis auf die Ebene der Kirchgänger gelesen wird“. In seinen Schriften und Predigten entdecke der „einfache Mann, der einfache Gläubige, die einfache Frau“ Sätze, durch die man „wirklich in die Tiefe“ kommen könne, um den „Herzschlag des Christentums“ zu hören.
Keiner hat quantitativ mehr gegen Missbrauch gekämpft
Für Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ist der Rücktritt Papst Benedikts allgemein eine gute Lektion über und für das Petrusamt. Die sei auch ein Ergebnis seines Erlebens des „langsamen und mühsamen Sterbens seines Vorgängers“ gewesen. Ihm sei klar gewesen „dass das Amt eine Präsenz erfordert, eine Leistungskraft, die ja auch ihm das Letzte abverlangt hat.“ Über Benedikts Amtsverzicht im Jahr 2013 sagt sie: „Dahinter wird kein späterer Papst mehr zurückgehen können. Ich denke, man kann diesen Rücktritt wirklich ehren als eine rationale Form, das ist vernünftig, und dahinter wird kein späterer Papst mehr zurückgehen können“, so die Interviewte.
Über die Vorwürfe der Beteiligung an der Vertuschung von Missbrauch hat Gerl-Falkovitz ein „ziemlich entschiedenes Urteil: Man hat da in einem Protokoll aus der Münchner Zeit mit der Lupe gesucht, um so etwas zu finden.“ Demgegenüber stünde, dass Ratzingers Aufgabe in der Glaubenskongregation an dieser Stelle das Kirchenrecht „elementar“ verschärft und „viele Priester in diesem Zusammenhang von ihrem Priestertum entbunden“ habe. Im Ganzen könnte man ihrer Meinung nach „vor und nach Ratzinger“ von niemandem sprechen, der sich „rein quantitativ derart mit dieser Frage beschäftigt hat“ . DT/jmo
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