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Fall Dillinger: Wenn die Hirten mit den Wölfen paktieren

Der Abschlussbericht zum sexuellen Missbrauch des Priesters Edmund Dillinger spricht deutlich bittere Wahrheiten aus.
Wölfe und Schafe
Foto: IMAGO/Gemini (www.imago-images.de) | Viel zu oft haben die Hirten ihre Schafe den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. So auch im Fall Dillinger.

Der Priester Edmund Dillinger (1935 – 2022) war ein Missbrauchstäter, der sich sexuell an Schutzbefohlenen verging – das wussten die Verantwortlichen im Bistum Trier, ließen ihn trotzdem gewähren und vertuschten sogar die Vorwürfe. Zu dieser Einschätzung kommt der vorläufige Abschlussbericht der beiden Sonderermittler Jürgen Brauer und Ingo Hromada, die von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Trier (UAK) beauftragt wurden.

Böses unter dem Deckmantel der Scheinheiligkeit verborgen

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Der Bericht offenbart Erschütterndes: Zwischen 1961 und 2018 hat Dillinger „19 Personen in verschiedenen Schweregraden sexuell missbraucht“. Hinzukommen „sehr viele, nach ihrer Anzahl aber nicht annähernd zu beziffernde Personen“, die von Dillinger unter anderem „in sexualisierten Posen fotografiert wurden, Berührungen in allen Körperregionen ausgesetzt waren, oder Annäherungsversuche abwehren mussten.“ Die Verbrechen Dillingers waren mitunter ein offenes Geheimnis. Ihn zu stoppen wäre daher ein Leichtes gewesen – aber die kirchliche Hierarchie tat nichts. Bischof Reinhard Marx etwa, der immerhin von 2002 bis 2008 das Bistum Trier leitete, hätte damals dem Treiben ein Ende bereiten und für Aufklärung sorgen müssen. Das hat er nicht getan. Nun aber steht er im Erzbistum München-Freising in der Verantwortung, endlich effektive Präventionsmechanismen gegen sexuellen Missbrauch einzuführen. Die Kirche muss sich ernsthaft fragen, ob derartige Konstellationen glaubwürdig und zielführend sind, wenn sie es mit dem Kampf gegen den Missbrauch ernst meint.

Das Gutachten ist auch noch in einer anderen Hinsicht bemerkenswert. Es macht keinen Hehl daraus, dass Dillinger ein homosexueller Missbrauchstäter war, der sich vor allem an männlichen Jugendlichen und jungen Männern verging. Im Fazit des Berichts wird festgehalten, dass Dillinger „genau das Gegenteil dessen vorlebte, was er in seinen Predigten, Vorträgen und Veröffentlichungen als ethisch, moralisch und letztlich gottgewolltes vorbildliches Verhalten eines guten Christen und Menschen zeichnete. Er selbst lebte seine von ihm nach außen scharf missbilligte (Homo-) Sexualität ungehemmt und in zum Teil strafrechtlich relevanter Weise aus und trat machtbesessen, egozentrisch, narzisstisch und geltungssüchtig auf.“ Das Problem sind freilich nicht die hohen Ansprüche der katholischen Morallehre, sondern die Tatsache, dass Dillinger und die Verantwortlichen in der Kirche, die ihn gewähren ließen, Böses getan und es unter dem Deckmantel der Scheinheiligkeit zu verbergen versucht haben.

Die Umkehr jener, die in Verantwortung stehen, muss schnell und effektiv sein. Sie werden sich vor ihrem Schöpfer nicht nur für das psychische und physische Leid der Opfer rechtfertigen müssen, sondern auch für all jene Seelen, die sich aufgrund des erlittenen Unrechts und der tiefen Enttäuschung, dass die Hirten gemeinsame Sache mit den Wölfen machten, von Gott und seiner Kirche abgewandt haben.

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