Das Bistum Trier hat Fehler und Versäumnisse der Verantwortlichen im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen den Priester Edmund Dillinger (1935-2022) bestätigt. Dieser habe über Jahrzehnte ein Doppelleben geführt. Dillinger war Priester in mehreren Kirchengemeinden im Saarland und in Rheinland-Pfalz sowie in zahlreichen kirchlichen Vereinen, Verbänden und Verbindungen engagiert.
Am Dienstag hatten der ehemalige Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer und der frühere stellvertretende Leiter der Staatsanwaltschaft Trier, Ingo Hromada, den Abschlussbericht ihrer Untersuchung des Falls Dillinger in Trier vorgestellt. Dem Bericht zufolge hat Dillinger zwischen 1961 und 2018 insgesamt 19 Personen in unterschiedlichen Schweregraden missbraucht. Elf Opfer seien namentlich bekannt.
Er versuchte stets, Kontakte zu jungen Männern zu knüpfen
Ausdrücklich erwähnen die Ermittler Dillingers Homosexualität: „Er selbst lebte seine von ihm nach außen scharf missbilligte (Homo-)Sexualität ungehemmt und in zum Teil strafrechtlich relevanter Weise aus und trat machtbesessen, egozentrisch, narzisstisch und geltungssüchtig auf. Als gesichert sehen wir dagegen an, dass D. bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuchte, Kontakte zu jungen Männern zu knüpfen.“
Zudem seien „sehr viele Personen“ Opfer von sexuell motiviertem Verhalten Dillingers geworden, „indem sie in sexualisierten Posen fotografiert wurden, Berührungen in allen Körperregionen ausgesetzt waren oder Annäherungsversuche abwehren mussten“.
In Dillingers Nachlass wurden tausende Fotos gefunden, von denen die Staatsanwaltschaft Mainz zehn als strafrechtlich relevante jugendpornografische Aufnahmen einordnet. Zwölf Fotos liegen im Grenzbereich zur Jugendpornografie. Als größtes Hemmnis für die Ermittlungen stellte sich nach Darstellung der beiden Juristen die Vernichtung der von Dillinger tagebuchartig geführten Kalender und tausender Lichtbilder durch die saarländischen Ermittlungsbehörden heraus.
Viele wussten vom Doppelleben, schauten aber weg
Nach Darstellung des Bistums Trier hat Dillinger als Priester „eine ausgesprochen enge Position der kirchlichen Lehre vertreten“, andererseits aber genau das Gegenteil dessen gelebt, was er als moralisch und vorbildlich propagiert habe. Erneut zeige sich ein Muster: „Dass vor allem in den Jahren vor dem Jahr 2000 viele von diesem Doppelleben wussten oder etwas ahnten, sich aber dafür entschieden, nichts zu unternehmen oder wegzuschauen“, so die Diözese.
Die Sonderermittler stellen dem Bistum ein vernichtendes Zeugnis aus: „Es ist kaum zu begreifen, dass eine Persönlichkeit wie Dillinger über Jahrzehnte im Dienst der Kirche verbleiben konnte – trotz allen Wissens über seine Übergriffigkeiten und Missbrauchstaten. Die Tatenlosigkeit und das Wegschauen von kirchlichen Verantwortlichen – was nur als bewusste Vertuschung gewertet werden kann – diente zuvörderst dem Schutz des guten Namens der Kirche und des Bistums. Alle Hinweise auf die Taten Dillingers wurden weitgehend ignoriert: Es sollte nicht sein, was nicht sein durfte und keine der intern bekannten Taten durfte öffentlich werden. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass das Bistum keine Bedenken gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Dillinger hatte, dass aber Bischof Stein fast zeitgleich seine Ernennung zum ,Monsignore‘ kategorisch ablehnte.“
Missbrauchsbeauftragte fordert Konsequenzen
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, fordert nach Veröffentlichung des Berichts zum Fall Dillinger Konsequenzen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass wertvolles Aktenmaterial vernichtet worden sei. Der Neffe Dillingers hatte nach dessen Tod mehrere tausend Fotos sowie Kalender und Akten gefunden, die Hinweise auf Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch den Priester enthielten. Zahlreiche Unterlagen wurden auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vernichtet.
Claus erklärte, für Betroffene könnten Bilder wichtige Beweismittel sein, wenn es im Rahmen der kirchlichen Anerkennungsverfahren um finanzielle Leistungen gehe oder aber ein Antrag auf Opferentschädigung gestellt werde. Das Bistum Trier müsse auch über den Bericht hinaus alle weiteren Möglichkeiten einer Aufarbeitung nutzen. Nur dann könnten ähnliche Taten auch in Zukunft verhindert werden. Mit Material von KNA
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