Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 95 Jahren im vatikanischen Kloster Mater ecclesiae.
Erster deutscher Papst nach Hadrian VI.
60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nazi-Terrors war es wieder möglich gewesen, dass die „Bild“-Zeitung titeln konnte: „Wir sind Papst“. Drei Tage nach seinem 78. Geburtstag wurde Kardinal Joseph Ratzinger als erster Deutscher nach Hadrian VI. (1522–1523) zum Papst gewählt – als Nachfolger Johannes Pauls II., unter dem er seit 1982 die Glaubenskongregation geleitet hatte. Viele Beobachter hatten den Glaubens-Präfekten auf der Liste stehen – er selber aber glaubte es nicht: „„Schließlich war ich inzwischen 78 Jahre alt, was natürlich beruhigend war“, vertraute er Peter Seewald in den „Letzten Gesprächen“ an. „Wenn die Bischöfe mit 75 Jahren aufhören, kann man nicht einen 78-Jährigen auf den Stuhl Petri hieven.“
Aber es kam anders. „Liebe Schwestern und Brüder!“, sagte er nach der Wahl von der Benediktionsloggia des Petersdoms aus, „nach einem großen Papst Johannes Paul II. haben die Herrn Kardinäle mich gewählt, einen einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn. Mich tröstet die Tatsache, dass der Herr auch mit ungenügenden Werkzeugen zu arbeiten und zu wirken weiß. Vor allem vertraue ich mich euren Gebeten an. In der Freude des auferstandenen Herrn und im Vertrauen auf seine immerwährende Hilfe gehen wir voran. Der Herr wird uns helfen, und Maria, seine allerseligste Mutter, steht uns zur Seite. Danke.“
Prominente pilgern nach Rom
Aufsehen erregend und für viele überraschend war schließlich der Rücktritt Benedikts, den er am Rosenmontag 2013 vor einem Kardinalskonsistorium ankündigte. Am Nachmittag des 28. Februars zog er sich als „Papa emeritus“ in die Sommerresidenz der Päpste in Castel Gandolfo zurück. Das „deutsche Pontifikat“ war zu Ende. Es hatte knapp acht Jahre gedauert. Doch hatte es auch der Kirche in Benedikts Heimat den Rücken gestärkt? War es in Deutschland auf fruchtbaren Boden gefallen? Die Voraussetzungen waren eigentlich gut gewesen: Chefredakteure, Fernseh-Moderatoren, Verleger und Feuilletonisten hatten plötzlich wieder Interesse an der Kirche gefunden, pilgerten nach Rom, um den deutschen Papst predigen und sprechen zu hören, dem eigentlich der Ruf vorausgeeilt war, ein „Panzerkardinal“ und „Rottweiler Gottes“ zu sein.
Doch nun ließen seine gewinnende Art und vor allem die intellektuelle Dichte seiner Verkündigung die alten Vorurteile dahinschmelzen. Das freundliche und bescheidene Auftreten bei seinen ersten beiden Deutschland-Besuchen – 2005 beim Weltjugendtag in Köln und 2006 in seiner Heimat Bayern – ließ Benedikt auch die Sympathien der einfachen Leute gewinnen. Und unter Prominenten wurde es zum Sport, in der „prima fila“ während der Generalaudienz des deutschen Papstes zu stehen. Auch Franz Beckenbauer war dort. „Dies war einer der bewegendsten Momente meines Lebens“, sagte der „Kaiser“ hinterher.
Genörgel wegen der Konzerthaus-Rede
Doch mit diesem Kapital hat man in Deutschland nicht gewuchert – auch in der Kirche nicht. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Aufhebung der Exkommunikation der vier von Erzbischof Marcel Lefebvre geweihten Bischöfe –einschließlich des Holocaust-Leugners Richard Williamson – einen antisemitischen Akt im Pontifikat von Joseph Ratzinger sah und das auch öffentlich vertrat, hat Benedikt XVI. sehr betroffen gemacht. Klug und erheiternd war es, dass der Papst bei seiner Ansprache im Deutschen Bundestag 2011 die ökologische Bewegung in der deutschen Politik in den 1970er Jahren würdigte – aber ausgerechnet die Sitzreihen der Abgeordneten der Grünen waren leer geblieben.
In der Kirche haderte man vor allem in theologischen Kreisen mit der Neuordnung der „außerordentlichen Form des römischen Ritus“ 2007 durch das Apostolische Schreiben „Summorum Pontificum“ – ein Akt, der niemanden zu etwas verpflichtete, sondern für mehr Liberalität in der liturgischen Ordnung der Kirche sorgen wollte. Auf die berühmte „Konzerthaus-Rede“ Benedikts in Freiburg über die Entweltlichung reagierten auch manche Bischöfe mit unmutigem Genörgel, ohne das Anliegen des Papstes richtig wiederzugeben. Das ganze Pontifikat über fremdelten die Einflussreichen in Politik und Kirche mit Benedikt XVI. Mit dessen Wahl und dem Weltjugendtag in Köln war 2005 sicherlich zu einem „katholischen Jahr“ für Deutschland geworden. Doch es ging vorüber, ohne dass die Kirche diese Chance ergriffen hätte.
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