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Abbé Eric Iborra: „Die Zahl unserer Gläubigen wächst“

Ein Jahr nach „Traditionis custodes“ hebt der Pariser Priester Abbé Eric Iborra die missionarische Bedeutung der überlieferten Form hervor.
Abbé Iborra
Foto: Privat | Abbé Iborra macht gute Erfahrungen mit der überlieferten römischen Liturgie.

Abbé Iborra, in Ihrer Pariser Pfarrei Saint Roch zelebrieren Sie die heilige Messe in beiden Formen des römischen Ritus. Wo liegen die Vorteile einer solchen Integration der außerordentlichen Form in das Leben des Bistums?

Kardinal Lustiger hat in den 80er Jahren als damaliger Erzbischof entschieden, dass im gesamten Erzbistum die Feier der heiligen Messe in der außerordentlichen Form in den Händen von Diözesanpriestern liegen sollte. Im Laufe der Jahre beauftragte er daher mehrere Pfarreien, in denen die heilige Messe in beiden Formen gefeiert wird. Es lag ihm viel daran, auf diese Weise die innere Einheit seines Erzbistums zu fördern, was ja auch im Sinne unseres Heiligen Vaters ist, und das gegenseitige Verständnis von traditionellen Katholiken und Katholiken, die die neue Form bevorzugen, zu fördern. Genau das können wir in unserer Pfarrei beobachten.

Hat das funktioniert?

Ja. Die Gläubigen lernen sich innerhalb ein und derselben Pfarrei kennen und schätzen, denn es gibt viele gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Messfeier. Viele Gläubige gehen mit der Zeit dazu über, auch die Messe in der jeweils anderen Form zu besuchen. Für die heilige Messe selbst bedeutet es einerseits eine Bereicherung der neuen Form. Priester, die in beiden Formen zelebrieren, neigen dazu, die Sakralität der alten Form in der neuen Form zu übernehmen. Umgekehrt beugt es einer gewissen Sklerosierung des traditionalistischen Milieus vor, da Diözesanpriester eben auch durch das Zweite Vatikanische Konzil und der Theologie der letzten Jahrzehnte geformt wurden. So wird zum Beispiel in der Predigt die Heilige Schrift stärker betont, als dies traditionell der Fall war.

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Die Einheit des Ritus ist also ein richtiges Anliegen?

Papst Benedikt hat hier eine vorsichtige und ausgewogene Position eingenommen, indem er das allgemeine Prinzip der Einheit des Ritus anerkannte, aber er gleichzeitig wahrnahm, dass noch nicht die Bereitschaft bestand, zu einer liturgischen Einheit zurückzukehren. Dabei betonte er auch, dass die außerordentliche Form kein barmherziges Zugeständnis für diejenigen ist, die nicht bereit sind, zur neuen Form überzugehen, sondern sie eine echte missionarische Dimension besitzt: So beobachten wir auch in unserer Pfarrei, dass die alte Form viele Menschen anzieht, die sie vorher nicht kannten, besonders auch junge Menschen.

Was hat sich in Frankreich seit „Traditionis custodes“ geändert?

Seit „Traditionis custodes“ sitzen die französischen Bischöfe ein wenig zwischen den Stühlen. Einerseits sollte ihnen als Hüter der Tradition die Autorität über die Liturgie in ihrer Diözese zurückgegeben werden, andererseits werden sie stark dazu gedrängt, die alte Form abzuschaffen. Dabei sehen die meisten Bischöfe heute keinen scharfen Gegensatz zwischen den Gläubigen der beiden Formen mehr. Trotzdem entgleitet ihnen mehr und mehr die Autorität über die Liturgie: Neu geweihte Diözesanpriester, die in der alten Form zelebrieren wollen, müssen bei der Gottesdienstkongregation um Erlaubnis bitten. Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass diese Erlaubnis systematisch verweigert wird. Tatsächlich sind die Opfer von „Traditionis custodes“ also gerade die Priester, die die heilige Messe in beiden Formen zelebrieren möchten. Dabei sind diese Priester der beste Faktor für die Einheit der Gläubigen beider Formen. Denn ein Priester, der die heilige Messe auch in der außerordentlichen Form zelebriert, feiert die neue Form in anderer Weise.

Welche Auswirkungen hatte das Motu Proprio auf Ihre Pfarrei?

Die Zahl unserer Gläubigen in Saint Roch wächst weiterhin stetig an, das hat sich durch „Traditionis custodes“ nicht geändert. Für unsere Pfarrei haben sich vor allem zwei Änderungen ergeben: Früher konnten wir andere Diözesanpriester, die der außerordentlichen Form mächtig sind, ganz unkompliziert um Aushilfe bitten. Das geht nun nicht mehr so einfach, da jedes Mal eine schriftliche Genehmigung vom Bistum eingeholt werden muss. Außerdem dürfen wir die anderen Sakramente eigentlich nicht mehr in der außerordentlichen Form feiern. Besonders für die Firmung stellt uns das vor Probleme.

Wie wollen Sie damit umgehen?

Wir wollen erreichen, dass unser neuer Erzbischof Laurent Ulrich einen Priester mit der Firmspendung beauftragt und planen, die Firmung in der neuen Form auf Latein innerhalb einer Messe in der außerordentlichen Form durchzuführen. Unsere Firmlinge sind mit dieser Lösung einverstanden. Das zeigt übrigens auch, dass unsere „Tradis“ keine Hardliner sind.

Wie schätzen Sie die Überlebenschancen für die außerordentliche Form ein?

Ich gehe davon aus, dass es Priester und Gläubige geben wird, die sich den Anweisungen aus Rom widersetzen werden. Ich fürchte, dass wir in eine Zeit wie die von Bischof Lefebvre zurückversetzt werden könnten. Viele Gläubige werden zur Piusbruderschaft abwandern. Diejenigen, die versuchen, die Einheit der beiden Formen zu leben, werden früher oder später ihr „Lager“ wählen müssen. Es werden also gerade diejenigen bestraft werden, die eine Annäherung der beiden Formen und ihre gegenseitige Bereicherung suchen. Gleichzeitig sind in Frankreich die jungen Priester traditionsbewusster als ihre Vorgänger. Das führt auch dazu, dass es immer weniger Auswüchse bei der Feier der ordentlichen Form gibt.

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