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Stefan Heße sagt in Kölner Prozess aus

Ein Kürzel wirft Fragen auf. Der Hamburger Erzbischof sagt als erster deutscher Bischof in einem Missbrauchsverfahren vor dem Kölner Landgericht aus. Ungereimtheiten und Erinnerungslücken treten zu Tage.
Hamburger Erzbischof Heße
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße sagte als erster deutscher Bischof in einem Missbrauchsprozess aus.

Die erste Vernehmung eines katholischen Bischofs in einem Missbrauchsprozess vor einem weltlichen Gericht in Deutschland hat volle drei Stunden beansprucht. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße (55) sagte am Dienstag in der Verhandlung vor dem Landgericht Köln aus, er habe als früherer Personalchef im Erzbistum Köln Fehler im Umgang mit dem Fall des angeklagten Priesters U. begangen.

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Ein Spagat

Zugleich unterstrich der Hamburger Erzbischof, er habe „entschlossen gehandelt“ und den Geistlichen nach Bekanntwerden der Vorwürfe und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zügig aus dem Dienst genommen, um die Klärung der Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft abzuwarten. Zugleich wies Heße auf den „Spagat“ hin, den er als Personalchef und Ansprechpartner bei Verdachtsfällen auf Missbrauch durch Priester zu leisten hatte. Diese Ämterkonstellation sei heute nicht mehr üblich: Personalarbeit werde heute von der Intervention in Missbrauchsfällen getrennt.

Dem Angeklagten U. wird vorgeworfen, seine drei minderjährigen Nichten zum Teil schwer missbraucht zu haben. Zudem soll er sich 2011 an einem elfjährigen Mädchen vergangen haben. Nach bisherigen Zeugenaussagen ist nicht auszuschließen, dass es weitere Opfer geben könnte. Nachdem später die Anzeige zurückgenommen worden war, stellte die Staatsanwaltschaft ihr Verfahren ein, und U. arbeitete wieder als Krankenhauspfarrer. Eine Meldung nach Rom und weitere kirchenrechtliche Schritte unterblieben.

Nicht vorstellbar

Die Verantwortung dafür, dass die 2010 bekannt gewordenen Vorwürfe gegen U. nicht vorschriftsgemäß an den Vatikan gemeldet wurden, liegt nach Darstellung Heßes im Wesentlichen an der Einschätzung des damaligen Offizials Günter Assenmacher: „Auf wen sollte ich mich verlassen, wenn nicht auf Fachleute?“

Nachdem die Nichten von Pfarrer U. bei einem kirchlichen Verfahren nicht aussagen wollten, habe der damalige Kirchenrichter des Erzbistums erklärt, dass es ohne Aussage nichts gebe, worauf sich ein Prozess stützen könne. Es gebe somit nichts, was nach Rom geschickt werden könne. „Das leuchtete mir ein“, so Heße. Die von Assenmacher in der vergangenen Woche vor dem Kölner Landgericht angedeutete Möglichkeit, dass auch die damalige Justitiarin den Fall gewissermaßen im Alleingang aus moralischem Empfinden heraus nach Rom hätte melden können, verwarf Heße in der Befragung als „jenseits dessen, was man sich vorstellen kann“.

Kein Protokoll

2010 zeigte eine Nichte des Angeklagten ihn erstmals wegen Missbrauchs an. Heße unterstrich vor Gericht, dass der Beschuldigte bei Befragungen zu den Vorwürfen „alles weit von sich gewiesen habe“. Das Gespräch, in dem Pfarrer U. mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, soll Heße pflichtwidrig nicht protokollieren haben lassen.

Bereits im vergangenen Jahr war die vom Erzbistum Köln mit der unabhängigen Untersuchung von Missbrauchsfällen beauftragte Kanzlei Gercke auf eine Aktennotiz vom November 2010 gestoßen, die von Heßes damaliger Sekretärin stammte.

Daraus geht hervor, dass im Zusammenhang mit dem Fall U. kein Protokoll angefertigt werde, „da dieses beschlagnahmefähig wäre“. Die Notiz trägt Heßes Kürzel, der sich bei der Zeugenvernehmung darauf keinen Reim machen konnte.

Verstoß bestätigt

Dass U. gegen die Suspendierung verstieß, bestätigte Heße. Er sehe, dass Fehler gemacht worden seien und habe dem Papst im März 2021 seinen Rücktritt angeboten habe. Die Entscheidung des Papstes „macht es nicht leichter“. Das Erzbistum Köln hatte den Fall U. 2018 im Zuge seiner Missbrauchsaufarbeitung erneut aufgerollt. Kardinal Rainer Woelki untersagte U. die Ausübung priesterlicher Dienste. Der Prozess soll am 25. Februar enden.

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